TAuftritt im Stadeum: Ist Dittsche eigentlich ein Populist?
„Weiss du, hasdu `n Bild?“ - Dittsche sucht als One-Man-Show immer den direkten Kontakt zum Publikum. Foto: Buchmann
Im Fernsehen war Dittsche lange Zeit ein Unterhaltungsgarant, jetzt stand er in Stade auf der Bühne. Im Gepäck hatte er reichlich liebenswürdige Kamellen, aber auch Misstöne.
Stade. Bademantel übergestreift, in der einen Hand eine Alditüte, in der anderen eine Flasche Bier: Fertig ist der Dittsche. Mit seiner Kunstfigur schuf Kabarettist Olli Dittrich vor gut 30 Jahren den wohl bekanntesten Arbeitslosen Deutschlands.
Obwohl der WDR die Serie 2021 nach 30 Staffeln einstellte, präsentiert Dittsche seine Lebensweisheiten weiterhin auf der Bühne - so auch vergangenen Sonntag im ausverkauften Stadeum. „Das ist Welt“, prämiert Dittsche gerne seine eigenen Ideen. Aber braucht die Welt noch Dittsche?
„Ich bin ein Spinner“, gesteht Dittsche dem Stader Publikum und genehmigt sich einen Schluck aus seinem Hobel (Dittschisch für eine Flasche Bier). Seine These sollte Dittsche im Laufe des Abends etliche Male belegen. Ein Beispiel: Dittsche rühmt sich damit, die „Hühnersuppen-Kur à la Kneipp“ erfunden zu haben.
Dafür braucht er nur eine Badewanne mit heißem Wasser; „aber so heiß, dass die Beine nach dem Eintauchen vier Farbtöne dunkler sind als der Rest“. Dann zwei Tütchen mit Hühnersuppe zugeben und mit der Rückenbürste den Badezusatz gründlich umrühren. Fertig ist das Allheilmittel „für die frische Jahreszeit“.
Witze aus der Konserve schmecken auch
Kalauer dieser Art machen Dittsches humoristisches Wesen aus, gepaart mit figurentypischen Versprechern wie etwa Stereopor statt Styropor. Seit drei Jahrzehnten wärmt Dittsche immer wieder die gleichen Geschichten auf.
Und trotzdem schmecken diese immer noch. Wie eine Dose Linseneintopf, die man für schlechte Tage im Küchenschrank lagert; nicht gehaltvoll, aber sättigend.
Olli Dittrich versteht es jedoch wie ein Meisterkoch, das Aufgewärmte mit einer Prise Spontaneität zu verfeinern. Auch seine Gabe, jedes noch so kleine Detail seines ausufernden Palavers bildhaft ohne eine einzige Requisite zu beschreiben, hilft ihm dabei.
Dittsche zog aus improvisierten Gesprächen mit dem Imbissbetreiber Ingo (gespielt von Jon Flemming Olsen) seinen Reiz. Auf der Bühne steht Dittrich jedoch allein ohne seinen Partner. Statt zu „funktionuckeln“ kommt der Dittsche Zweitakter oft ins Ruckeln.
Programm für die Generation Hitparade
Die meisten von Dittsches Anekdoten sind harmlose Späße, wenngleich aus der Zeit gefallen. Ob der Frotteeliebhaber von vergessenen Abstimm-Postkarten für Peter Orloff in der ZDF Hitparade erzählt oder die Autofahrhandschuhe des Nachbarn einem Walter Röhrl besser gestanden hätten:
Für die Generation Ü50 ein Lacher, Jüngeren hilft nur Google im Nachgang. Spätestens mit platten Witzen über das Gendern etwa über den Begriff „Lehrende“ und die vermeintliche Doppeldeutigkeit für Schullehrer als auch Müllwerker verschreibt sich Dittsche dem Gestern statt dem Morgen.

Mit Aldi-Tüte und einem „Hobel“ in der Hand tritt Olli „Dittsche“ Dittrich auf die Stader Bühne. Foto: Buchmann
Dittsches Sicht auf die Welt war stets geprägt von Halbwahrheiten und Parolen, die er mit Vorliebe aus Boulevardmedien aufgriff und mit reichlich heißer Luft aufblies.
Stets blieb Dittsche eine tragikomische Meta-Parodie; nicht auf seinen Stand als gescheiterter Arbeiter, sondern auf die komplizierte Welt um ihn herum. Dittsche war immer ein Typ der Marke „So einen kennt doch jeder“. Das trifft auch heute noch zu - jedoch mit einem beißenden Beigeschmack.
Lacher mit populistischen Phrasen
Die Welt hat sich inzwischen drastisch verändert, Dittsche aber nicht. Wenn er sich heute auf der Bühne über den ehemaligen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach als „Klabauterbach“ und seine luftabschnürende Fliege lustig macht, übernimmt er Phrasen, die sich Populisten zu eigen gemacht haben.
Parolen über die Deutsche Post oder Ausgehverbote für Tiere während der Pandemie bestärken diesen Eindruck. Doch Dittsche nimmt es offenbar wissend in Kauf, zugunsten der Lacher. Eine gefährliche Masche in Zeiten, in denen Populisten das Internet mit menschenfeindlichen Parolen fluten. So einen Dittsche braucht heute niemand.
Doch in der Zugabe seines fast dreistündigen Programms lässt Dittsche plötzlich den gesellschaftskritischen Scharfsinn aufglimmen, den man den restlichen Abend schmerzlich vermisste. Dass das EU-Parlament jetzt Herstellern und Gastronomen verbieten will, vegetarische Produkte als Wurst oder Schnitzel zu bezeichnen, hält er für Blödsinn.
„Materie hat kein Wesen“, sagt Dittsche. Schließlich habe er für seinen Lütten früher auch schon Schnitzeljagden organisiert, ganz ohne Fleisch. „Wisst ihr, was mich wirklich verwirrt?“, fragt Dittsche in den dunklen Zuschauerraum: „Teewurst.“
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