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24-Stunden-Reportage

TAutohof in Rade: Wo die beiden „Verrückten“ hinterm Tresen stehen

Auch während der achtstündigen Nachtschicht gut drauf: Melanie Mittelheuser (links) und Melanie Schlobohm.

Auch während der achtstündigen Nachtschicht gut drauf: Melanie Mittelheuser (links) und Melanie Schlobohm. Foto: Bröhan

Müde Trucker werden zwischen 4 und 5 Uhr mit einem Lächeln und flotten Spruch auf die Piste geschickt. Dafür bekommt der Autohof sogar Preise.

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Von Jan Bröhan
Donnerstag, 10.07.2025, 17:50 Uhr

Landkreis Harburg. Rade am frühen Morgen: Die Blaue Stunde beginnt, die satt-rote Firmenbeleuchtung von Hoyers Raststätte und Tankstelle langsam einzuhüllen. In dem Grünstreifen an den Pkw-Parkplätzen singt eine Amsel inbrünstig und melodisch gegen den monotonen Verkehrslärm auf der B3 und A1 an.

Im 24 Stunden am Tag geöffneten Shop trällern die beiden Melanies gut gelaunt. Lkw-Fahrer, vom Schlaf im Truck noch gezeichnet, schlurfen in den hell erleuchteten Shop und werden mit einem Lächeln begrüßt - flotte oder auch mal schlüpfrige Sprüche inklusive.

„Das ist die verrückte Melanie“, sagt Melanie Schlobohm in Richtung ihrer Kollegin Melanie Mittelheuser bei der Vorstellung. Die lacht und macht dabei einen kleinen Seitfallschritt. „So sind die beiden“, sagt Stationsleiter Veit Gehrmann auf das dynamische Duo angesprochen, „und manchmal auch schlimmer.“

Der 54-jährige Gehrmann war in der vergangenen Woche gerade in München. Dort heimste er für den Autohof Rade fünf Preise ein. Alle zwei Jahre können Kunden abstimmen.

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Die Lkw-Fahrer kürten Rade zu Deutschlands beliebtestem Autohof. 2023 war er auf Platz drei. Zudem gab es jetzt den ersten Platz in der Kategorie „Sicheres Parken“. Zweite Plätze gab es für „Service“ und „Preis-Leistung“, die Gastronomie landete auf Platz drei.

100 Lkw-Stellplätze und 35 Pkw-Parkplätze in Rade

Der Autohof wurde 2012 eröffnet. Rade ist einer von vier, nächstes Jahr eröffnet Hoyer einen fünften. Mit mehr als 100 Lkw-Stellplätzen und 35 Pkw-Parkplätzen ist Rade der größte Autohof von Hoyer. Das Restaurant hat 120 Sitzplätze, auf der Außenterrasse finden fast 100 Menschen Platz.

Die morgendliche Blaue Stunde zieht um 4 Uhr morgens langsam über den Autohof in Rade.

Die morgendliche Blaue Stunde zieht um 4 Uhr morgens langsam über den Autohof in Rade. Foto: Bröhan

Kabel 1 oder der NDR kommen in Rade gerne für Reportagen vorbei. Die Sendung „Achtung Kontrolle“ macht hier immer mal wieder Stopp. Anfang des Monats gewährte die NDR-Nordreportage Einblicke in die Arbeit der Hoyer Marine GmbH und begleitete Hafenschiffer Christian Malchow im Hamburger Hafen. Hoyer beliefert auch Schiffe mit Kraft- und Schmierstoff im großen Stil.

Das 1924 gegründete Familienunternehmen hat heute 2600 Mitarbeiter, betreibt mehr als 300 eigene Tankstellen und versorgt Endkunden sowie Handelspartner mit Diesel, Heizöl, Benzin, Flüssiggas sowie Holzpellets.

„Hey Saschi“, begrüßen die Melanies einen jungen Mann, die Iron-Maiden-Cap tief in die Stirn gezogen, als er kurz nach 4 Uhr durch die Schiebetür schleicht. „Du siehst ja noch nicht so fit aus.“ Er bekommt sogleich einen großen Becher Kaffee in die Hand gedrückt.

„Saschi“ ist ein Kollege. Seine Schicht beginnt um 5 Uhr. Er setzt sich auf einen der Hocker im Shop und schlürft seinen Kaffee, hält Small Talk mit den Melanies, während diese die Kunden bedienen.

Sechs Duschbäder gibt es für die Trucker

Sascha kommt aus Soltau. Er arbeitet seit acht Jahren im Autohof. Er lernte in einer großen Gebäudereinigungsfirma und ist in Rade für die Sauberkeit zuständig. Die Lkw-Fahrer können dort ihre Wäsche abgeben und haben sechs Duschbäder zur Verfügung.

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Sascha sagt, er komme immer mit einem positiven Gefühl zur Arbeit. Er mache den Job gern für „die Jungs. Sie loben den Standard hier.“ Er spricht mit den Lkw-Fahrern, die in ihrem Job viel allein seien.

Sascha streicht mit einer Hand an dem Schriftzug seines schwarzen Hoodies entlang. „Scania“ steht da. Er habe den Kapuzenpulli von einem Fahrer geschenkt bekommen. Gerade bei vielen Stammfahrern sei er beliebt. Und was die Reinigungskraft auch besonders am Job mag: „Ich finde diese imposanten, mit Graffiti besprayten, Trucks faszinierend.“

Ab 4 Uhr Durchgangsverkehr im Shop

Ein Lkw-Fahrer bestellt zwei Mettbrötchen an der Kasse. Melanie Mittelheuser sagt: „Wenn du da rankommst, kannste welche haben“, und macht ihm erst mal einen Kaffee fertig. Er lächelt müde. Die belegten Brötchen liegen hinter Glasscheiben im Tresen. Der Umgangston, gerade mit den bekannten Stammfahrern, die namentlich begrüßt werden, ist locker.

Um 4 Uhr morgens schlafen viele Lkw-Fahrer noch. Allerdings gibt es auch Frühaufsteher - um diese Zeit sind die Straßen schön frei.

Um 4 Uhr morgens schlafen viele Lkw-Fahrer noch. Allerdings gibt es auch Frühaufsteher - um diese Zeit sind die Straßen schön frei. Foto: Bröhan

Die Trucker sowie Pkw-Fahrer auf dem Weg zur Arbeit kommen im Zwei- bis Fünf-Minuten-Takt. Die Trucker machen sich frisch und nehmen ihre Frühstücksbestellungen fast immer mit zum Lkw. Drei bis fünf Brummis stehen nun im Wechsel an den Zapfsäulen. Während der Tank vollläuft, putzen die Fahrer die Windschutzscheiben und kontrollieren die Motorräume.

Insgesamt 45 Mitarbeiter sind beim Autohof angestellt

„Viele Lkw-Fahrer kommen nur wegen uns“, sagt Melanie Mittelheuser, und meint damit die ganze Belegschaft. 45 Mitarbeiter, vom Hausmeister bis zum Koch, sind hier in Rade angestellt. Sie arbeiten in drei Schichten. Die beiden Melanies haben nun fünf Nachtschichten, 22 bis 6 Uhr, und dann zwei Tage frei. „Wir sind dem Standort hier schon sehr verbunden“, sagt Stationsleiter Gehrmann.

Melanie Mittelheuser arbeitete sieben Jahre lang in einer Autobahnraststätte und war unzufrieden mit ihrem Job. „Ich bin hier jeden Tag dran vorbeigefahren und hab gedacht: Halt doch einfach mal an und frag nach.“

Dann gab sie 2021 ihre Bewerbung ab und hatte zwei Tage später die Zusage in Rade. „Ich hab auch Kunden von meiner alten Raststätte abgeworben.“ Die gute Arbeitsatmosphäre hebt sie hervor. Ihre Tochter hat in Rade ihre Ausbildung gemacht.

„Huhu, hier her“, ruft Melanie Schlobohm, als drei Kunden an der Kasse ihrer Kollegin stehen. Einer dreht ab und kommt an ihre Kasse. Kaffee, zwei belegte Brötchen und Tankfüllung werden abkassiert. Und ein schöner Tag gewünscht. Schlobohm arbeitet hier seit drei Jahren und wohnt gleich um die Ecke. Ihre Kollegin kommt ganz aus der Bremer Ecke.

Für Lkw-Fahrer Alexander Mieling beginnt um 5 Uhr ein langer Tag. Heute wird er abends nicht nach Hause kommen.

Für Lkw-Fahrer Alexander Mieling beginnt um 5 Uhr ein langer Tag. Heute wird er abends nicht nach Hause kommen. Foto: Bröhan

Als Melanie Mittelheuser gegen 5 Uhr hinter der Raststätte am Lagerraum eine Zigarettenpause macht, trottetet ein Lkw-Fahrer vom Parkplatz zum Shop. „Hallo Alex“, ruft sie. Alexander Mieling kommt die paar Schritte zu ihr. Er pustet kurz durch, um seine Aussage zu untermauern. „Zwei Stunden hab ich von Hamburg hierher gebraucht.“ Sein Lkw stand übers Wochenende auf dem Autohof.

Der 46-Jährige fährt seit 13 Jahren und ist hier Stammkunde. Dass er gleich zwei Laugenstangen für die Fahrt bestellt, wissen die Melanies natürlich. „Die Mädels kenne ich ewig, es gibt kaum einen Tag, der mal schlecht ist“, sagt er mit Blick auf die Art der beiden Frauen. Ihm graut ein wenig vor seinem Tag.

Heute hat er Paletten an Bord. Er wird zweimal zwischen Rade und Stelle pendeln, dann geht‘s nach Verden und Delmenhorst. „Danach guck ich mal, wie weit ich noch Richtung Glückstadt komme.“ Meistens kommt er nach einem Arbeitstag aber nach Hause.

Mittlerweile ist es hell. Die Luft ist klar. Auspuffabgase verflüchtigen sich im leichten Wind. Mieling hofft vor seiner Abfahrt, dass es nicht zu heiß wird. Die Amsel zwitschert noch immer. Und drinnen feixen die Melanies schon mit einer Kollegin, die sie in einer Stunde ablöst.

Auch während der achtstündigen Nachtschicht gut drauf: Melanie Mittelheuser (links) und Melanie Schlobohm.

Auch während der achtstündigen Nachtschicht gut drauf: Melanie Mittelheuser (links) und Melanie Schlobohm. Foto: Bröhan

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