TBSV und D/A: Können die Leistungssportler in der Sommerpause abschalten?

Die BSV-Handballerin Lotta Heider hat im vergangenen Jahr nach der Saison in Hurghada (Ägypten) abgeschaltet. Foto: privat
BSV-Handballerin Lotta Heider und D/A-Fußballer Nico von der Reith nutzen die Sommerpause, um sich in Kroatien oder der Türkei zu erholen. Aber ganz abschalten: Können sich Leistungssportler das überhaupt erlauben?
Landkreis. Die ehemalige Weltklasse-Tennisspielerin Andrea Petkovic hat ein ambivalentes Verhältnis zum Sommerurlaub. „Natürlich gehört es zu einem Sportlerinnenleben dazu, den Körper zu erholen“, erklärt sie in der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Das Problem daran ist, dass je mehr man ihn erholt, (...) desto schneller geht es mit der Fitness bergab und desto steiler und steiniger wird der zu erklimmende Berg der Spitzenleistung.“
Leistungssport und Sommerpause: Passt das zusammen?
Anruf bei Lotta Heider. Die Bundesliga-Handballerin vom Buxtehuder SV hat mit ihrer Mannschaft bereits den Saisonabschluss auf Mallorca gefeiert. Jetzt freut sie sich auf die Hochzeiten von Freunden, einen Urlaub in Kroatien und ein paar Tage in Italien. Diese Woche geht es los. Der Koffer ist gepackt, zwei Thriller will sie am Strand lesen. „Mein Freund und ich werden die Zeit auf jeden Fall gut nutzen“, sagt Heider.
Heider konnte nach dem letzten Saisonspiel erstmal ein paar Tage entspannen, „dem Körper eine Pause gönnen“, sagt die 22-Jährige, immerhin sei sie nach der anstrengenden Saison „handballmüde“ gewesen. Doch sechs Wochen nichts tun, kommt auch nicht in Frage. Heider weiß: „Nach der Saison ist vor der Vorbereitung.“
Mentalitätsbestie erholt sich am Strand
Nico von der Reith meldet sich per WhatsApp. Der Kapitän des Fußball-Regionalligisten SV Drochtersen/Assel verbringt den Urlaub mit seiner Familie in der Türkei. Der 30-Jährige gilt als die Mentalitätsbestie im D/A-Kader. Als sehr physischer Spieler, als einer, der keinen Zweikampf scheut und fast alle gewinnt. In 27 von 34 Regionalligaspielen stand von der Reith in der vergangenen Saison auf dem Platz - 2349 Minuten. Zuletzt am 18. Mai in Havelse.

Nico von der Reith verbringt den Urlaub mit seiner Familie in der Türkei. Foto: privat
Seither sei nur eine Woche vergangen, in der er keinen Sport trieb. „Es ist wichtig, einfach mal abzuschalten und nicht an Fußball zu denken“, sagt von der Reith. Danach setzte die Routine wieder ein, die typischen Abläufe eines Leistungssportlers in der Sommerpause. „Dann ist Sport selbstverständlich. Ich will ja auch im Urlaub fit bleiben und nicht das verlieren, was ich mir aufgebaut habe“, sagt von der Reith.
Darum ist die Off-Season so wichtig
Die Buxtehuder Handballerinnen absolvieren ab kommender Woche wieder drei Lauf- und drei Krafteinheiten. Um die individuellen Trainingspläne zu erstellen, unterzog BSV-Athletiktrainer Curtis Klein die Spielerinnen in der vergangenen Woche einer Leistungsdiagnostik. Der studierte Sportwissenschaftler testete unter anderem, wie hoch sie springen können und wie viele Kilogramm sie mit der Langhantel schaffen. „So können die Spielerinnen an ihren persönlichen Baustellen arbeiten“, sagt Klein.

Curtis Klein unterzog die Spielerinnen des BSV einer Leistungsdiagnostik, um danach konkrete Trainingspläne zu erstellen. Foto: Privat (nomo)
Die Off-Season ist aus seiner Sicht eine entscheidende Phase. Zum einen lasse die Ermüdung aus der Vorsaison nach, zum anderen könnten erste Grundlagen für die neue Saison gelegt und die „Wehwehchen“ in den Griff bekommen werden. „Das ist die einzige Zeit, in der das Athletiktraining oberste Priorität hat“, sagt Klein. Im Trainings- und Spielbetrieb sei das in diesem Umfang nicht möglich.
Ioannou: „Die Jungs sind sehr fleißig“
Bei D/A sollen die Spieler drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche abspulen. Dabei beträgt die Intensität allerdings keine 100 Prozent. Laufen können sie auch am Strand in der Türkei. Die meisten Hotels sind mit Fitnessstudios ausgestattet. Über eine App verfolgt D/A-Trainer Oliver Ioannou das Training. „Die Jungs sind sehr fleißig. Oft machen sie mehr, als sie sollen“, sagt er. Da spiele ein hohes Maß an Eigenmotivation mit.
Einige Spieler schicken ihm Screenshots von ihren Smartphones, die die Ergebnisse und Leistungen auf dem Laufband zeigen. „Ich will sicher gehen, dass am ersten Tag der Vorbereitung alle den gleichen Stand haben“, sagt Ioannou. D/A steigt am 19. Juni wieder ins Training ein. Die Saison beginnt am letzten Juli-Wochenende.
Athletiktrainer vertraut der Mannschaft
Die BSV-Spielerinnen arbeiten in der Sommerpause vor allem an Muskelaufbau, Sprungkraft und Schnelligkeit. „Das klingt erstmal nach viel, ist aber vom Trainingsumfang für eine Leistungssportlerin recht moderat“, sagt Athletiktrainer Klein. Die Intensität wird in den Wochen bis zum Vorbereitungsstart gesteigert.
Klein kann die Leistungen in der Sommerpause nicht direkt kontrollieren, aber er bekommt Feedback von den Spielerinnen und hat überhaupt keine Bedenken, dass sie nur auf der faulen Haut liegen. Im Juli steht wieder ein Leistungstest an. Woran die einzelnen Spielerinnen bis dahin konkret arbeiten müssen, wollen die Buxtehuder nicht verraten. „Ich habe den Anspruch, fit zu sein, wenn die Vorbereitung beginnt“, sagt Heider.

Rechtsaußen Lotta Heider spielt seit einem Jahr beim BSV. Foto: IsoluxX Fotografie (Archiv)
Außerdem gibt Klein den Spielerinnen eine wissenschaftlich erprobte Skala an die Hand, mit der sie die Intensität des Krafttrainings bewerten und steuern können. „Sie sollen dabei nur bis zu einem bestimmten Grad der Ermüdung gehen, bei dem sie noch Fortschritte machen, und sich nicht völlig auspowern“, sagt er.
„Bis heute hatte ich jeden Tag Fußball“
Einer, der keine Pause kennt, ist D/A-Trainer Ioannou. Er lebt Fußball. Zuletzt analysierte er die Partie der Deutschen gegen die Ukraine und schaute sich das Spiel der Türkei gegen Italien an. Am Mittwoch stand das Regionalliga-Relegations-Match zwischen Bersenbrück und Flensburg auf dem Programm. „Bis heute hatte ich jeden Tag Fußball“, sagt Ioannou.
Die Trainingsinhalte müssen zusammengestellt werden. Die Kaderplanung ist zwar schon recht weit, aber noch nicht abgeschlossen. Zwei, vielleicht drei Spieler sollen dazukommen. „Ich habe viele Gespräche in den letzten Tagen und Wochen geführt“, sagt er. Mit Sportdirektor Sören Behrmann sowieso, aber auch mit Beratern.

D/A-Trainer Oliver Ioannou lebt Fußball und nimmt sich kaum eine Pause. Foto: Struwe (Archiv)
Ioannou sichtet Videomaterial von potenziellen Neuzugängen. Er will sie persönlich kennenlernen. Er will wissen, ob sie charakterlich zu D/A passen. Das übliche Geschäft eines Trainers in der Sommerpause.
Raum für Pausen nimmt sich Ioannou dennoch. „Ich genieße die Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern“, sagt er. Bei der Gartenarbeit, beim Rasenmähen und beim Pflegen der Buchsbäume bläst auch der Fußballverrückte seinen Kopf frei. Aber das Handy hat er immer dabei.