TBaggersee-Mordprozess: „Verdachtsdiagnose Schizophrenie“ beim Angeklagten

Der Angeklagte A. K. verdeckt sein Gesicht hinter Büropappe. Die Saatsanwaltschaft wirft dem 43-Jährigen vor, im August 2002 einen Mann an einem Baggersee bei Buxtehude mit einem Schrotgewehr erschossen zu haben. Foto: Thomas Sulzyc
Die Aufklärung des Baggersee-Mordprozesses geht in die entscheidende Phase. Vor dem Landgericht gab der psychiatrische Gutachter seine Einschätzung ab. Doch auch danach bleibt eine entscheidende Frage offen.
Buxtehude. Das Tatgeschehen vor 22 Jahren an einem Baggersee in Buxtehude-Ovelgönne war äußerst brutal. Das 27-jährige Opfer wurde in der Nacht zum 11. August 2002 aus kurzer Distanz mit Schüssen aus einer Schrotflinte getötet. Die Tat konnte nie aufgeklärt werden. Jetzt sind vier Männer des Verbrechens angeklagt. Sie standen bereits vor zwei Jahrzehnten unter Verdacht und saßen damals in Untersuchungshaft. Am Ende reichten die Beweise aber nicht für eine Anklageerhebung.
Bekennerschreiben belasten Angeklagte nach 22 Jahren
Der Unterschied zu damals: Der Angeklagte K. (43) hat im Frühjahr 2023 die Tat in einem ersten Bekennerschreiben gestanden und in einem zweiten die drei Mitangeklagten belastet. K. ist aufgrund anderer Taten, wie auch ein zweiter Mitangeklagter, in Haft. Die anderen beiden sind auf freiem Fuß.
Stimmen von Außerirdischen sollen K. gesagt haben, dass er ein Geständnis ablegen solle - sonst würden sie ihm etwas antun. Vor der 2. Großen Strafkammer in Stade geht es deshalb um gemeinschaftlichen Mord. Aber: Schon im September 2023 widerrief K. sein Geständnis. Den Angeklagten kann eine lebenslange Haftstrafe drohen.
Reicht das Geständnis für eine Verurteilung aus?
Für eine mögliche Verurteilung ist die Bewertung der beiden Bekennerschreiben von zentraler Bedeutung. Dass diese trotz des Widerrufs grundsätzlich für eine Verurteilung aus Sicht des Gerichts herangezogen werden können, hatte der Vorsitzende Richter Julien Zazoff bereits mitgeteilt.

Der TAGEBLATT-Bericht vom 13. August 2002. Foto: Archiv
Die Begutachtung des Angeklagten K. durch Dr. Harald Schmidt als psychiatrischem Gutachter war deshalb von Prozessbeobachtern mit Spannung erwartet worden. Das Problem: Der Rechtsmediziner aus Sittensen hatte keinen direkten Zugang zum Angeklagten. Dieser nutzt, wie seine drei Mitangeklagten, sein Zeugnisverweigerungsrecht.
Unstrittig ist die Drogenabhängigkeit des Angeklagten. Seit 2014 nimmt er Betäubungsmittel - mit zunehmender Intensität. Er startete mit Marihuana, später folgten Kokain und Heroin.
Schizophrenie und Halluzinationen durch Entzug?
Halluzinationen und Wahnvorstellungen könnten Folgen eines Entzugs sein, so Schmidt. In der Addition aller ihm vorliegenden Erkenntnisse stellte der Sachverständige aber die „Verdachtsdiagnose Schizophrenie“ für den Angeklagten K. Dessen Anwalt bestätigte dies indirekt.
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Aber ist es von vornherein absurd, was jemand äußert, der durch Wahnvorstellungen zu Äußerungen getrieben wird? „Das heißt nicht, dass er nur Unsinn redet“, sagte Schmidt. Ausschließen könne er das aber auch nicht, so der Gutachter.
Zeuge reist 800 Kilometer für Mordprozess an
Auch ein besonderer Zeuge machte in Stade eine Aussage. Der 57-jährige polnische Staatsbürger war für die Verhandlung 800 Kilometer weit angereist. Der damalige Erntehelfer war 2002 wohl zum Zeitpunkt der tödlichen Schüsse am Baggersee. Außerdem hatte er vor den Schüssen einige Zeit lang Männer bei einem Streit beobachtet. Allerdings konnte der Zeuge schon 2002 weder einen der Täter noch das Opfer sicher identifizieren. Mit dem Abstand von 22 Jahren ging es ihm wie den anderen Zeugen im Prozess: Er konnte sich an viele Dinge nicht mehr erinnern.
Damit bleibt Frage, ob das Gericht am Ende des Verfahrens die Bekennerschreiben für glaubhaft hält - und das ist nach wie vor offen.

Der Angeklagte A. K. verdeckt sein Gesicht hinter Büropappe. Die Saatsanwaltschaft wirft dem 43-Jährigen vor, im August 2002 einen Mann an einem Baggersee bei Buxtehude mit einem Schrotgewehr erschossen zu haben. Foto: Thomas Sulzyc