TBahnfahrt mit Rollstuhl von Buxtehude nach Berlin wird zur Odyssee

Bei der Buchung des Flixtrain-Tickets mit seinem Mobilphon ahnte Joni Technau noch nichts von dem Chaos Foto: Susanne Laudien
Defekte Fahrstühle am Bahnhof, Fernzüge ohne barrierefreien Einstieg und nur wenige Rollstuhlplätze - für die Barrierefreiheit ist der Zug anscheinend abgefahren. Welche Hürden es bei einer Bahnfahrt mit Rollstuhl noch gibt, berichtet Joni Technau.
Buxtehude. Wie Bahnfahrten mit Rollstuhl funktionieren, erklärt die Deutsche Bahn auf ihrer Homepage - und gibt gleich zu: „Nicht alle Bahnhöfe in Deutschland sind barrierefrei“. Damit die Reise dennoch einwandfrei verlaufen kann, wird auf die Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn verwiesen. Diese berate ausführlich bei der Planung einer Reise mit der Deutschen Bahn und Rollstuhl.
Diverse Fragen sind aber notwendig bei einer Bahnfahrt mit Rollstuhl - etwa welche Fahrkarten und Sitzplatzreservierungen benötigt werden, ob Umsteigezeiten zu berücksichtigen sind oder die Bahn eine Einstiegshilfe zur Verfügung stellen soll. Durch diese Fragen wird eines deutlich: Spontane Fahrten mit der Bahn sind für Menschen im Rollstuhl per se so gut wie nicht möglich. „Wir müssen sogar unseren Rollstuhl vor der Fahrt zentimetergenau vermessen“, sagt Joni Technau.
Mitarbeiter im Callcenter blocken unhöflich ab
Wie eine Bahnfahrt für Rollstuhlnutzer in der Realität funktioniert, oder auch nicht, zeigte sich kürzlich bei einer Bahnfahrt nach Berlin. Joni Technau aus Buxtehude ist 38 Jahre alt und wollte mit Freunden zu einem Hip-Hop-Konzert nach Berlin. Im Internet buchte Technau ein Bahnticket bei Flixtrain und meldete sich wie gewünscht online bei der Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn an. In welchem Waggon sich der gebuchte Rollstuhlplatz befindet und ob die Mitreisenden im gleichen Abteil sitzen, fragte Technau bei der Hotline nach. Mehrere Anrufe seien hier nötig gewesen, da Mitarbeiter im Callcenter laut Technau unhöflich abgeblockt hätten - bis es letztlich die Auskunft gegeben habe, dass Rollstuhlplätze variieren könnten.
Schicksalsschlag
T Schwerkranke Kira aus Dollern liegt auf der Intensivstation
Absage der Bahnfahrt am selben Tag
Am Tag der Abfahrt um 7 Uhr bekam Joni Technau einen Anruf von der DB-Service-Zentrale, in dem die Bahnfahrt mit dem Flixtrain abgesagt wurde, weil das Rollstuhlabteil nicht nutzbar sei. Um dennoch zum Konzertbesuch zu kommen, buchte Technau ein teureres ICE-Ticket für die 1. Klasse. Auch die Anmeldung zur Einstiegshilfe war erneut nötig. Von Buxtehude nach Hamburg wurde Technau von seiner Mutter mit dem Auto gefahren und war 20 Minuten vor Abfahrt um 17 Uhr am Hauptbahnhof in Hamburg. Doch hier, erzählt Technau, habe niemand etwas von der gebuchten Einstiegshilfe gewusst. In letzter Minute sei ihm die benötigte Einstiegshilfe von der Bahn noch ermöglicht worden.

Ist der Flixtrain für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen abgefahren? Foto: Jo Panuwat D - stock.adobe.com
Bei der Rückfahrt das gleiche Chaos
Was Joni Technau zu dem Zeitpunkt nicht ahnte: Bei der Rückfahrt am nächsten Tag gab es die gleichen Probleme. Wieder wurde die gebuchte Bahnfahrt mit dem Flixtrain telefonisch abgesagt. Wieder musste Technau eine alternative Bahnfahrt mit Rollstuhl für seine Heimfahrt organisieren - ohne Hilfe von Flixtrain oder der Deutschen Bahn.
Zu den Gründen der beiden Absagen und ob derartige Ausfälle häufiger vorkämen, äußerte sich Flixtrain auf TAGEBLATT-Nachfrage: „Auf jeder Fahrt gibt es standardmäßig mindestens einen Wagen mit zwei Rollstuhlplätzen, damit auch Reisende mit Mobilitätseinschränkung jederzeit sicher reisen können.“ Wenn, wie in diesem Fall, entsprechende Plätze ausnahmsweise nicht zur Verfügung stehen, werde in der Regel kurzfristig für Ersatz gesorgt. Auf der besagten Fahrt sei das leider aus operativen Gründen nicht möglich gewesen. Selbstverständlich würden solche Vorfälle genau analysiert, um die Zuverlässigkeit für jeden Fahrgast weiter zu erhöhen. Erst kürzlich habe man die Anzahl der rollstuhlgerechten Wagen in der Flixtrain-Flotte erhöht. Es habe absolute Priorität, alle Fahrgäste an ihr Wunschziel zu bringen.
Erstattungskosten von fast 130 Euro
Aufgrund der Kosten für das ICE-Ticket buchte Technau für die Rückfahrt ein günstigeres Ticket für den Regionalzug über Schwerin nach Hamburg - und war nach fünfstündiger Bahnfahrt wieder zu Hause in Buxtehude. Zum Vergleich: Der Flixtrain fährt die Strecke von Berlin nach Hamburg in rund zwei Stunden. Hinterher bat Technau bei Flixtrain um Erstattung der Kosten für das ICE-Ticket (104 Euro) oder das Flixtrain-Ticket (24,95 Euro).
Dazu schrieb Flixtrain: „Selbstverständlich hätte das Ersatzticket für Herrn Technau direkt von Flixtrain übernommen werden müssen.“ Man habe das inzwischen nachgeholt und entschuldige sich in aller Form für die entstandenen Unannehmlichkeiten.