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Leere Bahnhöfe

TBahnstreik: Darüber ärgern sich Pendler aus dem Landkreis Stade besonders

Der Bahnhof in Buxtehude am Mittwochmorgen.

Der Bahnhof in Buxtehude am Mittwochmorgen. Foto: Sulzyc

Ein Streik der Lokführergewerkschaft GDL legt den Zugverkehr im Kreis Stade weitgehend lahm. Pendler müssen sich mit Notfahrplänen und ungewissen Abfahrtzeiten arrangieren. Warum hat die S-Bahn Hamburg den Notfahrplan so spät veröffentlicht?

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Von Thomas Sulzyc
Mittwoch, 10.01.2024, 19:30 Uhr

Buxtehude. Es ist Mittwochmorgen, 7.25 Uhr. Am ersten Tag des erneuten Streiks der Lokführergewerkschaft GDL haben sich um diese Zeit bis zu 15 Menschen auf den Bahnsteigen am Bahnhof Buxtehude eingefunden. Der ist so etwas wie das Drehkreuz des Landkreises im Öffentlichen Personennahverkehr, weil hier die S-Bahn, die Start-Züge und die von der Geest kommende EVB zusammentreffen.

Die S-Bahn fährt, nicht nur an diesem Morgen, nach einem Notfahrplan, zwischen Stade und Neugraben nur im 60-Minuten-Takt. Auf dem Weg zur Arbeit müssen sich die Pendler aus dem Landkreis Stade mit ausfallenden Zügen und ungewissen Abfahrtzeiten arrangieren - und das noch bis Freitagabend.

S-Bahn gibt Notfahrplan zu spät bekannt

Ein Ärgernis bei Pendlern: Die S-Bahn Hamburg hatte erst am Mittwochmorgen ihren Notfahrplan bekanntgegeben. „Das ist nicht optimal, man konnte nicht planen“, sagt die Studentin Maria Cura.

Ohne Kenntnis, wann ein S-Bahnzug in Richtung Hamburg abfährt, habe sie sich mehr als 20 Minuten früher als üblich zum Bahnhof Buxtehude begeben. Um 7.56 Uhr trifft ein S-Bahnzug in Richtung Hauptbahnhof ein. Die junge Frau wird aller Voraussicht nach die Hamburg School of Business Administration pünktlich zum Vorlesungsstart um 9 Uhr erreichen. „Die Rückfahrt ist unsicher“, sagt Maria Cura und lächelt.

Bei leichtem Schneeregen und frostigen minus sechs Grad wartet die Studentin Maria Cura auf den Zug. Den Notfahrplan hätte die S-Bahn Hamburg früher veröffentlichen sollen, sagt sie.

Bei leichtem Schneeregen und frostigen minus sechs Grad wartet die Studentin Maria Cura auf den Zug. Den Notfahrplan hätte die S-Bahn Hamburg früher veröffentlichen sollen, sagt sie. Foto: Sulzyc

Homeoffice bessere Alternative

Ohne Kenntnis des Notfahrplans hat dagegen die Wirtschaftspsychologie-Studentin Milla Andresen den S-Bahnzug um 7.56 Uhr knapp verpasst. Mit der Aussicht auf annähernd eine Stunde Wartezeit auf dem Bahnsteig entscheidet sie sich, die vorgesehenen Lektionen zu Hause zu lernen.

„Wir können auf alles online zugreifen.“ Lediglich zweieinhalb Stunden hätte sie an der Internationalen Hochschule in Hamburg an diesem Tag verbracht. Während des Bahnstreiks mit den erheblichen Zeitverlusten sei das Homeoffice deshalb die bessere Alternative.

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50 Minuten Wartezeit bei minus sechs Grad

Auf gut Glück, also ohne Kenntnis der Abfahrtzeiten, haben an diesem ersten Streiktag offenbar die meisten Pendler den Bahnhof aufgesucht. Viel Pech bei dieser Zufallsstrategie hat Sebastian Meyn. Er ist im Catering beschäftigt, fährt mit der S-Bahn von Buxtehude nach Neugraben.

Mehr als 50 Minuten muss er auf den Zug warten - und das bei frostigen minus sechs Grad. Der Pendler wirkt dennoch gelassen. Wohl auch, weil sein Arbeitgeber Verständnis bei Verspätungen wegen des Bahnstreiks habe, wie er sagt.

S-Bahn Hamburg erklärt sich

Warum hat die S-Bahn Hamburg die Fahrgäste so lange im Unklaren gelassen und den Notfahrplan erst am frühen Morgen des ersten Streiktags veröffentlicht? „Erst wenn der Streik beginnt, steht fest, ob das Fahrplankonzept, das wir uns vorgestellt haben, auch funktioniert“, antwortet ein Bahnsprecher dem TAGEBLATT auf Anfrage. Die S-Bahn Hamburg habe letzte Gewissheit haben wollen, bevor sie die Fahrgäste informiert.

60-Minuten-Takt zwischen Stade und Neugraben

Seit vergangenen Montag habe die S-Bahn Hamburg mitgeteilt, dass sie ein Grundangebot fahren werde. Was das bedeutet, veröffentlichte das Unternehmen am Mittwochmorgen. Bis zum Streikende am kommenden Freitag, 18 Uhr, fahren die Züge im S-Bahnnetz mit dieser Häufigkeit:

S5: zwischen Stade und Neugraben im 60-Minuten-Takt

S3: zwischen Neugraben und Pinneberg im 20-Minuten-Takt

S1: zwischen Wedel und Blankenese; zwischen Blankenese und Airport im 20-Minuten-Takt; zwischen Ohlsdorf und Poppenbüttel fahren aktuell keine S-Bahnen. Busse der Linien 174 und 179 sollen genutzt werden

S2: zwischen Altona und Aumühle im 20-Minuten-Takt

Start-Regionalzüge fahren vereinzelt

Von dem Streik der Lokomotivführergewerkschaft GDL sind auch die Züge von Start Unterelbe auf der Strecke zwischen Cuxhaven und Hamburg-Harburg betroffen. Auf dem Streckenabschnitt Cuxhaven - Stade fahren laut dem Eisenbahnunternehmen während der drei Streiktage Busse annähernd im Zweistundentakt. Die Busse böten nur eine stark begrenzte Kapazität. „Die Auslastung der Busse ist schwankend“, sagte ein Unternehmenssprecher dem TAGEBLATT.

Darüber hinaus fahren während des Lokführerstreiks vereinzelt Regionalzüge (RE 5). Am ersten Streiktag seien bis 11.30 Uhr sieben Züge zwischen Harburg und Cuxhaven gefahren. Eine Prognose, wie viele Züge der Start Unterelbe tatsächlich verkehren werden, sei schwer möglich. „Wir können mit unserem Mindestfahrplanangebot von weiteren Streikmaßnahmen, wie zum Beispiel auf einem Stellwerk, betroffen sein“, sagte der Unternehmenssprecher.

Von den Folgen des GDL-Streiks kann auch der Zugbetrieb bei der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB) betroffen sein. Zwar beteiligt sich das Personal der EVB nicht am Streik der Lokführergewerkschaft; es könne aber zu Beeinträchtigungen durch sich am Streik beteiligende DB-Fahrdienstleitungen kommen, sodass die Züge der EVB auf dem Streckenabschnitt Bremerhaven - Cuxhaven kurzfristig ausfallen können.

EVB-Züge fahren fahrplanmäßig

Am ersten Streiktag sei dieser Fall nicht eingetreten und die Züge der EVB seien fahrplanmäßig gefahren, sagte eine Unternehmenssprecherin dem TAGEBLATT. Die EVB gehe davon aus, dass ihre Züge wohl auch am Donnerstag laut Fahrplan verkehren werden.

Ein anderer Grund als der Lokführerstreik beeinträchtigt derzeit aber den Zugbetrieb der EVB: Nach Sturmschäden an der Wasserstoff-Tankstelle in Bremervörde im vergangenen Dezember könnten die mit Wasserstoff betriebenen Züge bis voraussichtlich Anfang Februar lediglich mit Einschränkungen wieder betankt werden. Die Auswirkungen: Weniger Fahrzeuge stünden zur Verfügung. Zudem könnten die Züge in der Regel weniger Kilometer am Stück fahren als bei einer vollen Regelbetankung.

Das bedeutet für Pendler: Weniger Sitzplätze stehen zur Verfügung. Zudem fallen in den Hauptverkehrszeiten die sonst üblichen Zusatzzüge aus. Deshalb setze die EVB seit Montag im Schul- und Berufsverkehr zusätzlich Busse ein - allerdings mit Unwägbarkeiten: Wenn diese Zusatzbusse voll besetzt sind, fahren sie manchmal an den Starthaltestellen schon vor der planmäßigen Abfahrtszeit ab und halten unterwegs nur zum Ausstieg und nicht an allen Zwischenhalten.

Wibke Tiedemann aus Ruschwedel steht am Bahnhof Buxtehude vor einem EVB-Zug. Mit einem E-Bike ist die Berufspendlerin auf Zugausfälle wegen des GDL-Streiks vorbereitet.

Wibke Tiedemann aus Ruschwedel steht am Bahnhof Buxtehude vor einem EVB-Zug. Mit einem E-Bike ist die Berufspendlerin auf Zugausfälle wegen des GDL-Streiks vorbereitet. Foto: Thomas Sulzyc

Regelmäßiger Fahrgast der EVB ist die Pendlerin Wibke Tiedemann aus Ruschwedel. Die Beschäftigte im Einzelhandel fährt mit dem Zug zur Arbeit und wieder nach Hause. Weil sie befürchtete, dass ein Stellwerk auf ihrer Zugverbindung bestreikt werden könnte, habe sie sich darauf eingestellt, möglicherweise mit dem Fahrrad von Buxtehude nach Apensen zu fahren, um dort in den EVB-Zug zu steigen.

Wie sieht ihr Pendler-Alltag am ersten Streiktag aus? „Ich bin morgens um sechs Uhr losgefahren und werde gegen 19 Uhr zu Hause sein“, sagt Wibke Tidemann. Sie wirkt gelassen und zeigt Verständnis für die Forderung der Lokführer nach höheren Löhnen.

Pendler ärgert sich über Bahn

Thomas Lausen aus Buxtehude dagegen macht seinem Ärger über das Bahnchaos deutlich Luft: „Wenn die wollen, dass wir auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, müssen die auch dafür sorgen, dass Verkehr da ist“, sagt er. Mit „die“ meint der Berufspendler die Manager der Deutschen Bahn und Politiker.

Deutlich höhere Löhne hätten die Lokführer seiner Meinung nach verdient. Die Forderung der GDL nach einer 35-Stunden-Woche aber kommentiert er bissig mit einem Wort: „Schwachsinn!“

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