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Wirtschaft

TBehörden legen Unternehmen im „Königreich Deutschland“ still - Handel verboten

Alles sei legal, glaubte Thomas Tillis vom Zweck-Betrieb Tino. Doch nun ist Schluss mit dem königlichen Treiben.

Alles sei legal, glaubte Thomas Tillis vom Zweck-Betrieb Tino. Doch nun ist Schluss mit dem königlichen Treiben. Foto: Glückselig

Thomas Tillis gründete vor knapp einem Jahr den Zweck-Betrieb Tino. Unternehmenssitz: „Königreich Deutschland“ - in Nordenham. Doch jetzt ist Schluss mit dem königlichen Treiben.

Von Detlef Glückselig Freitag, 25.10.2024, 15:35 Uhr

Nordenham. Die Stadt Nordenham hat am Donnerstag zusammen mit anderen Behörden und mit Unterstützung der Polizei einen Betrieb im Gewerbegebiet in Atens zwangsweise stillgelegt und versiegelt. Das teilt der stellvertretende Verwaltungschef Bert Freese mit. Der Rathaus-Vize gibt mit Verweis auf den Datenschutz keine Details bekannt. Als sicher gilt jedoch, dass es sich bei dem Betrieb um die frühere Firma Tillis handelt, die seit gut einem Jahr unter dem Namen Tino als „Zweck-Betrieb“ im „Königreich Deutschland“ agiert.

Nach Auskunft von Bert Freese handelte es sich bei dem Einsatz am Donnerstag um eine „ordnungsrechtliche Maßnahme“. Sie sei umgesetzt worden, weil der Mann, um den es in Atens geht, ein Gewerbe betrieben habe, ohne dass dieses angemeldet gewesen sei. Die Stadt habe ihm nicht nur den weiteren Handel verboten, er darf auch das Betriebsgelände nicht mehr betreten. Rote Siegel mit dem Stempel der Stadt Nordenham kleben an den Toren. Wenn der Mann die Siegel bricht, begehe er eine Straftat, sagt Bert Freese.

„Eingetragener Verein im Rechterahmen des Königreichs Deutschland“

Bei dem Mann handelt es sich mutmaßlich um Thomas Tillis. Der hatte seine gleichnamige Firma zum 31. Juli 2023 abgemeldet und einen Tag später, am 1. August 2023, Tino ins Leben gerufen. Dabei handelte es sich, wie Thomas Tillis damals erklärt hatte, um einen „Zweck-Betrieb in einem nicht eingetragenen Verein im Rechterahmen des Königreichs Deutschland“.

Der „Zweck-Betrieb“ bot dasselbe Sortiment an wie davor die Firma Tillis: vor allem Brennholz, aber auch Schüttgut wie Füll- und Mauersand, Mutterboden, Kies und Split. Die Webseite von Tino war am Dienstagnachmittag auch nach der Stilllegung des Betriebs noch online. Wer sie aufrufen will, muss zunächst die „Nutzungsbedingungen des Königreichs Deutschland gelesen, verstanden und akzeptiert“ haben. In den Nutzungsbedingungen heißt es: „Dieses Angebot richtet sich nicht an Personen, welche sich gern in der Bundesrepublik verwalten lassen wollen. Dieses Angebot richtet sich des­halb nur an aufgeweckte Zugehörige und Staatsangehörige des Königrei­ch Deutschland.“

Die Zufahrt zum „Zweck-Betrieb“ Tino an der Straße Am Sieltief in Atens. Die Stadt hat auch sie versiegelt. Niemand darf mehr durch.

Die Zufahrt zum „Zweck-Betrieb“ Tino an der Straße Am Sieltief in Atens. Die Stadt hat auch sie versiegelt. Niemand darf mehr durch. Foto: Glückselig

Verfassungsschutz spricht von „extremistischer“ Gruppierung

Nun existiert das Angebot nicht mehr. Die Stadt hat einen Riegel vor das königliche Treiben geschoben. Mehr als ein Jahr lang konnte der Betrieb in Atens trotz seines kuriosen Status‘ ungestört agieren. Das liegt laut Bert Freese daran, dass die Verwaltung sich erst einmal einen genauen Überblick über die Rechtslage und die komplizierten Mechanismen im „Königreich“ habe verschaffen müssen. Dabei war Sorgfalt geboten. Doch nun ist Schluss. Seit Donnerstag ist der Betrieb versiegelt.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz bezeichnet auf seiner Webseite das „Königreich Deutschland“, das im September 2012 in der Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt ausgerufen wurde, als einen „Fantasiestaat“, als eine „Staatssimulation“ von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“. Mit diesem „staatsähnlichen Konstrukt“ versuche das KRD, sich als Gegenentwurf zum System der Bundesrepublik Deutschland darzustellen.

Das „Königreich“ sei, so der Verfassungsschutz, eine „extremistische“ Gruppierung. Deren Aktivitäten zielten darauf ab, „die gültige Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland außer Kraft zu setzen und durch ein eigenes System zu ersetzen, in dem demokratische Grundsätze und Gesetze wie auch staatliche Schutzvorschriften generell keine Geltung haben sollen“. Das betreffe nicht nur Bestimmungen etwa der Gewerbeordnung, sondern auch des Steuerrechts.

Die Stadt hat die Tore des „Zweck-Betriebs" in Atens versiegelt.

Die Stadt hat die Tore des „Zweck-Betriebs" in Atens versiegelt. Foto: Glückselig

Hat Tino die Steuergesetzgebung umgangen?

Ob der „Zweck-Betrieb“ in Atens ebenfalls darauf verzichtet hat, beispielsweise Mehrwert abzuführen, ließ sich am Dienstag nicht verifizieren; das Finanzamt Nordenham verwies auf Nachfrage auf das Steuergeheimnis. Sollte Tino die Steuergesetzgebung tatsächlich umgangen haben, dürfte dem Betreiber aber auch die Finanzbehörde im Nacken sitzen.

Thomas Tillis hatte im vergangenen Jahr gesagt, dass die Steuerfrage für ihn nur ein Aspekt sei. Wichtiger seien ihm und seiner Partnerin, mit der er Tino ins Leben gerufen hat, weiter Handel in Nordenham treiben zu können, ohne damit einen „Kriegsbeitrag“ zu leisten. Thomas Tillis Mitte August 2023: „Wir sind durch und durch Pazifisten“, doch „die aktuelle Bundesregierung beteiligt sich am Ukraine-Krieg“. Das wollten er und seine Partnerin nicht länger durch die in Deutschland zu leistenden Abgaben unterstützen.

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