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Verfassungsschutz

Warum ein Unternehmer aus Niedersachsen jetzt im „Königreich Deutschland“ agiert

Alles sei legal, glaubt Thomas Tillis von dem Zweck-Betrieb TINO, zu dem die frühere Firma Tillis geworden ist. Foto: Teichmann

Alles sei legal, glaubt Thomas Tillis von dem Zweck-Betrieb TINO, zu dem die frühere Firma Tillis geworden ist. Foto: Teichmann

Die Firma Tillis, ein Brennholzhandel aus Nordenham, existiert nicht mehr. Nun gibt es den Zweck-Betrieb TINO mit Sitz im „Königreich Deutschland“. Was steckt dahinter? Was sagt die Polizei dazu? Und was hat das mit der Ukraine zu tun?

Donnerstag, 17.08.2023, 08:00 Uhr

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Von Detlef Glückselig

Wer bei Google die Suchbegriffe „Brennholz“ und „Nordenham“ eingibt, findet als ersten Treffer die Tillis KG - und daneben den Hinweis, dass diese Firma dauerhaft geschlossen ist. Bei einem Klick auf die Webseite erscheint folgender Hinweis: „Die Firma Tillis KG wurde zum 31.07.23 abgemeldet.“ Und weiter: „Das Sortiment wird im Betrieb TINO weitergeführt.“ Ein Link verweist auf eine noch im Aufbau befindliche Webseite. Was auf der steht, sorgt in Nordenham derzeit für reichlich Irritation - bestenfalls.

TINO ist, wie der bisherige Tillis-Inhaber Thomas Tillis erklärt, keine Firma, sondern „ein Zweck-Betrieb in einem nicht eingetragenen Verein im Rechterahmen des Königreichs Deutschland“. Auf der Webseite, die in diesem Monat fertiggestellt werden soll, lesen Nutzer den folgenden Hinweis: „Wir weisen darauf hin, dass Sie für die Dauer der Geschäftsbeziehung (...) eine temporäre Zugehörigkeit zum Gemeinwohlstaat Königreich Deutschland (KRD) besitzen. Sie nutzen damit die Verfassung, die Gesetze und die Gerichtsbarkeit des KRD, die Sie bei rechtlichen Streitigkeiten erstrangig zu wählen haben. Es entstehen keine weiteren Rechte, Pflichten und Kosten.“

Bei diesem Hinweis landet man, wenn man im Internet nach der früheren Firma Tillis sucht. Thomas Tillis macht jetzt als Zweck-Betrieb Tino Geschäfte - im „Königreich Deutschland“. Foto: Screenshot

Bei diesem Hinweis landet man, wenn man im Internet nach der früheren Firma Tillis sucht. Thomas Tillis macht jetzt als Zweck-Betrieb Tino Geschäfte - im „Königreich Deutschland“. Foto: Screenshot

Steuern müssen trotzdem gezahlt werden

Was bewegt einen Mann dazu, eine Firma, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, abzuwickeln und einen Betrieb zu gründen, der in einem „Königreich Deutschland“ agiert? Und was ist dieses „Königreich Deutschland“ eigentlich?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt auf seiner Webseite zur zweiten Frage folgendes: „Die Gruppierung ,Königreich Deutschland‘ (KRD) wurde laut ‚Gründungsurkunde‘ im September 2012 in Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) gegründet. Das KRD versteht sich als ‚völkerrechtskonformer neuer deutscher Staat‘. Der der Gruppierung vorstehende selbsternannte ‚König von Deutschland‘ bewirbt das KRD dahingehend, dass man in seinem ‚Königreich‘ keine Steuern zahlen müsse. Diese Behauptung ist deshalb irreführend, da der Beitritt zum KRD nicht von einer Steuerabgabepflicht in der Bundesrepublik Deutschland befreit.“

„Wir sind durch und durch Pazifisten“

Für Thomas Tillis ist die Steuerfrage ein Aspekt. Wichtiger jedoch seien ihm und seiner Partnerin, mit der er TINO ins Leben gerufen hat, weiter Handel in Nordenham treiben zu können, ohne damit einen „Kriegsbeitrag“ zu leisten.

„Wir sind durch und durch Pazifisten“, sagt Thomas Tillis. Doch: „Die aktuelle Bundesregierung beteiligt sich am Ukraine-Krieg“. Und das wollen er und seine Partnerin nicht durch die in Deutschland zu leistenden Abgaben unterstützen. Deshalb hat er sich mit seinem Betrieb quasi aus der Bundesrepublik ausgeklinkt. „TINO ist eine legale Möglichkeit, hier weiter tätig zu sein. Wir hätten den Handel ansonsten komplett eingestellt“, sagt Thomas Tillis.

Dazu wäre es womöglich auch aus rein wirtschaftlichen Notwendigkeiten gekommen. „Wir wissen nicht, ob wir als Betrieb in der BRD noch hätten überleben können“, sagt Thomas Tillis. Im „Königreich Deutschland“, in dem es angeblich schon mehrere hundert Firmen gibt, sieht er dafür eine reelle Chance.

150 frühere Tillis-Kunden haben eine Mail erhalten

150 Geschäftspartner der abgewickelten Firma Tillis haben eine E-Mail von Thomas Tillis erhalten. Darin teilen er und seine Partnerin mit, dass das „Königreich Deutschland“ eine „Vereinigung freiheitsliebender und gemeinwohlorientierter Menschen“ sei. Die früheren Kunden werden durch den Abschluss eines Geschäftes mit TINO zu Mitgliedern. Als solche erfahren sie aus der Mail: „Sie kaufen künftig ohne ausgewiesene MwSt. ein. Wenn Sie vorsteuerabzugsberechtigt sind, beachten Sie bitte, dass Sie keine Vorsteuer geltend machen, den Einkauf jedoch als Ausgaben absetzen können.“

Das Bundesamt für Verfassungsschutz informiert auf seiner Webseite unter dem Reiter „Reichsbürger und Selbstverwalter“ über das „Königreich Deutschland“ und spricht von einem Fantasiestaat. Bei tagesschau.de ist von der „,Reichsbürger‘-Gruppierung ,Königreich Deutschland‘“ die Rede. Thomas Tillis wehrt sich gegen eine solche Eingruppierung und versichert, dass er und seine Partnerin keine Reichsbürger und auch keine Nazis seien. Die Reichsbürger seien rückwärts-, das KRD zukunftsgewandt.

Polizei: Bislang kein strafbarer Hintergrund

Bei der Polizei ist bekannt, dass aus der Firma Tillis der Zweck-Betrieb TINO geworden ist. Aktiv werden wird die Polizeiinspektion Delmenhorst/Oldenburg-Land/Wesermarsch jedoch vorerst nicht. „Weil die Sache bislang keinen strafbaren Hintergrund hat“, begründet Pressesprecher Albert Seegers.

Auch die Stadt Nordenham beschäftigt sich mit TINO. „Wir schauen uns das an, bewerten die Situation und entscheiden über das weitere Vorgehen“, sagt Sonja Brödje, Leiterin des Amtes für Ordnung und Soziales. Dazu, ob aus dem Rathaus wegen TINO bereits ein Hinweis an den Verfassungsschutz gegangen ist, will sie keine Angaben machen.

Derweil geht Thomas Tillis davon aus, dass die meisten der früheren Tillis-Kunden auch mit TINO gut leben können - und offenbar keine Angst davor haben, Schwarzgeschäfte zu machen. Auf die Mail habe es jedenfalls nur gut eine Handvoll negative Rückläufer gegeben.

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