TBei gleichem Lohn: Friseur führt 4-Tage-Woche ein

Evelyn und Andre Albers führen in ihrem Salon an der Georgstraße die Vier-Tage-Woche ein. Foto: Arnd Hartmann
Andre Albers will, dass sich jeder in seinem Friseurgeschäft in Bremerhaven wohlfühlt. Nicht nur die Kunden, auch die Mitarbeiter. Der Friseurmeister führt als einer der Ersten in der Region die Vier-Tage-Woche ein. Und spart nicht mit Anreizen.
Bremerhaven. Friseurmeister Andre Albers geht neue Wege. Sein Geschäft „Hauptsache“ an der Georgstraße öffnet er künftig nur noch von Dienstag bis Freitag. Seinen Mitarbeitern schenkt er so mit einer Vier-Tage-Woche ab kommendem Jahr einen freien Sonnabend. Ein Schritt, den Andre Albers und seine Frau Evelyn genau durchrechnen mussten. Doch Evelyn Albers ist überzeugt: „Wenn die Mitarbeiter glücklich sind, sind es die Kunden auch.“ Rund ein halbes Dutzend Mitarbeiter sind bei „Hauptsache“ beschäftigt.
Das Modell wurde mit den Beschäftigten entworfen
Ehemann Andre Albers, der seit 39 Jahren Haare schneidet, ergänzt: „Wir wollen über den Tellerrand gucken und das nächste Level erreichen. Das ist wirklich zukunftsweisend.“ Ein Jahr lang habe man den Wechsel zur Vier-Tage-Woche vorbereitet, nun könne man am 1. Januar das neue Modell umsetzen.
„Wir haben das zusammen mit den Mitarbeitern erarbeitet, sie nach ihren Wünschen gefragt“, betont der Geschäftsinhaber. „Wir haben einen Gesamtbeschluss gefasst.“ Da Albers Trainer für Friseure in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist, führte er auch viele Gespräche mit Kollegen.
Die Öffnungszeiten am Donnerstag und Freitag verlängern sich - da der Sonnabend wegfällt - um zwei Stunden auf 9 bis 20 Uhr. Am Dienstag und Mittwoch ist weiterhin bis 18 Uhr geöffnet. Am Samstag wollen sie nur in absoluten Ausnahmefällen öffnen, um als Team einzelne Kunden beim VIP-Hochzeitsstyling zu begleiten. Die Kundschaft habe den Samstag gar nicht mehr so stark genutzt. Die Menschen würden eher dazu tendieren, zum Beispiel unter der Woche abends nach der Arbeit einen Termin zu vereinbaren.
Mitarbeiterin Vanessa Rusch ist begeistert
Die Zufriedenheit der Mitarbeiter soll oben stehen. Die 26-jährige Vanessa Rusch, die schon seit sieben Jahren bei „Hauptsache“ arbeitet, bestätigt den Eindruck, den der Chef vermittelt. Das Team freut sich darauf, drei zusammenhängende Tage freizuhaben. „Das ist gut, dass wir jetzt diese Veränderung haben“, sagt sie.
Die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen. Erstens werde es schwieriger, Top-Nachwuchs zu finden. So beschäftigt Albers derzeit einen Auszubildenden, obwohl er durchaus bereit wäre, zwei junge Menschen auszubilden. Hinzu komme, dass sich die Ansprüche der jungen Menschen an die Arbeitswelt und den Arbeitsgeber verändert hätten, dass Privatleben und Freizeit eine größere Bedeutung haben. Albers macht auch Betriebsferien in der Sommerzeit, damit alle Angestellten die Möglichkeit haben, in der Hauptreise-Zeit ihren Urlaub zu nehmen.
Einige Firmen steigen auf die Vier-Tage-Woche um
Wer also Personal gewinnen und dann auch halten wolle, müsse eben neue Wege gehen. Er selbst freue sich auch darauf, den Samstag mit seiner Frau freizuhaben. Ein ungewohntes Gefühl nach 39 Jahren.
Der Friseurberuf ist ein Handwerk. Die 4-Tage-Woche spielt in immer mehr Überlegungen von Handwerksunternehmen eine Rolle. Pauper Heizungsbau aus Bremerhaven hat gehandelt und die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich eingeführt - und auch umgesetzt - von einigen betriebswirtschaftlich notwendigen Ausnahmen und dem Notdienst abgesehen. „Wir fahren gut damit“, sagt ein Vertreter des Unternehmens auf Nachfrage. Bei der Pit GmbH in Debstedt gibt es das Modell schon seit Jahren. Dort wird täglich eine Stunde länger gearbeitet, dafür gibt‘s drei Tage Wochenende.
Vier-Tage-Woche erst einmal testen
Imke Lathwesen, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft, berichtet von einigen Anfragen von Unternehmen. Dabei handele es sich in erster Linie um Anfragen, wie man die Arbeitszeit auf vier Tage verteilt, ohne das Arbeitszeitvolumen zu verkürzen. Dabei müssten die Unternehmen eine ganze Reihe von rechtlichen Vorgaben - etwa durch das Arbeitszeitgesetz - beachten, das sei alles andere als trivial und brauche gute Vorbereitung, da jedes Unternehmen anders sei und es nicht die eine Blaupause gebe.
„Wir raten außerdem dazu, das neue Modell erst einmal ein halbes Jahr probeweise zu testen“, sagt Lathwesen. Mit vier Monaten Vorbereitungszeit planten die Männer bei Pauper Heizungstechnik - es wurden sieben. „Wir haben gemerkt, wie wichtig Vorbereitung ist“, sagte der Unternehmer Andy Pauper bei der Einführung.
Lathwesen von der Kreishandwerkerschaft weiß, dass die junge Generation neue Bedürfnisse und Anforderungen mitbringt, zum Beispiel gerne sinnstiftend arbeiten wolle, was im Handwerk sehr gut möglich sei. Die Unternehmen würden darauf reagieren und zum Beispiel darauf achten, dass genauer erklärt würde, warum bestimmte Aufgaben wichtig seien. Das Verhältnis von Ausbilder und Auszubildendem habe sich sehr gewandelt.
Vier-Tage-Woche
Rund 81 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland wünschen sich eine Vier-Tage-Woche. Die meisten von ihnen (73 Prozent) allerdings nur mit einem vollen Lohnausgleich. Das zeigt eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Auch Pilotprojekte aus Großbritannien hätten gezeigt, dass Beschäftigte mit der verkürzten Arbeitszeit produktiver, weniger gestresst und seltener krank seien. Aber habe ich ein Recht auf eine kürzere Arbeitszeit? Eines vorab: „Die Vier-Tage-Woche hat es immer schon gegeben“, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Köln.
Bislang verstand man darunter vor allem die Möglichkeit, Teilzeitansprüche geltend zu machen. Allerdings: Die Arbeitszeitverkürzung beinhaltet dann auch eine Reduzierung des Gehalts. „Was im Moment diskutiert wird, wird häufig als Wohlfühlfaktor bezeichnet und bedeutet etwas anderes“, sagt Oberthür: Dass man zwar weniger arbeitet - aber bei vollem Lohnausgleich. „Da gibt es ganz unterschiedliche Modelle - alles ist denkbar“, so Oberthür.
Also individuelle Lösungen, je nach Vorlieben der einzelnen Arbeitnehmer, genauso wie die Variante, dass ein Betrieb nur noch an vier statt an fünf Tagen in der Woche geöffnet ist. Es wird allerdings manchmal erwartet, dass der Umsatz gleich bleibt.
„Die Debatte um die Vier-Tage-Woche bietet die riesige Chance, dem Wert von Freizeit, Ehrenamt und vor allem Sorgearbeit Gewicht zu geben“, sagt Johanna Wenckebach, wissenschaftliche Direktorin des Hugo-Sinzheimer-Instituts (HSI) für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung. „Es geht darum, aus der Perspektive abhängig Beschäftigter zu diskutieren, wie wir leben und arbeiten wollen.“
Die Motive der Beschäftigten können natürlich ganz unterschiedlich sein: Einige legen vielleicht Wert auf „Work-Life-Balance“ und wollen mehr Zeit für ihr Hobby haben, andere nutzen den zusätzlichen freien Tag, um sich um Kinder oder Eltern zu kümmern. (dpa)