TBeim Ernteumzug flogen die Fäuste – Wer lügt?

Beim Ernteumzug am 1. Oktober 2023 gab es Streit um die Mitfahrt auf einem Mottowagen. Foto: Joppien/Archiv
Der Alkohol fließt in Mengen, doch dieses Mal flogen auch die Fäuste in Wanna: Ein 44-Jähriger erleidet mehrere Knochenbrüche und eine Amnesie. Vor Gericht waren nicht alle Zeugenaussagen glaubwürdig.
Otterndorf. Der Vorfall ereignete sich am 1. Oktober 2023 beim Erntedankumzug in Wanna im Kreis Cuxhaven. Dort soll der vor dem Amtsgericht Otterndorf angeklagte 24-Jährige einem 44-Jährigen, der als Berufsfeuerwehrmann arbeitet, mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Das Opfer erlitt dadurch mehrere Frakturen im Gesicht und eine Amnesie. Der 24-jährige Anlagenmechaniker schilderte die Situation jedoch etwas anders.
Er und seine Freunde hatten für den Erntedankumzug einen eigenen Wagen gebaut und nahmen damit am Umzug teil. Als sich der Umzug dem Ende näherte, stiegen immer wieder Personen auf den Wagen, die nicht zur Gruppe gehörten - darunter auch der Berufsfeuerwehrmann. Der Angeklagte erinnert sich: „Der 44-Jährige stand auf einem Podest am oberen Ende der Treppe. Zwischen uns war eine kleine Tür, etwa hüfthoch. Ich wies ihn darauf hin, dass der Wagen gleich abfahren würde und er sich entscheiden müsse, ob er auf den Wagen auf- oder absteigen wolle“.
Daraufhin sei es zu einem Wortgefecht zwischen den beiden gekommen, wobei das Opfer den Täter zuerst geschlagen habe. „Er hat mich an der Lippe getroffen und ich habe reflexartig zurückgeschlagen“, erklärte der Neuenkirchener sein Verhalten.
Erntedankumzug in Wanna: Faustschlag landet vor Otterndorfer Amtsgericht
Nach der Aussage des Angeklagten wurde der 44-jährige Berufsfeuerwehrmann in den Gerichtssaal gerufen. Er schilderte den Vorfall aus seiner Sicht: „Ich war mit Freunden unterwegs und kam zu dem besagten Auto. Als ich auf den 24-Jährigen traf, kam es sofort zu einem Wortgefecht. Es folgte sofort der Schlag ins Gesicht. An das, was danach passierte, kann ich mich nicht mehr erinnern, da ich durch den Schlag eine Amnesie erlitten habe“. Ich musste die Anzeige stellen, da ich aufgrund meiner Verletzungen eineinhalb Wochen nicht arbeiten konnte.
Während der Aussage des 44-Jährigen schaute ihn der Angeklagte die ganze Zeit an. Bei einigen Passagen der Aussage schüttelte der 24-Jährige unglaubwürdig den Kopf und grinste, als ob er das Gesagte für lächerlich halte. Einen Schlag auf die Lippe vonseiten des 44-Jährigen soll es nach eigenen Angaben nicht gegeben haben: „Ich habe versucht, den Streit zu schlichten und wollte ihn umarmen. Es kann sein, dass ich ihm dabei auf die Lippe geschlagen habe. Wenn das der Fall war, tut es mir leid.“
Unmittelbar nach dem Vorfall, als der Berufsfeuerwehrmann im Krankenhaus lag, nahm der Angeklagte Kontakt zu ihm auf. Er erkundigte sich nach dem Befinden des Opfers und wollte auf dem Laufenden gehalten werden. Der Verletzte hatte keine Folgeschäden.
Wer hat den Streit angefangen? Zeugen erwecken Skepsis
Insgesamt waren vier Zeugen geladen. Drei davon waren Freunde des Angeklagten, einer war mit dem Opfer befreundet. Als die drei Freunde des 24-Jährigen aussagten, war klar: Hier stimmt etwas nicht. Richterin Sabine Deutschmann ist sich sicher: „Die Aussagen ähneln sich auf das Wort genau, das kann kein Zufall sein.“ Den Freund des Opfers hielt das Gericht dagegen für sehr glaubwürdig. Der 53-jährige Berufssoldat aus Lüdingworth stand während des Vorfalls direkt neben seinem Freund und dem Angeklagten. Er versicherte dem Gericht, dass es keine Notwehrsituation für den 24-Jährigen gegeben habe.
Auch die Staatsanwaltschaft hielt den Zeugen aus Lüdingworth für glaubwürdig und bestätigte die Anklage gegen den 24-jährigen Anlagenmechaniker. Während die Staatsanwaltschaft ein Strafmaß von 90 Tagessätzen zu je 20 Euro forderte, entschied sich Richterin Deutschmann für eine Vergünstigung, da sich der 24-Jährige nach dem Opfer erkundigt hatte. So wurde der Neuenkirchener zu 60 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt und muss die Kosten des Verfahrens tragen.