TBekannte Autorin will Grab in Mulsum-Hohenmoor retten

Die Grabstätte von Gustav Ungereit soll als historisches Denkmal erhalten bleiben. Foto: Ahrens
Unter Efeu bedeckt ruht Gustav Ungereit. Das Grab soll aufgelöst werden, doch die bekannte Autorin Elke Loewe will es retten. Was dahintersteckt - und wie die Ruhestätte mit Hohenmoors turbulenter Schulgeschichte zusammenhängt.
Mulsum-Hohenmoor.. Der Friedhof in Mulsum-Hohenmoor liegt genauso abseits wie das Moor selbst. Zwischen den ersten Bäumen eines kleinen Waldstücks ruhen die Bewohner des abgeschiedenen Ortsteiles. Wer von Mulsums Kern den Weg dahin finden will, muss sich auskennen - und einige Kilometer zurücklegen.
Elke Loewe wandert über den ebenso verwunschenen wie verlassenen kleinen Friedhof. Es herrscht, im wahrsten Sinne des Wortes, Totenstille. Autos verirren sich kaum in die unebenen Moorstraßen. Auf diesem Friedhof liegt auch ihr Ex-Mann Dieter Loewe begraben, ein steinerner Löwe ziert seinen Grabstein. Mit ihm gemeinsam erfand die Autorin die bekannten Kinderfiguren Piggeldy und Frederick.
Gustav Ungereit war der letzte Lehrer in Hohenmoor
Gut zwei Meter daneben ruht seit 1972 Gustav Ungereit. Er war der letzte Lehrer, der aktiv in der kleinen Schule von Hohenmoor unterrichtete. Doch seit 2015 ist die Ruhefrist der Grabstätte ausgelaufen. „Sollte bis zum 09.03.2023 keine Rückmeldung bei der Friedhofsverwaltung eingehen, wird die Verwaltung in Auftrag geben, den Grabplatz einzuebnen“, hieß es von der Samtgemeinde. Zunächst gab es keine Rückmeldungen von Angehörigen.

Der abgelegene Friedhof von Hohenmoor mutet mystisch an. Foto: Ahrens
„Wir dachten immer, das gehört mit der Grabstätte von Dieter Loewe zusammen“, sagt die 83-Jährige. Seit zehn Jahren wohnt sie wieder im Hohenmoor. Der Lehrer Gustav Ungereit war einst mit der Tante ihres damaligen Mannes Dieter liiert.
Als sie von der Auflösung hörte, schritt sie ein. Doch die familiären Verbindungen sind nicht Elke Loewes Hauptgrund, die Ruhestätte erhalten zu wollen. „Friedhöfe sind die kulturellen Gedächtnisse menschlicher Siedlungen“, schreibt Loewe in ihrem Antrag an die Samtgemeinde. Das Grab will die Autorin als historisches Denkmal für Hohenmoor wahren. Denn die Schulgeschichte dort war nicht immer einfach.
In seinem Buch „Rückblicke“ recherchierte Heimatkundler Walter Holst Geschichten aus der Samtgemeinde Fredenbeck. Ein Kapitel widmete er der Schule in Hohenmoor. „Kaum jemand empfand das abseitige Idyll am Kanal als ‚kleines Paradies‘“, schreibt Holst. „Außerdem kam nicht jeder Junglehrer mit dem harten, eigenwilligen und meist wortkargen Menschenschlag im Moor zurecht.“ Bis 1874 fand der Unterricht noch abwechselnd in Bauernhäusern statt.
Holst berichtet sogar von einem Fall, bei dem gegen einen Lehrer am Obergericht Stade Klage wegen Misshandlung eingereicht wurde. Ein Ergebnis sei zwar nicht bekannt - aber der damalige Superintendent habe dem Drängen auf Entlassung des Lehrers nicht nachgegeben, „weil die Eltern sonst künftig noch stärker gegen die Lehrer auftreten würden.“
Nach 1874 mussten die Schüler bis zur Schule nach Mulsum laufen. Circa 20 Jahre später wurde im Moor eine eigene Schule errichtet. Bis Mitte der 50er Jahre wurde dort Walter Holst zufolge unterrichtet - zuletzt von Gustav Ungereit. Laut Elke Loewe konnte er das Schulgebäude anschließend „für ein paar 1000 DM“ kaufen. „Das letzte hier noch unterrichtete Kind Georg Meyer, er war auch der letzte noch lebende Moorbauer, starb 2023 und wurde ebenfalls auf dem Hohenmoorer Friedhof bestattet“, schreibt Loewe.
Autorin wohnt im alten Schulgebäude
Für die Autorin gibt es sogar noch eine weitere Verbindung zur Hohenmoorer Schulgeschichte: Sie wohnt im früheren Schulgebäude und sanierte es, als sie und Dieter Loewe 1967 genug von der Großstadt Hamburg hatten. Im ehemaligen Klassenraum entstanden die ersten Trickfilme zu den Figuren Piggeldy und Frederick. Zwischenzeitlich zog sie weg, ihr Sohn übernahm das Haus. Doch seit 2013 ist sie zurück. Und will das Andenken, dass sie durch das Schulgebäude jeden Tag vor Augen hat, auch durch das Grab von Gustav Ungereit erhalten.

Elke Loewe wohnt in der sanierten, alten Schule. Foto: Ahrens
Der Friedhofsausschuss der Samtgemeinde hat keine Einwände gegen das Vorhaben, das Grab von Elke Loewe und den Hohenmoorern weiter pflegen zu lassen. Noch eine weitere Ruhestätte in der Samtgemeinde soll erhalten bleiben: Die Enkelin des Deinster Künstlerpaares Otto und Ilse Rahm will das Grab unter besonderen Schutz der Friedhofsverwaltung stellen.