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Nachbarkreise

T„Bis zu zehn tote Tiere täglich“: Schäfer aus Zeven berichtet

Schafe grasen auf einer Weide.

Dunkle Zeiten für Schafe. Die Tierseuche Blauzungenkrankheit erzeugt dieses Jahr viel Leid und Tod. Foto: dpa/Schuldt

Dieter Möller pflegt Zevens Grünflächen mit seiner Schafherde. Doch was der Schäfer wegen der Blauzungenkrankheit durchmacht, ist schwer zu begreifen.

Von Monika Hahn Montag, 30.09.2024, 10:50 Uhr

Zeven. Anzeichen dafür, dass dieTierseuche Blauzungenkrankheit (BTV) demnächst ausbrechen würde, gab es bereits früh. Laut einer Pressemitteilung des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) wurden im Oktober 2023 erste Fälle des derzeit grassierenden Serotyps BTV-3 in Deutschland gemeldet. Im Winter war es dann ruhiger, da das Virus von Stechmücken auf die Wiederkäuer übertragen wird.

Infektionswelle kam aus Benelux

2024 breitete sich das Geschehen mit großer Geschwindigkeit aus Benelux kommend aus. Eine große Welle der Erkrankung hatte es hierzulande zuletzt 2006 bis 2009 gegeben. Damals starben sehr viele Tiere; eine flächendeckende Impfung beendete schließlich die weitere Ausbreitung.

„Erst die Notzulassung eines Impfstoffs im Jahr 2008 und die Einführung einer Pflichtimpfung führte zu einem deutlichen Rückgang der Ausbrüche.“ So steht es in der Pressemitteilung des LAVES vom 16. Juli 2024. Die Impfpflicht galt 2009 für Schafe, Ziegen und auch für Rinder.

Schafe gehören zu den Wiederkäuern und sind von der Viruserkrankung besonders bedroht.

Schafe gehören zu den Wiederkäuern und sind von der Viruserkrankung besonders bedroht. Foto: dpa/Kneffel

Es gibt keinen offiziell zugelassenen Impfstoff

Das Problem dieses Mal: EU-weit existiert kein zugelassener Impfstoff gegen das grassierende Virus. Eine im Juni verfasste EU-Verordnung erlaubt es, offiziell nicht zugelassene, wirksame Impfstoffe einzusetzen.

Es dauerte daher in diesem Jahr, bis ein wirksamer Impfstoff verfügbar war. Inzwischen gibt es drei verschiedene Impfstoffe, die die aktuelle Ausbreitung stoppen sollen.

Im August impfte Dieter Möller seine 350 Schafe

Dieter Möller aus Oldendorf war auch in diesem Sommer oft bei seinen Schafen und beobachtete sie beim Grasen. Er merkt schnell, wenn einzelne Tiere krank sind. Im Sommer mussten einige Tiere wegen einer anderen Erkrankung behandelt werden und so war eine frühe Impfung gegen BTV nicht möglich.

Einzelne Tiere zeigen schließlich Ende Juli Symptome. Sofort veranlasst er die Impfung. Bis heute wird empfohlen, trotz Ausbruchs in der Herde, die gesunden Tiere zu impfen. „Ich würde das nicht wieder machen. Erkrankte Tiere in der Inkubationszeit zu impfen, kann nie hundertprozentig ausgeschlossen werden“, resümiert Möller heute. Er befürchtet, dass die Impfung das Leid seiner Herde womöglich vergrößert haben könnte.

Tierärzte beurteilen die geltenden Empfehlungen unterschiedlich

Skepsis gegenüber der späten Impfung bei bekanntem Ausbruch im gleichen Betrieb äußert Tierarzt Andreas Finkensiep aus Tarmstedt: „Es gibt widersprüchliche Hinweise, ob in infizierten Herden nur gesunde Tiere geimpft werden können.“ Seine Kundschaft habe zu rund 80 Prozent die Schaf- und Ziegenherden geimpft, und der Rest sei leider betroffen. Betroffen, so wie auch die Herde von Dieter Möller.

Trauer angesichts von Tierleid und hohen Verlusten

Inzwischen sind von seinen 350 Tieren 155 Tiere qualvoll verendet. „Teilweise hatte ich am Tag zehn tote Schafe abzusammeln. Die Krankheit hat meine Herde stark getroffen.“ Bei diesen Worten liegen viel Fassungslosigkeit und Trauer in Dieter Möllers Stimme.

Neben dem sichtbaren Tierleid hat der Ausbruch finanzielle Konsequenzen. „Meine Verluste liegen inzwischen im hohen, fünfstelligen Bereich.“ Möller bittet um Verständnis. Die Auswirkungen der Erkrankungen seien schlichtweg eine katastrophale Ausnahmesituation. „Wir gehen täglich auf unsere Weiden und sammeln verendete Tiere ein.“

Neue Hoffnung für betroffene Schafhalter

Auch Rinder können erkranken und damit zur Verbreitung der durch Gnitzen übertragenen Krankheit beitragen. Bisher gab es von der Tierseuchenkasse (TSK) keine Entschädigung für erlittene Verluste. Die TSK hat jedoch die Impfung von Schafen und Ziegen mit 3 Euro pro Tier bezuschusst. Alle Impfungen, auch die der Rinder, sind in diesem Jahr bisher freiwillig.

Für betroffene Halter von Schafen und Ziegen gibt es inzwischen Hoffnung: Heinz Korte, Vorstandsvorsitzender der niedersächsischen Tierseuchenkasse, erwähnt im Gespräch mit unserer Redaktion zur jüngsten Entwicklung: „Bei bestehender Übersterblichkeit werden Schaf- und Ziegenhalter Härtefallanträge auf Entschädigung bei der TSK stellen können, um sich bis zu 50 Prozent des Verlustes ersetzen zu lassen. Voraussetzung wird sein, dass die Herde nachweislich vollständig geimpft war und die Impfung zum Todeszeitpunkt der ersten Tiere mehr als eine Woche zurückgelegen hat.“

Wie ist das Infektionsgeschehen zurzeit?

Tierarzt Andreas Finkensiep meint: „Der Peak ist durch.“ Dieter Möller sieht sich weiter vor Herausforderungen stehen: „Die überlebenden Muttertiere werden im kommenden Jahr keine Lämmer haben, da ich derzeit keinen Bock in die Herde lasse“, beschreibt er die deprimierende Situation. Dies führe nun mittelbar dazu, dass sich die Pflege der öffentlichen Grünflächen in Zeven im kommenden Jahr schwierig gestalten werde.

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