TBliedersdorfer Spargel dicht: Investoren retten altes Reetdachhaus

Investor Tobias Terne blickt auf die Dachsparren des 1758 erbauten Zweiständerbaus, das Denkmal wird saniert und erhält ein neues Reetdach. Foto: Vasel
Im Herzen von Bliedersdorf schaffen Tobias Terne und Michael Heins neuen Wohnraum auf einer alten Hofstelle. Die Investoren sanieren auch das älteste Bauernhaus im Ort. Ihren Ursprungsplan konnten sie aber nicht komplett umsetzen.
Bliedersdorf. Im Jahr 2021 hatten die beiden Investoren ihr Konzept im Rat vorgestellt, der Bebauungsplan wurde geändert. Anfang dieses Jahres legten die Handwerker los. Auf der Hofstelle am Daudiecker Weg unterhalb der Katharinenkirche wollen Michael Heins und Tobias Terne 18 Wohnungen schaffen. Der alte Kuhstall wurde entkernt. Sieben Wohnungen, um die 60 Quadratmeter groß, werden noch in diesem Jahr fertiggestellt.

Blick auf das Fachwerkhaus (rechts) und den zum Wohnhaus umgebauten früheren Kuhstall am Daudiecker Weg in Bliedersdorf. Foto: Vasel
Die Parkplätze entstehen im hinteren Bereich. Die Scheune zwischen Wirtschaftsgebäude und Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert ist abgerissen worden. In dem Bereich sollen fünf Reihenhäuser entstehen. Die Eigentümer wollen mit dem Spatenstich warten, „bis das Zinsniveau wieder stimmt“, so Terne, der auch CDU-Bürgermeister von Bliedersdorf ist. Das Einfamilienhaus an der Hauptstraße mit zwei Wohneinheiten bleibt erhalten.
Die Wohnbebauung sollte auch helfen, das ortsbildprägende Baudenkmal zu erhalten. Es war stark sanierungsbedürftig. „Wir wollten es retten“, sagt der Bliedersdorfer. Auch deshalb hätten sie das Ensemble erworben.
Bliedersdorfer Spargel ist Geschichte
Die Eigentümer wollten verkaufen. Die langjährigen Pächter, sprich Udo und Gudrun Werner aus Deinste, hatten deshalb Terne und Heins angesprochen. Die Bliedersdorfer Spargel Werner UG wollte ihren Hofladen in dem Fachwerkbau durch ein Café ergänzen. Doch die Erzeugerkosten stiegen.
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Wohnen statt Café und Bauernladen
Die Pächter zogen schließlich die Notbremse. Im Oktober hat Familie Werner gekündigt. Nach der Saison 2024 war Schluss, auch der Pachtvertrag für die Anbaufläche rund um das Dorf ist laut Terne ausgelaufen. Diese gehörte zur Hofstelle. Kurzum: Den beiden Investoren war ein Ankermieter abgesprungen, Bauernladen und Gastronomie sind vom Tisch. „Das bedauere ich sehr“, sagt Terne. Der Hofladen habe viele Auswärtige ins Dorf gelockt.

Blick in den Stall, hier wurde noch im Frühjahr unter anderem der Spargel verkauft. Foto: Vasel
Der Bauantrag musste überarbeitet werden. Das Alternativkonzept: Sechs Wohnungen werden jetzt in dem alten, reetgedeckten Bauernhaus geschaffen. Terne begrüßt, dass die Denkmalschützer beim Kreis Stade dem Einbau von Gauben zugestimmt haben.

Die historischen Dachsparren bleiben auf Wunsch des Denkmalschutzamts erhalten, für die Restaurierung weiterer Gebäude. Foto: Vasel
So kann auch der Speicher umgebaut werden. Ohne zusätzliche Fenster sei das Obergeschoss nicht als Wohnraum zu nutzen. Bereits 2025 sollen die Arbeiten - begleitet von den Denkmalschutz-Experten - abgeschlossen sein.
Investoren retten Hallenhaus mit Geschichte
Das alte Reet ist bereits vom Dach. Planen schützen den sanierten Dachstuhl. Die neuen Bewohner werden auf die alten Balken und Fenster blicken - mit dem Wohnkomfort des 21. Jahrhunderts. Das Gebäude wird neu eingedeckt.

Der alte Stall ist fast komplett erhalten. Foto: Vasel
50.000 Euro fließen aus einem EU-Topf. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Mehrere Millionen werden investiert. Die Denkmalrettung lasse sich lediglich über das Gesamtprojekt finanzieren.
Errichtet nach dem Großen Brand von 1758
Das denkmalgeschützte, ortsbildprägende Wohn- und Wirtschaftsgebäude am Daudiecker Weg 1 ist der älteste Zweiständerbau in Bliedersdorf. Die alte Struktur ist noch erhalten.
Das reetgedeckte Fachwerkhallenhaus ist laut der Inschrift über der Grootdör im Jahr 1758 errichtet worden - kurz nach dem Großen Brand. Im Juni waren rund 80 Gebäude in Flammen aufgegangen, die „gar nicht in der Brand-Casse versichert gewesen“ waren. 21 Familien seien durch diese Feuersbrunst „in dürftigste Umstände versetzt worden“, schrieb der damalige Pastor Wehdemann am 13. Juni 1758 in seinem Hilferuf an das Konsistorium in Stade.
Lediglich die romanische Feldsteinkirche aus dem 12./13. Jahrhundert hatte das verheerende Feuer überstanden. Die Schule lag in Schutt und Asche. Das Elend war groß. Es bestehe „nur wenig Hoffnung, daß selbige vor dem Winter so viele Häuser wieder erhalten, worin sie sich und ihr Vieh bergen können“, hieß es. Der Pastor appellierte an den Amtsmann, einen Schopskoben aus dem Vorwerk des Klosterguts im nahen Neukloster für den Schulbau zu demontieren, denn der Schulmeister müsse in der Scheune hausen. Doch der Verwalter verkaufte die Eichenhölzer lieber an die obdachlosen Bliedersdorfer.
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Balken aus dem Nonnenkloster verbaut
Auch der Erbauer des Hallenhauses, der Vollhöfer Johann Meibohm, sicherte sich Balken des Ex-Benediktinerinnenklosters für die Holzdecken, so der Dorfchronist und frühere Bliedersdorfer Pastor, Christian Fuhst. Auf mächtigen Feldsteinen als Fundament ließ er das Fachwerkgebäude im Sommer und Herbst 1759 errichten, mit Stallungen links und rechts der Diele für das Vieh. Im Fleet am Übergang vom Wirtschafts- zum Wohnbereich brannte Tag und Nacht ein offenes Torf-Feuer. Rauch konservierte das Fleisch. Über der Diele lag der Heuboden, am rückwärtigen Giebel befand sich der Wohntrakt mit den Stuben.

Der alte Fußboden wird erhalten. Foto: Vasel
Über der Grootdör des Zehn-Fach-Hauses steht bis heute der Anfang eines Kirchenliedes von Martin Luther: „Es woll uns Gott genädig sein und seinen Segen geben sein Antlitz uns mit hellem Schein erleuchten zum ewigen Leben“. 1962 zog Familie Meybohm in den Neubau auf der Hofstelle um.

Blick in den Keller des Bauernhauses. Foto: Vasel

Das Stader TAGEBLATT diente als Tapete. Foto: Vasel