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Verkehrsärger

Bodenwelle: Gestürzter Radfahrer klagt wegen Warnschildern

Geklagt hatte ein Radfahrer, der an einer Landstraße unterwegs war. (Symbolbild)

Geklagt hatte ein Radfahrer, der an einer Landstraße unterwegs war. (Symbolbild) Foto: Andreas Arnold/dpa/dpa-tmn

Unebenheiten säumen viele Straßen. Doch wie exakt muss eine Kommune davor warnen? Während ein Gericht urteilte, macht im Internet ein wildes Fahrrad-Tüv-Gerücht die Runde.

Von Redaktion Sonntag, 05.01.2025, 18:00 Uhr

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Ja, eine Kommune muss dafür sorgen, dass die Straßen verkehrssicher sind. Allerdings kann eine völlige Gefahrlosigkeit nicht erwartet werden. Das gilt speziell dann, wenn Warnschilder auf Straßenschäden hinweisen. Das zeigt eine Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, auf die der ADAC hinweist.

Geklagt hatte ein Radfahrer. Er war auf einer Landstraße, auf der Schilder allgemein vor Straßenschäden warnten, unterwegs. Auf der Straße gab es auch eine etwa vier Zentimeter hohe, nicht scharfkantige Erhebung. Der Mann fuhr mit seinem Rennrad darüber und stürzte. Im Nachgang forderte er von der verantwortlichen Kommune Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Sein Argument: Die ihm zum Verhängnis Fahrbahnerhebung sei nicht von der allgemeinen Beschilderung „Straßenschäden“ abgedeckt gewesen. Entweder hätte die Kommune an der Stelle speziell warnen, absperren oder den Schaden beheben müssen. Die Kommune sah das ganz anders und verweigerte Zahlungen. Gerichte mussten klären. Final wies das Oberlandesgericht eine Berufung ab (Az.: 2 U 21/24/August 2024).

Warum das Gericht gegen den Radler entschied

Die Gründe: Vereinfacht ausgedrückt muss eine Kommune zwar für einen verkehrssicheren Zustand der Straßen sorgen. Völlig gefahrlose Straßen aber können nicht erwartet werden.

Im konkreten Fall galt außerdem: Zum einen war die Straße nicht speziell für Radler hergerichtet, zum anderen wurde mit Schildern ja auf Schäden hingewiesen. Eine nicht scharfkantige, etwa vier Zentimeter hohe Unebenheit sah das Gericht dabei im Bereich des Erwartbaren an. Einen weiteren, konkreten Gefahrenhinweis an der Stelle erachtete es als nicht erforderlich.

Vielmehr hätte der Radfahrer angesichts der allgemeinen Warnschilder seine Fahrweise anpassen müssen - gerade, da er auf einem Rennrad mit schmal, für Unebenheiten anfälligeren Reifen unterwegs war.

Abbiegeunfall: Radfahrer kam vom Gehweg - wer hat Schuld?

Auch ein Urteil vom November dieses Jahres findet derzeit viel Beachtung. Beim Rechtsabbiegen müssen Autofahrerinnen und Autofahrer damit rechnen, dass andere die Straße verkehrswidrig queren - und entsprechend umsichtig agieren. Wer das nicht macht, haftet bei einem Unfall womöglich mit. Das zeigt eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Az.: 7 U 90/23).

Der Fall: Ein damals 18-jähriger Radfahrer war auf dem Gehweg gefahren - verbotenerweise und mit einem Tempo von 10 bis 27 km/h. Der Weg verlief parallel zur Straße. Ein Autofahrer wollte nach rechts abbiegen und übersah den Radler, der die Straße kreuzen wollte. Der Radler wurde schwer verletzt. Im Nachgang ging die Sache wegen Schadenersatzforderungen vor Gericht.

Das Oberlandesgericht entschied, dass der Autofahrer trotz des schweren Fehlverhaltens des Radlers mithaften musste - und zwar zu einem Viertel.

Das Fehlverhalten des Radlers

Der Radler hatte zwar nicht nur verbotenerweise den Gehweg genutzt - und das mit enormem Tempo. Er war auch, ohne abzustoppen, auf die Straße gefahren, um sie zu überqueren.

Das Gericht sah darin ein überwiegendes Verschulden. Der Radler konnte sich nicht auf den besonderen Schutz der Abbiege-Regelungen berufen.

Auch der Autofahrer hatte nicht alles richtig gemacht

Aber: Allein haften musste der Radfahrer nicht. Denn der Autofahrer hatte - aufgrund des Straßenverlaufs - einen guten Blick auf den Gehweg neben der Straße. Es wäre für ihn laut Gericht durchaus möglich gewesen, den Radler zu erkennen und zu bremsen - bei einer ausreichenden Sorgfalt am Lenkrad. So kam es zu einer Haftungsquote von 75:25 zulasten des Radlers.

  • Kommt eine Fahrrad-Tüv-Plakette?

Die Debatte um Radler im Straßenverkehr bleibt emotional. „Fahrräder benötigen ab 2025 Tüv“, heißt es in einem Video auf Tiktok, das elf Tage nach Veröffentlichung bereits mehr als 460.000 Aufrufe verzeichnet. Demnach sollen Radler angeblich von Januar an eine Tüv-Prüfung für 80 Euro ablegen müssen, ohne gültige Tüv-Plakette drohten vermeintlich Strafen.

Doch: Bundesverkehrsministerium, Fahrradclub und der Tüv stellen klar, dass es solch eine Maßnahme ab Januar nicht geben wird.

Einen Tüv für das Fahrrad wird es nicht geben, die Behauptung ist falsch, wie das Bundesverkehrsministerium (BMDV) der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage mitteilt. Eine Sprecherin schreibt: „Für eine verpflichtende Hauptuntersuchung von Fahrrädern liegt dem BMDV keine wissenschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse vor, die eine Einführung volkswirtschaftlich positiv bewertet. Aus Sicht des BMDV ist eine verpflichtende Hauptuntersuchung für Fahrräder unverhältnismäßig.“

Auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) bestätigt der dpa, dass die Behauptung falsch sei. Genauso ist dem Tüv-Verband eine solche Maßnahme nicht bekannt.

Verantwortlich für Sicherheit sind die Radfahrer selbst

Es gibt keine Verpflichtung für Fahrradfahrer, ihr Rad überprüfen zu lassen. Für Autohalter ist das dagegen gesetzlich festgelegt. Aber: „Nutzerinnen und Nutzer sind selbst dafür verantwortlich, dass das Fahrrad im Gebrauch sicher bleibt“, heißt es von der ADFC-Sprecherin. Radfahrer müssen also selber Sorge dafür tragen, dass ihr Rad für den täglichen Verkehr taugt.

Außerdem sind die Hersteller durch gesetzliche Vorgaben zu Produkten verpflichtet, sichere Räder herzustellen. „Bei Fahrrädern müssen die Hersteller dafür sorgen, dass technische Sicherheitsnormen wie die weltweit gültige DIN EN ISO 4210 eingehalten werden“, teilt der ADFC der dpa mit. Dem Tüv-Verband zufolge reicht eine Herstellerselbsterklärung (auch bekannt als CE-Kennzeichnung), dass die erforderlichen Material- und Produkttests durchgeführt wurden. (dpa/tmn)

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