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Pendler-Frust

TBrandbrief nach Bahn-Chaos: „S5 kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr“

Die S-Bahn Hamburg befördert nach eigenen Angaben jährlich mehr als 280 Millionen Fahrgäste.

Die S-Bahn Hamburg befördert nach eigenen Angaben jährlich mehr als 280 Millionen Fahrgäste. Foto: Arne Dedert/dpa

So hart hat das noch niemand in führender Position ausgesprochen: Die Bahnverbindung im Kreis Stade ist desolat und ein Standortrisiko, sagt Landrat Kai Seefried. Und er wird noch deutlicher.

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Von Karsten Wisser
Freitag, 26.09.2025, 17:50 Uhr

Landkreis. „Ich wende mich an Sie vor dem Hintergrund der wieder einmal nicht mehr tragbaren Zustände im Bereich der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Cuxhaven“, heißt es in dem Brandbrief des Landrats Kai Seefried (CDU). Das Schreiben liegt dem TAGEBLATT vor.

Seefried fasst die Zustände und die Sorgen der Bahn-Pendler knallhart zusammen: „Es vergeht kaum ein Tag, an dem Pendlerinnen und Pendler nicht unter stark verspäteten oder ausgefallenen Zügen leiden. Insbesondere die S5 zwischen Stade und Hamburg kann nicht mehr als zuverlässiges Verkehrsmittel gelten.“

Niedersachsen zahlt S-Bahn und Start Unterelbe

Die Situation auf der Strecke zwischen Hamburg und Cuxhaven hat sich in den vergangenen Monaten zugespitzt. Trauriger Höhepunkt war, dass die Deutsche Bahn die Region zwischen Neugraben und Cuxhaven abkoppelte, weil es kein Personal für das Stellwerk in Neugraben gab. Sechs Stunden lang ging vor zwei Wochen nichts mehr.

Landrat Kai Seefried reicht es: Er übt scharfe an Deutscher Bahn und S-Bahn.

Landrat Kai Seefried reicht es: Er übt scharfe an Deutscher Bahn und S-Bahn. Foto: Christian Schmidt

Der Brandbrief ging in dieser Woche unter anderem an die DB-Konzernbevollmächtigte für Niedersachsen und Hamburg, Ute Plambeck, sowie die Geschäftsführungen von S-Bahn, Jan Schröder, und HVV raus.

Desolate Qualität der Bahnverbindung

Außerdem hat der Landrat den niedersächsischen Wirtschafts- und Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD) als Auftraggeber sowie die LNVG-Geschäftsführerin Carmen Schwabl angeschrieben. Die Landesnahverkehrsgesellschaft zahlt den Verkehr auf der Strecke.

„Ob es um technische Probleme bei Weichen und in Stellwerken, um auf die Gleise gefallene Bäume oder um andere Störungen im Betriebsablauf, wie es dann so schön heißt, geht – als Landrat des Landkreises Stade werde ich bei vielen Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern und bei Besuchen in Unternehmen darauf angesprochen, dass die desolate Qualität der Bahnverbindung längst als Standortrisiko wahrgenommen wird“, so der Landrat in seinem Schreiben.

Lückenhafte Kommunikation am Bahnsteig

In diesem Zusammenhang sei dann oft von einer lückenhaften und widersprüchlichen Information der Kunden die Rede. Auch die Kreisverwaltung habe erleben müssen, dass Kollegen sich einen neuen Arbeitgeber gesucht hätten, weil sie sich dem unzuverlässigen Bahnverkehr nicht mehr ausliefern wollten, heißt es im Brandbrief.

„Diese Entwicklung kann und will ich nicht akzeptieren. So wird die Verkehrswende nicht gelingen. Ich kann keiner Bürgerin und keinem Bürger derzeit ernsthaft die Bahnverbindung nach Hamburg als Alternative zur Autofahrt empfehlen“, so Seefried.

S-Bahn-Chaos: Stader Landrat bietet Hilfe an

„Ob im HVV-Aufsichtsrat oder im direkten Kontakt mit Verantwortlichen Ihrer Häuser: Es gibt kein Gremium, bei dem Vertreterinnen und Vertreter des Landkreises Stade nicht die Probleme ansprechen und Verbesserungen einfordern“, so Seefried.

Die Hamburger S-Bahn wird für den Verkehr im Landkreis Stade vom Land Niedersachsen bezahlt.

Die Hamburger S-Bahn wird für den Verkehr im Landkreis Stade vom Land Niedersachsen bezahlt. Foto: Rabea Gruber/dpa

Wenn es um die Fällung von Bäumen oder die Schließung von Bahnübergängen gehe – sofern die Kreisverwaltung unterstützen könne, stehe sie selbstverständlich für Gespräche bereit.

Bahn-Chaos: Der Landrat als Augenzeuge

„Am vorvergangenen Sonnabend durfte ich den Frust der Fahrgäste, die hilflos zurückgelassen werden, hautnah miterleben“, schreibt Seefried und bezieht sich auf das verwaiste Stellwerk in Neugraben.

„Dass plötzlich kein Personal mehr zur Verfügung steht, ist für mich kaum zu glauben“, sagt Seefried. Fünf Stunden habe seine Heimreise von Hamburg nach Stade gedauert. Das stehe beispielhaft für die täglichen Erlebnisse vieler Reisender.

Gestrandete Fahrgäste in den Bus gequetscht

„Der kurzfristige Schienenersatzverkehr war absolut nicht ausreichend und total überlastet“, so Kai Seefried. Er habe die Szenen sogar auf Video festgehalten: Da sei dann zu sehen, wie sich ein Teil der gestrandeten Fahrgäste in den Bus quetscht – andere hätten es bei dem Anblick gar nicht erst versucht.

Ohnehin sei unklar gewesen, wann und wo die Ersatzbusse abfahren würden. „Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie die Situation an einem Werktag ausgesehen hätte“, so der Landrat.

S-Bahn und DB müssen Verantwortung übernehmen

„Ich bitte Sie eindringlich, mehr Verlässlichkeit in der Bahnverbindung zwischen meinem Landkreis und der Freien und Hansestadt Hamburg herzustellen“, so Seefried. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung der Region und des breiten gesellschaftlichen Konsenses für mehr Angebote für den öffentlichen Personennahverkehr sei es notwendig, dass die S-Bahn und die DB ihrer Verantwortung gerecht werden.

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