TClan-Streit: Verteidiger bezeichnen Zeugen im Mordprozess als Lügner

Der 34-jährige Angeklagte sitzt zwischen seinen Anwälten Dinah Busse und Dirk Meinicke im Schwurgerichtssaal. Foto: dpa
Als brutal und hochnäsig, mit „einer kurzen Zündschnur“ beschrieb ein Zeuge den wegen Mordes angeklagten Mustafa M.. Nicht nur deswegen geriet die Verteidigung in Rage.
Stade. Die Verteidiger von Mustafa M., Dinah Busse und Dr. Dirk Meinicke, haben am Donnerstag im Mordprozess in Sachen Clan-Kriminalität schwere Geschütze aufgefahren. Sie bezichtigten Mitglieder der Familie Al-Zein der Lüge. Explizit nannte Meinicke einen der Nebenkläger aus der Familie des am 22. März von Mustafa M. getöteten Khaled R..
Die Aussage des 34-Jährigen von einem Eins-gegen-Eins-Faustkampf sei im Zuge der Beweisführung „entlarvt“ worden. Vielmehr hätten Mitglieder der Familie Rachid-Al-Zein bei der „massiven Auseinandersetzung“ am Salztor „mit Schlagstöcken“ auf Miris eingeschlagen, die Familie des Angeklagten.

Blick auf den Unfallort in der Straße Beim Salztor. Foto: Battmer
Meinicke beantragte, einen der Teleskop-Schlagstöcke für eine weitere DNA-Untersuchung auseinander zu bauen. Laut Busse seien unter den Fingernägeln des Getöteten Khaled R. die DNA des Eigentümers von KC Sportswear in der Hökerstraße - einem Miri - nachgewiesen worden. Seinen Sport- und Shisha-Laden hatten Al-Zeins einige Stunden vorher im Zuge des Shisha- und Vape-Kriegs überfallen. Er griff später das Wohnhaus der Al-Zeins an.
Nebenkläger-Anwalt Rainer Mertins warf seinen Kollegen vor, „falsche Schlussfolgerungen“ zu ziehen und „eine Nothilfelage konstruieren zu wollen“. Hintergrund: Mustafa M., der Buchholzer hat die Tat eingeräumt, wird Mord vorgeworfen. Dem Angeklagten droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Im Falle einer unverhältnismäßigen Nothilfehandlung könnte das Gericht eine Verurteilung wegen Totschlags in Erwägung ziehen - verbunden mit einer geringeren Strafe.

Erkennungsdienst bei der Spurensuche am 22. März 2024 am Salztor in Stade. Foto: Polizei
Meinicke ließ sich nicht in die Karten schauen. Die Verteidigung wolle „Licht ins Dunkle bringen“. Seine Kollegin Busse legte nach: Sie warf der Staatsanwaltschaft vor, im Fall Mustafa M. „einseitig“ ermittelt zu haben.
Der erste Zeuge war am Donnerstag nicht erschienen. Ursprünglich sollte der Bericht von der Obduktion des Toten im Mittelpunkt des elften Prozesstages im Stader Clan-Prozess stehen. Doch der Rechtsmediziner hat Corona. So kam ein weiterer Bruder des am 22. März diesen Jahres mit einem Messerstich in den Kopf getöteten Khaled R. als Zeuge zu Wort.
Angeklagter verprügelt Bruder vor dem Messerstich
Der Stader IT-Spezialist sowie Sänger und Rezitator berichtete von dem Tag, an dem sein Bruder starb. Der 32-Jährige habe tagsüber von den wüsten Beschimpfungen aus den Reihen der Miris gegenüber seiner Familie erfahren.
Von zu Hause aus habe er die Schreie seiner Eltern gehört, sie wohnen 120 Meter von seiner Wohnung im Altländer Viertel entfernt. Zu dieser Zeit trat einer der Miri-Brüder bereits das Türglas kaputt. „Da bin ich losgelaufen“, sagte der Zeuge.
Unterwegs hätten zwei Miris vor ihm eine Vollbremsung hingelegt. „Sie haben mich als Hurensohn beschimpft“, sagte der Zeuge. Dann habe Mustafa M. „wie besessen“ auf ihn eingeschlagen und eingetreten - auch auf den Kopf. Dann seien beide davongebraust.
Vorher habe einer der Miri-Brüder noch auf einen Gegenstand gezeigt - vermutlich ein Messer. Das habe er der Polizei erzählt. Wenig später habe er vor der Brücke am Salztor geparkt. Auf der Straße lag sein Bruder: „Alle schrien, er hat ein Messer im Kopf. Ich wusste, dass er sterben wird.“
Mustafa M. soll eine „kurze Zündschnur“ gehabt haben
Er habe vorher nie Streit mit den Miris gehabt. Als Islam-Lehrer einer Moschee habe er die Miris unterrichtet. Er gab auf Nachfrage an, den Logopäden Mustafa M. wegen einer Therapie für seinen Sohn um Rat gefragt zu haben. Gleichwohl sei ihm früh klar gewesen, dass der Angeklagte den Mord begangen haben müsse.
Es sei bereits vor den Bluttaten in Buchholz und Stade allgemein bekannt gewesen, dass Mustafa M. „eine kurze Zündschnur“ habe und „arrogant und hochnäsig“ sei. Beim Angriff auf eine Shisha-Bar der Al-Zeins in Buchholz habe Mustafa M. den Besitzer „fast tot geprügelt“.

Blick auf das Stader Landgericht. Foto: Vasel
Verteidiger Meinicke zog die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel. Er wundere sich, dass der Zeuge trotz der angeblichen Charaktereigenschaften des Angeklagten sein Kind in seine Praxis gebracht habe. Der Zeuge wollte oder konnte auf wiederholte Nachfrage nicht sagen, wer ihm erstmals von dem Charakter des Angeklagten berichtet habe.
Verteidiger Meinicke bohrte nach. Er fragte ihn, wer im Islam ein vertrauenswürdiger Zeuge sei. Er wolle im Gericht nicht über den Islam sprechen, so der Zeuge. Ein Wort gab das nächste. Als der Vorsitzende Richter Erik Paarmann den Anwalt unterbrach, rief Meinicke ihm zu: „Sie sind nicht Bruce allmächtig.“
Der Prozess wird am Mittwoch, 8. Januar, um 9.30 Uhr fortgesetzt.