TCold Case: Wer hat Harald Lindemann erschlagen?

Erschlagen in der Wohnung: Harald Lindemann wurde 1997 ermordet.
Ein Haus in der Wurster Straße, ein älterer Mann, der allein darin wohnt. Eindringlinge, die sein Geld wollen, ihn brutal traktieren. Nach dem Überfall ist Harald Kurt Gustav Lindemann tot - erschlagen zu Weihnachten 1997. Die Tat ist ungeklärt.
Bremer. Harald Lindemann (72) ist ein freundlicher älterer Herr. Er legt großen Wert auf sein Erscheinungsbild, Dolmetscher war er von Beruf. Er ist nicht verheiratet, sondern hat in der Wohnung im Obergeschoss des Hauses Wurster Straße 59 in Bremerhaven bis zu ihrem Tod mit seiner Mutter gelebt. Danach ist er viel allein, geht selten unter Leute. Wenn er irgendwo hin will, geht er gern zu Fuß oder nimmt sein rotes Herrenrad, manchmal ruft er sich auch ein Taxi. Denn einen Führerschein hat er nicht.
Eine wenig einladende Wohnung
Auf einem Schiffsausflug nach Helgoland lernt er einen jungen Mann aus Sachsen kennen. Die angeregte Unterhaltung mündet in eine Einladung nach Bremerhaven. In Erwartung des Besuchs geht Harald Lindemann mit dem Blick eines Fremden durch seine Wohnung und muss selbst feststellen: Der Zustand ist alles andere als einladend.
Er sucht sich eine Putzfrau, um das zu ändern, und lernt eine junge Frau von nicht einmal 30 Jahren kennen. Sie soll für ihn bald mehr als nur eine Haushaltshilfe sein. Der Senior denkt sogar an eine Hochzeit, lädt die Frau zu einem Urlaub ein.
Die Kripo erfährt später, dass die Haushaltshilfe gerne und ausschweifend über Harald Lindemann erzählt hat, wenn sie nach ihrer Arbeit gefragt wurde. Die „Storys“ der Reinigungskraft über ihren großzügigen Arbeitgeber sollen die Räuber-Attacke ausgelöst haben – unabsichtlich.
Die Räuber kommen mit Handschellen
Am Montag, 22. Dezember 1997, kauft Harald Lindemann um 18.29 Uhr in einer Tankstelle in der Nähe seiner Wohnung ein. Danach sieht ihn niemand mehr lebend. Ein Versicherungsvertreter ist der letzte Mensch, der seine Stimme gehört hat, gegen 20 Uhr am Telefon. Irgendwann in jener Nacht müssen die Mörder in das Haus gekommen sein.
Die Täter brechen in die Wohnung ein, als Lindemann vermutlich schläft. Sie misshandeln ihn, fesseln den Rentner mit schwarzen Handschellen. Die Kripo ist überzeugt, dass die Täter offensichtlich Wertvolles von ihm wollen. Sie traktieren ihn, schlagen auf ihn ein. Und verletzen ihn so schwer, dass er noch in der Nacht stirbt. Die Rechtsmediziner stellen fest, dass die Einwirkung stumpfer Gewalt auf seinen Kopf als Todesursache zu betrachten ist. Harald Lindemann wird erschlagen.
Hat die Putzfrau ihn auf dem Gewissen?
Nachbarn finden den Toten am nächsten Vormittag, es ist der Tag vor Heiligabend. Es war wohl nicht seine Sturheit, die Lindemann das Leben gekostet hat. Denn „er hatte gar nichts, was er hätte geben können“, sagt nach Jahren einer der Ermittler von damals. Gegen die junge Frau, die der Rentner so verehrte, richtete sich nie der Verdacht, dass sie etwas mit seinem Tod zu tun haben könnte. Bedrückt soll sie gewesen sein über die Konsequenz ihrer Erzählungen. Wer für die Tat verantwortlich sein könnte, dieser quälende Gedanke soll die Frau Jahre verfolgt haben.
Die Kripo meint dagegen zu wissen, wer da so genau hingehört und als „heißen Tipp“ gehandelt hat. Sie können es ihm nur nicht nachweisen.
Eine ähnliche Tat wiederholt sich
Zehn Jahre nach dem Tod von Harald Lindemann spielt sich eine ganz ähnliche Tat ab - und das auch nur schräg gegenüber vom ersten Tatort in einem Haus auf der anderen Seite der Wurster Straße: Ein 81-Jähriger wird überfallen, an einen Stuhl gefesselt und von den Räubern todgeweiht zurückgelassen.
Erst nach einer Woche wird er halb verdurstet und halb verhungert gefunden. Die Kabelbinder, mit denen er gefesselt wurde, hatten sich tief in seine Haut geschnitten. Die Täter hatten ihn geknebelt und die Augen verbunden. Er stirbt an den Folgen seiner Folter, die Täter werden zu elfeinhalb und 13 Jahren Haft verurteilt. Einen Zusammenhang zwischen beiden Taten gibt es nicht, auch wenn sie sich so ähnlich sind.
Belohnung gibt es auch heute noch
Zehn Jahre nach dem Tod von Harald Lindemann gehen die Ermittler ein letztes Mal mit dem Fall an die Öffentlichkeit. Sie wollten nicht aufgeben, heißt es damals. Mord und Totschlag verjähren nicht. Auch 2012 öffnet ein Ermittler der Kripo die Akten ein weiteres Mal - er bekommt drei Jahre Zeit, 12 in Bremerhaven seit 1980 ungelöste Fälle noch einmal zu untersuchen und nach neuen Ermittlungsansätzen zu suchen. Das Ergebnis seiner Arbeit wird nie bekannt.
Als Harald Lindemann starb, setzte die Staatsanwaltschaft 3000 D-Mark aus zur Belohnung für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat beitragen. Die Belohnung gäbe es auch heute noch.