TDas Problem mit den Azubis: Ist dieser neue Ansatz die Lösung?

Schülerinnen und Schüler der Jobelmannschule in der Holzwerkstatt. Foto: Jobelmannschule
Viele Betriebe suchen Nachwuchs, finden aber keine geeigneten Azubis. Die neue Berufsfachschule dual soll Abhilfe schaffen und ist jetzt an der Jobelmannschule gestartet.
Stade. „Viele ausbildende Betriebe beklagen ein Matching-Problem. Sie finden keine Azubis, die sie für geeignet halten“, erklärt Dieter Janzen, der Leiter der Jobelmannschule (Berufsbildende Schule/ BBS 1) in Stade. Die Ausbildungsumfrage 2025 der IHK Niedersachsen bestätigt: Nur 56,4 Prozent der niedersächsischen Ausbildungsbetriebe konnten 2024 alle Ausbildungsplätze besetzen.
33 Prozent der Betriebe haben gar keine Bewerbungen erhalten und 72,6 Prozent gaben außerdem an, keine geeigneten Bewerber gefunden zu haben. „Die Fachkräftelücke droht sich langfristig zu verfestigen,“ warnt Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen.
Betriebe klagen oft über fehlende Ausbildungsreife
Die IHK fordert darum eine stärkere Berufsorientierung an Schulen, eine Verbesserung der Ausbildungsreife, eine Aufwertung der beruflichen Bildung und bessere Rahmenbedingungen für die Ausbildung – etwa durch eine Stärkung der Berufsschulen.
Mit der neuen, einjährigen Berufsfachschule dual (BFS dual) hofft das Land Niedersachsen, dem zu begegnen. Die BFS dual soll die bisherige Berufsfachschule sowie die Klasse 11 der Fachoberschule ersetzen und jungen Leuten bessere Chancen auf eine erfolgreiche Ausbildung bringen - durch mehr Praktikumszeit in den Betrieben sowie Beratung und Coaching.
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Oft beklagen die Betriebe eine fehlende Ausbildungsreife der Azubis. 87,2 Prozent geben laut IHK Niedersachsen an, regelmäßig Mängel bei Ausdrucksvermögen, Mathematikkenntnissen, Belastbarkeit, Disziplin und mentaler Leistungsfähigkeit festzustellen. Doch Schulleiter Dieter Janzen warnt davor, alle in einen Topf zu werfen.
Schulleiter warnt vor Jugendlichen-Bashing
„Jahr für Jahr brechen im August diese pauschalen Klagen aus. Das hat schon einen Beigeschmack von Jugendlichen-Bashing“, sagt er. Aus seiner Erfahrung stellt sich die Sache differenzierter dar. Unter seinen Schülern seien viele fit und leistungsfähig, und gezielte Unterstützung könne viel bringen: „Wir wollen niemanden verlieren, wir brauchen jeden Einzelnen.“
Die neue Berufsfachschule dual hält Janzen aber für sehr sinnvoll. Erstens, weil sie mehr Berufsorientierung als die bisherige Berufsfachschule bietet: Die Praktikumszeit im Betrieb ist deutlich länger. So bleibt beiden Seiten mehr Zeit, sich kennenzulernen - und vielleicht für die Ausbildung einen Fuß in die Tür zu bekommen. Außerdem können an der BFS dual schneller und flexibler verschiedene Schulabschlüsse erworben werden.
Auch mit Hauptschulabschluss öffnen sich Türen
Wer die BFS dual besuchen möchte, muss mindestens einen Hauptschulabschluss und die neunte Klasse abgeschlossen haben. Nach der BFS dual kann es direkt in die Ausbildung gehen. Je nach Vorbildung und Notendurchschnitt kann der Sekundarabschluss I erworben werden - oder der erweiterte Sekundarabschluss I, was die Tür zur Fachoberschule Klasse 12 und zur Fachhochschulreife öffnet. Zur Auswahl stehen Metalltechnik, Elektrotechnik, Informationstechnik, Bautechnik, Holztechnik sowie Gastronomie / Lebensmittelhandwerk.
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Die Lehrkräfte begleiten die Schüler mit Einzel-Beratungen und Coaching. „Wir fragen regelmäßig: Wie läuft‘s? Was ist dein Ziel?“, erklärt Anja Waskow, die im Bereich Holztechnik unterrichtet. Eine Reflexion über den praktischen Teil der Ausbildung gehört fest zum Stundenplan. Der Hauptunterschied zwischen Klassenunterricht und Einzelberatung: Im Vier-Augen-Gespräch kann niemand wegtauchen. Es geht nicht darum, irgendwie durch die Prüfung zu kommen, sondern ehrlich zu sehen: Welche Kompetenzen habe ich, welche brauche ich noch?
Die Lehrkräfte besuchen die Betriebe während des Praktikums und holen ein Feedback ein. Zu Beginn der BFS dual haben Schüler der Profile Metalltechnik, Elektrotechnik und Informationstechnik die Möglichkeit, sich jeweils zwei Wochen in den anderen Fächern umzusehen. Falls ein anderer Bereich ihnen mehr zusagt, können sie noch switchen. „Das ist ein großer Vorteil bei Schülern, die noch unsicher oder unorientiert sind“, erklärt Dieter Janzen.
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„Wenn jemand merkt, dass sich der Alltag im Praktikum stark von seinen ursprünglichen Vorstellungen abweicht, sind wir da“, sagt Anja Waskow. In Gesprächen können die Schüler mit den Pädagogen herausfinden, ob nur ein Tal durchwandert werden muss oder ob sie eine andere Möglichkeit finden müssen. „Wenn das so ist, können wir auch das Gespräch mit der Agentur für Arbeit oder den Eltern suchen“, erklärt sie. Die meisten fänden bis zum Sommer eine Alternative.
Das könne auch eine schulische Alternative sein, erklärt ihr Kollege Jochen Pankop: In der Jobelmannschule, die von Berufseinstiegsschule bis Gymnasium eine Vielfalt von Schulformen und Bildungsgängen bietet, können sich die Schüler direkt vor Ort umsehen, welche Chancen sich bieten - auf höhere Bildungsabschlüsse und im Arbeitsmarkt.
Mehr zur Berufsfachschule dual unter www.jobelmannschule.de
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