TDas Wunder von Oslo: Ein ehemaliger BSV-Trainer war mittendrin

Deutschland gewann die WM 1993. Otto Sternberg (rechts) jubelt mit der Mannschaft. Foto: privat
Vor 30 Jahren ereignete sich eines der größten Wunder im Frauenhandball. Das deutsche Nationalteam um Co-Trainer Otto Sternberg (71) aus Hollenstedt wurde Weltmeister. Der spätere BSV-Trainer erinnert sich an eine nicht nur sportlich besondere Zeit.
Hollenstedt. Gerade jetzt, wo wieder eine Frauen-WM gespielt wird, kommen die Erinnerungen von allein. „Ich könnte viele Anekdoten erzählen“, sagt Otto Sternberg. Eine davon: „Wir haben am Vormittag vor dem Finale in der Halle trainiert, und da wurde schon eine Zeremonie geprobt. In der Mitte hing die dänische Fahne - für die Goldmedaille. Das hat uns ganz besonders motiviert.“
Und tatsächlich. Am 5. Dezember 1993 ereignete sich in Oslo eine der größten Überraschungen im Frauenhandball. Die DHB-Auswahl, die erstmals als gesamtdeutsches Team bei einer WM antrat, gewann das Finale gegen den Favoriten Dänemark mit 22:21 nach Verlängerung. „Das hatte keiner von uns erwartet“, sagt Sternberg, damals Co-Trainer von Lothar Doering.
WM-Gold und EM-Silber
Heute ist Otto Sternberg Rentner und lebt wie damals in Hollenstedt. Das Finale hat er sich erst kürzlich wieder angesehen. Die Goldmedaille hängt daheim an einem Nagel an der Wand.
Sternberg selbst hatte es bei seinem Heimatverein Jahn Hollenstedt bis zum Verbandsliga-Handballer gebracht. Größeres Aufsehen erregte er als Trainer. Durch seine Erfolge mit Niedersachsens Landesauswahl rückte er in den Fokus des Verbandes und übernahm 1988 für zwei Spiele das Nationalteam. Ein dauerhaftes Engagement lehnte er jedoch ab. Seinen Job als Lehrer in Horneburg wollte Sternberg nicht aufgeben.
1992 wurde er Co-Trainer der deutschen Frauen. Nicht nur sportlich eine besondere Zeit. Der DHB installierte mit dem Leipziger Doering, einst Olympiasieger mit der DDR, und seinem Assistenten Sternberg ein Ost-West-Gespann.
Großes Vertrauen im Trainerteam
Sternberg kannte Doering nur vom Hörensagen. Doch schnell entwickelte sich ein vertrauensvolles Verhältnis. „Wir waren handballerisch auf einer Wellenlänge“, sagt Sternberg. So konnte er im Training und im Spiel entscheidende Impulse setzen. Klar war aber auch: „Lothar war der Chef.“
In Deutschland war das Interesse am Frauenhandball gering. Die WM-Spiele wurden nicht im Fernsehen übertragen, dazu kam Kritik aus den eigenen Reihen. Sternberg erinnert sich an einige DHB-Funktionäre, die von der Personalpolitik nicht begeistert waren. „Wir hatten ja zwölf Spielerinnen aus dem Osten nominiert“, sagt er. „Da blies uns der Wind mehr ins Gesicht, als dass wir Rückenwind hatten.“
Deutschland mühte sich ins Turnier. Kritiker forderten den Rücktritt Doerings, der sich zuvor verbale Scharmützel mit Lützellindens Trainer Jürgen Gerlach geliefert hatte. Doch das Trainergespann blieb gelassen. Statt in die Halle ging es auch mal zum Rodeln in den Schnee.
DHB feiert sichere Medaille
Deutschland gewann alle Hauptrundenspiele und feierte die sichere Medaille. Im Finale gegen Dänemark um Superstar Anja Andersen habe man nichts zu verlieren gehabt, sagt Sternberg. Schon gar nicht vor 10.000 Zuschauern, wobei die meisten Plätze von dänischen Fans besetzt waren.
Zur Pause stand es 8:8, kurz vor Schluss glich Deutschland zum 17:17 aus. 30 Sekunden vor dem Ende der Verlängerung brachte Bianca Urbanke das DHB-Team mit 22:21 in Führung. Gegenangriff: Andersen zog ab, Torfrau Silke Adamik hielt. Das Wunder von Oslo war perfekt.
„Unsere Spielerinnen sind locker ins Spiel gegangen und haben sich nicht stressen lassen“, sagt Sternberg. Er selbst legte sich vor dem Finale schlafen.
Aus dem Team ragte unter anderem BSV-Handballerin und WM-Entdeckung Heike Axmann heraus. „Das war heute das allerschönste Geschenk für mich“, sagte sie am Tag nach ihrem 25. Geburtstag. Mit im Team war auch BSV-Spielerin Andrea Bölk.
Großes Ansehen in Buxtehude
Ein Jahr später wurde Sternberg mit Deutschland EM-Zweiter. „In Hollenstedt und Buxtehude war man schon sehr angesehen“, sagt er. 1995 übernahm Sternberg für zwei Jahre den BSV. „Wir hatten eine gute Mannschaft, aber ich habe sie nicht zusammenbekommen“, sagt er. Es reichte nur zu Platz sechs und sieben.
1999 betreuten Doering und er das deutsche Team noch einmal bei der WM. „Danach war Schluss. Ich hatte alles erreicht“, sagt Sternberg. Er trainierte Mannschaften in der Region, etwa Horneburg und Hollenstedt. Heute lässt er es etwas ruhiger angehen.
Aber ganz ohne Handball geht es nicht. Sternberg schaut sich die Spiele des BSV in der Halle Nord an, tauscht sich mit Trainer Dirk Leun aus, verfolgt die aktuelle WM. Für die deutsche Mannschaft hält er Platz sieben für ein realistisches Ziel. „Den Traum von einer Medaille würde ich erst mal hinten anstellen.“
Und in den entscheidenden Momenten werde es darauf ankommen, wie gut die Spielerinnen mit Stress umgehen. Vor 30 Jahren war das die Basis für den Titel.

Otto Sternberg, hier ein Foto von 2009, trainierte den BSV für zwei Jahre. Foto: BSV

Der BSV 1995: Otto Sternberg (hinten, rechs) führte das Team in seinem zweiten Jahr auf Platz sieben. Foto: BSV