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Interview

TDas haben Hagenbecks neue Chefs mit dem Tierpark in Hamburg vor

Walter Wolters (links) und Guido Westhoff vor dem thailändischen Sala (Pavillon) in Hagenbecks Tierpark.

Walter Wolters (links) und Guido Westhoff vor dem thailändischen Sala (Pavillon) in Hagenbecks Tierpark. Foto: Lorenz

Ein Zoo, zwei Chefs, 15.000 Tiere: Walter Wolters und Guido Westhoff bilden seit wenigen Monaten die neue Doppelspitze in Hagenbecks Tierpark.

Von Markus Lorenz Samstag, 24.05.2025, 21:00 Uhr

Hamburg. TAGEBLATT: Herr Westhoff, Herr Wolters, können Sie sich daran erinnern, was Sie bei Ihrem ersten Hagenbeck-Besuch gedacht haben?

Wolters: Ich bin ein Hamburger Jung und war als Kind mit der Schule zum ersten Mal hier. Damals hat mir das alte Affenhaus besonders imponiert mit den Orang-Utans, Gorillas und Schimpansen.

Westhoff: Ich komme aus Osnabrück und war 2008 zum ersten Mal bei Hagenbeck, um mich als Leiter des Tropen-Aquariums zu bewerben. Ich fand den Tierpark toll, mit dieser großartigen Parkanlage, dem traditionellen Ambiente und habe gedacht: Das wäre ein ganz fantastischer Arbeitsplatz.

Sie bilden zusammen die neue Geschäftsführung. Was haben Sie sich für den Tierpark vorgenommen?

Westhoff: Jeder Zoo entwickelt sich permanent und pausenlos weiter, auch Hagenbeck. Es geht um Standards und immer wieder neue Richtlinien und Ideen, wie sich Bedingungen optimieren lassen. Da haben wir ganz viel Arbeit vor uns, sowohl bei der Verbesserung vorhandener Gehege als auch bei Neubauten. Unser Ziel ist es, einerseits die Traditionen zu wahren und zugleich in der Tierhaltung ein moderner, attraktiver Tierpark zu sein. Und: Weil Hagenbeck ein wissenschaftlich geführter Zoo ist, geht es dabei immer auch um Artenschutz, Umweltschutz, Bildung und Forschung.

Welche konkreten Vorhaben gibt es?

Westhoff: Den Bau einer neuen Giraffenanlage, die nach vielen Jahren Planung kommen wird. Hagenbeck hat seit mehr als drei Jahren keine Giraffen mehr, weil das mehr als 100 Jahre alte Giraffenhaus nicht mehr den modernen Ansprüchen genügte. Auch wird es eine neue Wassertechnik fürs Eismeer geben, einschließlich einer Aussichtsplattform. Besucher können dann aus erhöhter Position auf die Walrösser und Eisbären blicken.

Wolters: Genauso wichtig ist die Erweiterung der Elefantenanlage und des Leopardengeheges. Und: Wir sind gerade dabei, das historische Eingangstor zu erneuern. Der Tierpark ist wunderschön und soll noch ein bisschen schöner werden.

Was genau passiert beim Leopardengehege?

Westhoff: Wir verdoppeln die Fläche nahezu und bauen ein weiteres Gehege an, um den Leoparden mehr Platz zu geben. Hagenbeck nimmt am europäischen Zuchtprogramm für nordchinesische Leoparden teil. Mit dem Ausbau wird unser Pärchen besser trennbar sein, denn Leoparden sind Einzelgänger. Mehr Platz ist auch von Vorteil, wenn neue Jungtiere kommen. Für die Besucher wird es dann allerdings mehr ein Versteckspiel (lacht).

Hinter Hagenbeck liegen harte Auseinandersetzungen zwischen Geschäftsführung und Beschäftigten, einschließlich des ersten Streiks in der Unternehmensgeschichte. Sind die Konflikte beigelegt?

Westhoff: Das war eine Auseinandersetzung zwischen dem vorherigen Geschäftsführer Dr. Dirk Albrecht und dem Betriebsrat. Insofern existiert diese Auseinandersetzung nicht mehr. Herr Wolters und ich haben die Aufgabe, eine neue Beziehung zum Betriebsrat aufzubauen. Das haben wir, denke ich, sehr erfolgreich angefangen, und wir sind auf einem guten Weg, mit dem Betriebsrat die einzelnen Punkte zu verhandeln.

Ziel des Streiks war der Abschluss eines Tarifvertrags. Wird es den geben?

Wolters: Es wird einen Haustarifvertrag geben. Bei Hagenbeck hat es 120 Jahre auch ohne Gewerkschaft sehr gut funktioniert. Wir sind beide sicher, dass wir da auch wieder hinkommen. Natürlich ist uns bewusst, dass die Mitarbeiter unser wertvollstes Gut sind. Mit ihnen wollen wir auf Augenhöhe gemeinsam die Zukunft des Tierparks gestalten.

Die Corona-Zeit mit der vorübergehenden Schließung war schwer für Hagenbeck. Wie geht es dem Tierpark jetzt?

Wolters: Die Leute kommen wieder, vor allem 2022 war ein sehr gutes Jahr.

Westhoff: Allerdings haben auch wir unter extremen Kostensteigerungen gelitten, insbesondere bei Energie, und mussten das zum Teil leider über Eintrittsgelder an die Besucher weitergeben. Aber insgesamt geht es dem Tierpark gut.

Merken Sie, dass ein Besuch bei Hagenbeck den Menschen gerade in Krisenzeiten wichtiger wird?

Wolters: Wer in den Tierpark geht, kann jedenfalls einfach mal abschalten vom Alltag. Man kommt rein und ist quasi in einer anderen, heilen Welt.

Westhoff: Das ist ein Kurzurlaub mitten in Hamburg. Die Parkanlage, die langen Blickachsen, das ist ein großer Wohlfühlort. Der wird wunderbar angenommen, weil er Menschen tatsächlich beruhigt. Wir sehen das auch in den Reaktionen auf Social Media. Es gibt Fanclubs, die ihren Hagenbeck-Besuch dort regelrecht feiern.

Auch jüngere Menschen?

Da haben wir eher ein Generationenproblem. Bei jüngeren Leuten ist die Offenheit für Zoos geringer als bei den älteren.

Woran liegt das?

Westhoff: Es gibt teils sehr stigmatisierte Sichtweisen, dass Zoos nicht gut sind, weil Tiere in Gefangenschaft gehalten würden. Es gilt für uns deshalb, viel Aufklärungsarbeit zu leisten, um die junge Generation zu informieren, in den Tierpark zu holen, damit sie sich ein eigenes Bild macht.

Früher war Walross Antje das Aushängeschild Hagenbecks. Haben Sie im Moment einen tierischen Superstar?

Wolters: Eine Antje in dem Sinne gibt es nicht, aber viele sehr bekannte und beliebte Tiere. Zum Beispiel unsere Elefanten wie Mogli oder unsere Orang-Utan-Dame Bella, die gerade Geburtstag gefeiert hat.

Westhoff: Auch wenn es Antje nicht mehr gibt, sind unsere Walrosse weitreichend bekannt.

Haben Sie einen Geheimtipp für Besucher?

Wolters: Eigentlich nicht. Es gibt praktisch keine Tiere, zu denen niemand geht oder die man nicht sieht. Selbst wenn die Tiger schlafen, dann begeistern eben die Goldkarpfen im Graben die Besucher am Tigergehege.

Westhoff: Wenn man sich im Tropen-Aquarium mal Zeit nimmt, kann man ganz viel entdecken. Einfach mal ein Fischpärchen beobachten, wie die beiden miteinander kommunizieren, aufeinander aufpassen, andere verjagen und das Revier verteidigen. Da passiert so viel. In unserer schnellen Welt, in der wir ständig denken, dass alles sofort passieren muss, sonst klick ich weg, sind solche Beobachtungen verloren gegangen. Das kann man hier wiederfinden.

Wenn Sie sich eine Tiergattung wünschen könnten für den Tierpark, welche wäre das?

(beide lachen) Westhoff: Ganz viele. Aber im Tierpark ist es ja nicht wie beim Schuhekaufen. Man hat natürlich Leidenschaften für die eine oder andere Tierform. Gerade haben wir etwa die Gürteltiere reingebracht, weil wir bisher keine sogenannten Nebengelenktiere hatten. Auch Nilpferde könnte ich mir vorstellen. Aber wir haben viele, viele Baustellen, weshalb wir jetzt nicht über ganz große, völlig andere Sachen nachdenken.

Wolters: Mir würden auch einige einfallen. Ich bin ja Ornithologe. Bei Hornvögeln, wie zum Beispiel Tukane, sind wir bisher schwach oder gar nicht besetzt.

Kommen Ihre tierischen Neuzugänge eigentlich alle aus Zuchten oder gibt es noch Wildfänge?

Westhoff: Im Säugetierbereich gibt es überhaupt keine Wildfänge mehr, auch nicht bei Reptilien und kaum bei Vögeln. Bei Seewasserfischen gehen Wildfänge ebenfalls immer weiter zurück.

Die Artenvielfalt auf dem Planeten ist akut bedroht. Beschäftigt Sie das auch als Geschäftsführer eines solchen Zoos?

Westhoff: Mich beschäftigt das jeden Tag, sogar jede Nacht. Und das ist einer der wichtigsten Gründe, warum ich hier arbeite. Manche sehen im Verlust der Biodiversität eine größere Bedrohung als im Klimawandel. Die Funktion eines Zoos ist es, der Gesellschaft zu zeigen: Guckt mal, was da draußen für Tiere sind, die so eminent wichtig sind, auch für unser eigenes Überleben.

Haben die Hagenbeck-Chefs selbst Tiere zu Hause?

Wolters: Oh ja, ganz viele. Angefangen bei zwei Familienhunden, meine Frau züchtet Kaninchen, und ich habe auch ein paar Vögel daheim.

Westhoff: Ich hatte früher sehr, sehr viele Tiere zu Hause. Das hat sich auf meine drei Kinder verlagert. Die haben ein Aquarium, Schlangen, ein Gecko und Stabheuschrecken.

Zur Person

Walter Wolters (59) ist gebürtiger Hamburger und nahezu sein gesamtes Leben mit Hagenbeck verbunden – zunächst als begeisterter Besucher, später als Mitarbeiter. Dort absolvierte er die Ausbildung zum Tierpfleger, war später lange Zeit Cheftierpfleger und Tierparkinspektor. Nach kurzen Ausflügen als Leiter des Westküstenparks in St. Peter-Ording und des Wildgeheges Klövensteen holte Hagenbeck den Vogelfachmann Ende 2024 zurück und betraute ihn mit der Co-Geschäftsführung. Der 59-Jährige hat drei Kinder und lebt im Kreis Steinburg.

Guido Westhoff (56) kommt aus Osnabrück und wurde 2009 bei Hagenbeck Leiter des Tropen-Aquariums. 2021 stieg der promovierte Biologe zum Zoologischen Direktor auf und nun zum Geschäftsführer. Auch Schlangenexperte Westhoff ist dreifacher Vater, die Familie wohnt in Rellingen (Kreis Pinneberg).

Der Tierpark Hagenbeck wurde 1907 am jetzigen Standort in Stellingen eröffnet. Dort leben heute etwa 1800 Tiere – rechnet man das Tropen-Aquarium samt den Wirbellosen hinzu, sind es weit mehr als 15.000. Der Zoo befindet sich unverändert im Besitz der Familie Hagenbeck. Dort arbeiten etwa 170 Beschäftigte

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