TDer „Oma-Mörder“ zieht sich für seine Taten Socken über die Hände
Volker Ortgies (Direktor der Ortspolizeibehörde) in der Asservatenkammer des Polizeimuseums. Foto: rm
Der Inhalt der Schachtel Nummer 9 legt Zeugnis ab über eine erschütternde Mordserie: Ein Paar karierte Socken und ein grünes Kissen reichten dem Täter, fünf Frauen umzubringen. Die Bremerhavener Polizei öffnet eine besondere Asservatenkammer.
Bremerhaven. Hier haben Waffen, Falschgeld und aufgebrochene Safes aus Kriminalfällen in Bremerhaven ein Zuhause gefunden: im Polizeimuseum, dessen Räume selbst schon Geschichte schreiben. Jahrzehntelang saß hier ein, wer einer schweren Tat beschuldigt wurde oder wenigstens seinen Rausch ausschlafen musste. Das frühere Polizeigewahrsam beherbergt aber nun schon seit mehr als 20 Jahren das vermutlich bundesweit einzigartige Kriminalmuseum und die Lehrmittelsammlung der Ortspolizeibehörde. In 24 Zellen ist zu sehen, was von den Gräueltaten übrig blieb: Geschichten von Tätern, Opfern – und der Jagd auf Verbrecher.
Zweck des Museums sei kein unterhaltsamer Rundgang mit Gänsehaut-Atmosphäre für die Besucher, sondern in erster Linie Prävention und Aufklärung, sagt Volker Ortgies. Der Direktor der Ortspolizeibehörde ist kraft Amtes auch Vorsitzender des Fördervereins für Polizeigeschichte und Kriminalprävention, der die Schau betreibt. Zu beinahe jedem Exponat aber weiß Ortgies eine Geschichte zu erzählen - zeigt Attrappen von Revolvern, die täuschend echt aussehen, Raketenwerfer, die in Garagen sichergestellt wurden, eine Mistforke, mit der vor 70 Jahren Polizisten bedroht wurden.
Die Ausstellung muss besonders gesichert werden
Erwürgt, erhängt, erschossen, massakriert – womit auch immer: Das Museum starrt vor Waffen. 760 Exponate wurden vor Jahren gezählt, vom Messer-Handschuh bis zur Machete, allesamt Zeugnisse Bremerhavener Polizeigeschichte. Die Galerie der oft skurrilen Tatwaffen fungiert zugleich als Lehrmittelsammlung, die Polizisten in Ausbildung verdeutlichen soll, was sie im Alltag erwartet.
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Das Museum selbst ist aufwendig mit Alarmanlage und schweren Schlössern gesichert, die meisten Zellen sind zusätzlich verriegelt. „Es sind ja echte Waffen, die hier gezeigt werden“, sagt Ortgies. Es ist aber auf den ersten Blick der unscheinbarste Raum, in dem den Besuchern eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken laufen könnte: die Asservatenkammer mit vielleicht 40, 50 nicht fortlaufend nummerierten Pappschachteln. Ihr Inhalt eint, dass er ausschließlich von aufgeklärten und abgeschlossenen Fällen handelt. „Die Staatsanwaltschaft muss ihre Erlaubnis geben, die Exponate hier zu zeigen“, sagt Ortgies.
Die Socken vom „Oma-Mörder“
Wie etwa die karierten Burlington-Socken, die sich der „Oma-Mörder“ 2001 über die Hände zog, um innerhalb von zehn Tagen fünf pflegebedürftige Rentnerinnen mit einem Sofakissen zu ersticken. Seine Taten wurden nur entdeckt, weil er sein sechstes Opfer tot glaubte, die Frau aber nur bewusstlos war.
Der „Oma-Mörder“ tötete für eine Handvoll Bargeld, um eine Prostituierte mit seinem luxuriösen Lebensstil zu beeindrucken und die Frau für sich zu gewinnen.
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Dass der Altenpfleger seine früheren Patientinnen gewaltvoll tötete, wurde bei der Leichenschau in vier Fällen von den Hausärzten übersehen. „Der Fall ist Anlass für die zusätzliche Leichenschau, die heute Pflicht ist“, weiß Ortgies.
Auch das liegt in der Schachtel: Ein Plastikschwert, ein Kinderspielzeug. „Sehr tragisch“, sagt Ortgies. Ein Siebenjährige hatte seinem Großvater damit beim Spielen zweimal auf den Kopf geschlagen. Als Opa „einschlief“, legte sich auch das Kind schlafen - nicht ahnend, dass er durch die Hiebe an einer Hirnblutung gestorben war. „Eine Strafverfolgung gab es nicht.“

Ein Raum des Polizeigewahrsams ist original erhalten: eine Zelle. Vier Meter lang, 1,50 Meter breit, Holzpritsche und Klo zeigen: Verbrechen lohnt sich nicht. Foto: rm
Dieser Bankraub ist „dumm gelaufen“
Eine Perücke und eine Sonnenbrille erinnern an den Fall eines Räubers, der 1977 die Deutsche Bank in der „Bürger“ überfallen und sich wenig später selbst getötet hatte, als er sich von der Polizei in die Enge getrieben sah. „Dumm gelaufen“ könnte man dagegen über die Geschichte eines anderen Bankräubers urteilen. Ortgies zeigt einen portugiesischen Escudo-Geldschein. Der elegant mit Nadelstreifen-Anzug gekleidete Räuber hatte vom Kassierer eine prall gefüllte Einkaufstüte erhalten - außer den Escudos auch griechische Drachmen. Wert: nicht einmal 200 D-Mark. Der Mann war von seiner wohlhabenden Freundin rausgeschmissen worden, war mittellos, brauchte Geld und wurde so zum Räuber. Als er seinen Frust nach der Tat in einem Lokal in der Innenstadt herunterspülen wollte, wurde er noch vor dem ersten Bier festgenommen.