Zähl Pixel
Schnellere Termine?

TDer „Witz“ um die Hausärzte-Reform: Mediziner spricht von Mogelpackung

Dr. Jan Helge Kurschel sagt: Hausärztliche Einzelpraxen werden es schwer haben.

Dr. Jan Helge Kurschel sagt: Hausärztliche Einzelpraxen werden es schwer haben. Foto: Polgesek

Keine Budget-Grenzen mehr: Ärzte sollen dadurch ermutigt werden, mehr Patienten aufzunehmen. Doch funktioniert das wirklich? Was dieser Arzt kritisiert.

Von Denise von der Ahé Sonntag, 30.03.2025, 13:35 Uhr

Bremerhaven. Mit der noch von der Ampel-Regierung beschlossenen Abschaffung der Honorar-Obergrenze für Hausärzte hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zusätzliche Termine für Patienten in Aussicht gestellt. Wird die Patientenversorgung in Bremerhaven durch den Wegfall der Hausärzte-Budgets verbessert? Dr. Jan Helge Kurschel, Hausarzt und Bezirksstellenvorsitzender der Ärztekammer in Bremerhaven, bleibt skeptisch - und erklärt warum.

Sorgt der Wegfall der Budgetgrenze, bis zu der abgerechnet werden durfte, bei Ihnen für gute Laune?

Dr. Jan Helge Kurschel: Ich bin definitiv für eine Aufhebung der Budgets für alle Arztgruppen. Wie es jetzt aber umgesetzt werden soll, ist es keine Entbudgetierung. Lauterbachs Gesetz ist leider eine Mogelpackung. Meine Befürchtung ist, dass es nicht zu einer Verbesserung der Situation in den Hausarztpraxen insgesamt kommt.

Was kritisieren Sie genau?

Im Bundesland Bremen wird seit einigen Quartalen nicht quotiert, das heißt 100 Prozent der erbrachten Leistung ausgezahlt. Das liegt zum Teil daran, dass es insgesamt nicht so viele Ärzte gibt. Derzeit besteht für Bremerhaven eine drohende Unterversorgung. Letztlich sind die Hausärzte in Bremerhaven hinsichtlich ihrer Fallzahlen bereits am Limit. Damit kann auch eine Entbudgetierung keine Ressourcen eröffnen. Zudem wurde durch das Bundesgesundheitsministerium festgelegt, dass die Aufhebung der Honorar-Obergrenzen nicht zu Mehr- oder Minderausgaben für die Krankenkassen führen darf. Entbudgetierung bei gleichen Kosten? Für mich ein Widerspruch in sich und nicht der Einzige.

Welche Probleme gibt es noch?

Skurril ist außerdem, dass das neue sogenannte Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz ähnlich wie bei den Krankenhäusern Vorhaltepauschalen für Hausärzte vorsieht – einfach dafür, dass sie mit ihrem Angebot die Versorgung sicherstellen. Der Witz ist: Die gibt es bereits. Bei manchen Ärzten macht diese Pauschale fast ein Drittel des Umsatzes aus.

Im neuen Gesetz wird diese durch eine neue Vorhaltepauschale ersetzt, die nun aber an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft wird. Danach muss ein Hausarzt eine bestimmte Zahl an Haus- und Heimbesuchen leisten. Die Öffnungszeiten seiner Praxis müssen bedarfsgerecht sein, das heißt: Er muss vielleicht eine Abend-Sprechstunde anbieten. Auch eine Mindestzahl an Patienten muss er versorgen. Die Nutzung der neuen digitalen Anwendungen wird zudem verpflichtend. Wenn man das alles erfüllt, bekommt man wahrscheinlich mehr als die jetzige Vorhaltepauschale. Aber für viele Einzelpraxen wird das sehr schwierig in der Umsetzung sein.

Warum?

Sagen Sie mal einem Einzelkämpfer: Öffne doch auch noch einmal am Sonnabend und abends. Hinzu kommen Notdienste sowie Heim- und Hausbesuche in ausreichender Zahl. Wie soll ein einzelner Hausarzt das leisten? Das ist kaum umsetzbar und macht den Job eher noch unattraktiver. Das Gegenteil wäre aber dringend erforderlich, um dem Ärztemangel etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen. Es wird daher zu einer deutlichen Umverteilung hin zu großen Gemeinschaftspraxen kommen. Gerade hausärztliche Einzelpraxen werden es schwer haben, ihre Fallwerte zu halten.

Ein weiterer Kritikpunkt: Für bestimmte hausärztliche Leistungen wie Ultraschalluntersuchungen und die psychosomatische Grundversorgung werden die Honorar-Obergrenzen gar nicht abgeschafft. Da bleiben wir gedeckelt. Dabei wäre eine Aufhebung an der Stelle interessant gewesen.

Das heißt: Patienten können eher nicht auf schnellere Termine und kürzere Wartezeiten hoffen?

Die Neuregelung trägt jedenfalls nicht dazu bei, die Anreize für Ärzte diesbezüglich zu erhöhen. Nehmen wir das Beispiel einer chronisch kranken jungen Frau mit einer Schilddrüsen-Unterfunktion, die sich einmal im Quartal kurz ihr Rezept für ein Medikament herausholt. Sie wird genauso wie eine 90 Jahre alte Patientin mit diversen Erkrankungen eingestuft, die ich viele Male im Quartal sehe. Im ersten Fall verdiene ich relativ schnell mein Geld, im zweiten Fall sehr aufwendig. Insgesamt handelt es sich um eine Mischkalkulation.

Im neuen Gesetzentwurf will man nun die leichten chronischen Fälle an Jahrespauschalen binden und diese im Vergleich zu den jetzigen quartalsbezogenen Pauschalen geringer vergüten.

Über die Vorstellungspflicht des Patienten nur noch einmal im Jahr sollen dann Kapazitäten für neue Patienten geschaffen werden. Hier wird verkannt, dass genau diese Patienten kaum Arbeit in der Praxis verursacht haben. Zusätzliche Zeit zur Versorgung von neuen Patienten wird aus dieser Regelung nicht resultieren, das heißt: keine schnelleren Termine.

  • Lauterbach zur Entbudgetierung

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte laut Ärzte-Zeitung zur Entbudgetierung für Hausärzte: „Wenn leicht chronisch Kranke nicht mehr alle drei Monate für die Quartalspauschale des Arztes in die Praxis einbestellt werden müssen, wenn zusätzliche Patienten abgerechnet werden können, wird auch wieder mehr Zeit sein für neue Patienten. Einen Termin beim Hausarzt zu bekommen, wird endlich wieder deutlich einfacher – insbesondere für gesetzlich Versicherte.“

Weitere Artikel