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Interview

TDeshalb hält Steven Gätjen sein Privatleben aus der Öffentlichkeit

Am kommenden Freitag startet Steven Gätjen als Co-Moderator einer der ältesten deutschen Fernsehtalkshows und ist Gastgeber der „NDR Talk Show“ an der Seite von Bettina Tietjen.

Am kommenden Freitag startet Steven Gätjen als Co-Moderator einer der ältesten deutschen Fernsehtalkshows und ist Gastgeber der „NDR Talk Show“ an der Seite von Bettina Tietjen. Foto: Christian Charisius/dpa

Entspannt und „in aller Gelassenheit“ stellt Moderator Steven Gätjen sich den Fragen, getreu seinem eigenen Credo. Mit einer Ausnahme: Sein Privatleben ist tabu. Zumindest öffentlich.

Von Guido Behsen Sonntag, 26.01.2025, 12:01 Uhr

Hamburg. TAGEBLATT: Warum haben Sie eigentlich noch keine Koch- oder Gastro-Show moderiert, wären Sie als Mitbesitzer eines Restaurants in New York nicht geradezu prädestiniert dafür?

Steven Gätjen: Ich bin, was Kochen angeht, nicht sonderlich begabt (lacht). Ich kann kochen, aber das ist jetzt nix, was Leute im Fernsehen sehen wollen. Das Restaurant war damals eine fixe Idee, zusammen mit einem Freund. Es war ursprünglich eine Bar, dann ist daraus ein Restaurant und Club geworden. Es war lustig und klang cool, wenn man sagen konnte, ich habe ein Restaurant in New York. Aber am Ende hat es nicht hingehauen, wenn man nicht ständig vor Ort ist. Wir haben das dann schon vor längerer Zeit gemeinschaftlich zu Grabe getragen.

Sind Sie eigentlich ganz froh, durch Ihren neuen Job künftig den USA unter Donald Trump und Elon Musk etwas mehr den Rücken kehren zu können?

Zunächst mal freue ich mich, endlich mal einen Job zu haben, der mich auch in Hamburg arbeiten lässt. Von der eigenen Wohnung in einer Viertelstunde im Studio beim NDR zu sein, ist mega. Was in meinem Geburtsland gerade stattfindet, politisch und mit den Milliardären, die sich Donald Trump jetzt noch zusätzlich anbiedern, stimmt mich schon sehr nachdenklich. Dass die USA jetzt in die Hände von absurden Oligarchen fallen, ist extrem gefährlich. Und was zum Beispiel Mark Zuckerberg mit seinen sozialen Kanälen Facebook oder Instagram vorhat, das erschüttert mich bis ins Mark. Aber wenn man sich anschaut, was politisch gerade in Deutschland passiert vor den anstehenden Bundestagswahlen, dann müssen wir auch aufpassen. Wir Deutschen sind immer gut, mit dem Finger auf andere zu zeigen.

„Wir sind ein bißchen zu verbittert und verbiestert“

Glauben Sie trotzdem noch an den „American Way of Life“, von dem Sie oft geschwärmt haben?

Es gibt immer noch viele Dinge, die ich an der amerikanischen Mentalität schätze. Die Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär ist vielleicht etwas plump und klischeebehaftet. Aber ich glaube schon, dass man auch seines eigenen Glückes Schmied ist. Und diese Leichtigkeit und positive Art vieler Menschen in den USA ist etwas, was ich schätze. Ich habe manchmal in Deutschland das Gefühl, dass wir ein bisschen zu verbittert und verbiestert sind. Aber der American Way of Life ist vor den jüngsten Ereignissen, wenn man sich etwa die Brände in Los Angeles anschaut, nicht mehr real. Da sind Menschen, die ihr Hab und Gut verloren haben, die sind nicht versichert und schlagen durch das soziale Netz krachend auf den Boden. Die Obdachlosigkeit hat ein absolutes Allzeit-Hoch erreicht. Die Fentanyl-Problematik an der Westküste können wir uns hier gar nicht vorstellen in ihrer Dimension. In San Francisco Downtown kann man abends nach 18 Uhr nicht mehr rausgehen, weil da Drogensüchtige vegetieren und eine Kriminalität und Brutalität erwächst, die mich wirklich erschrecken lässt.

Sie moderierten ganz unterschiedliche Sendungen bei verschiedensten Sendern, konnten Sie sich bislang nicht entscheiden?

Ich habe grundsätzlich eine große Neugier in mir und habe das große Glück, dass mir unterschiedliche Herausforderungen zugetraut werden. Einige habe ich vielleicht gut, andere schlecht gemacht. Aber nur dadurch lerne ich ja auch und finde am besten heraus, was mir liegt. Dass ich bei der „NDR Talk Show“ gelandet bin, ist eine spannende Herausforderung und habe ich so nie erwartet. Aber ich weiß auch: Nichts muss für immer sein. Mein Lebenslauf ist bunt. Und ich möchte ihn gern bunt halten.

Sind Sie aufgeregt vor der ersten Sendung?

Total. Ich bin vor jeder Sendung aufgeregt. Aber für mich ist das auch etwas Positives. Aufgeregtheit bedeutet auch, dass ich mich konzentriere und mich akribisch auf eine Sendung vorbereite. Aus Respekt vor den Gästen, aber auch vor meinem Team, bei dem sich auch jeder intensiv vorbereitet. Das ist meine Form von Arbeitsethik.

Gegenseitiger Respekt

Erschöpfen sich nach über 1000 Interviews mit Stars und Sternchen nicht irgendwann auch mal Interesse oder Neugier auf Menschen?

Eigentlich nicht. Ich gehe nie in ein Interview und will etwas aggressiv herausfinden oder provozieren. Wenn man eine schöne Gesprächsatmosphäre schafft, kommt meistens auch ganz viel Persönliches dabei heraus. Natürlich gibt es Gespräche, wo jemand eine Rolle spielt oder das Management Fragen und Regeln vorgibt, von denen nicht abgewichen werden soll. Das finde ich ermüdend und eine Tendenz in unserer Branche, die sich nicht gehört. Das gehört auch zum gegenseitigen Respekt.

Sie haben mal gesagt: „Wenn ich moderiere, denke ich immer an den Einzelnen, der vor dem Fernseher sitzt.“ Echt jetzt?

Als mein Bruder noch junger Schauspieler war, hat er mal einen Funker in einem U-Boot gespielt, der nur im Hintergrund zu sehen war. Für die Rolle hat er über Tage perfekt das Morse-Alphabet gelernt. Seine Begründung war: Wenn auch nur einer im Publikum merkt, ich kann das nicht, dann raube ich demjenigen doch die Illusion. Ich finde das sehr treffend. Auch für die Ernsthaftigkeit meiner Moderation und den Respekt vor Zuschauern und Zuschauerinnen.

Beim MTV-Casting ist der Moderator durchgefallen

Sie werden manchmal „Show-Moderator“ genannt, ist das eine Adelung oder eher etwas despektierlich gemeint wie die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik?

Das ist genauso, wie wenn jemand sagt „Du moderierst alles weg“. Dann weiß ich manchmal nicht, ob das nett gemeint ist oder mich jemand als wandelnden Bauchladen sieht. Tatsächlich moderiere ich ja auch Shows und vielleicht braucht es diese Klassifizierung. Entertainer wäre womöglich zu hochgestochen, das waren ja Menschen wie Joachim Fuchsberger. Ich hinterfrage das in der Sekunde aber gar nicht. Show-Moderator ist für mich nichts Negatives.

Während Ihrer Ausbildung wurde Ihnen das Talent als Moderator abgesprochen, denken Sie manchmal noch daran zurück?

Ich habe am Anfang meiner Karriere ein Casting für MTV gemacht und der Verantwortliche hieß Shelby Taylor. Der sagte damals, ich sei ein echt netter Junge, aber vor der Kamera würde das nie etwas mit mir. Ich habe Shalby Taylor gerade vor zwei, drei Monaten über die sozialen Medien mal wieder kontaktiert, nachdem ich seit über 20 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm hatte. Er antwortete: „Ich habe gehört, Steven, du bist jetzt so ein „household name“ im Fernsehen, also ein Markenzeichen, das freut mich sehr.“ Das war schon witzig. Man sieht daran, wie subjektiv unser Geschäft ist. Und, um George Clooney zu zitieren: Man lernt nicht aus Erfolgen, sondern man lernt aus Niederlagen.

Wann waren Sie das letzte Mal auf dem Fischmarkt, den Sie eigentlich für ein „Muss“ halten?

In jüngeren Jahren war ich das häufiger. Samstags erst auf den Kiez, morgens auf dem Fischmarkt noch ein Bierchen trinken. Danach in Erika’s Eck auf der Schanze mit Freunden plaudern. Aber mittlerweile bin ich froh, wenn ich am Wochenende nicht arbeiten muss, sondern mal ausschlafen kann. Aber ich muss das unbedingt mal wieder machen.

„Hamburg ist wunderschön“

Warum ist und bleibt für Sie Hamburg als Lebensmittelpunkt die große Liebe?

Irgendwann muss man sich entscheiden, was möchte man gerne im Leben noch tun. Ich habe einen ganz tollen Job, der mich überall auf der Welt für kurze Zeit zu Hause sein lässt. Aber für mich sind meine Familie und meine Freunde total wichtig. Die sind mein moralischer Kompass. Die mich in den Arm nehmen, mir sagen was ich richtig oder falsch mache. Außerdem finde ich, Hamburg ist eine tolle Stadt und wunderschön. Ich mag den norddeutschen Schnack, die Weltoffenheit, die vielen Gegensätze: Reeperbahn, Schanze, Harvestehude, Blankenese, Alster, Elbe. Und dann auch wieder das manchmal etwas Provinzielle. Ich lebe einfach gerne hier.

Warum ist Ihr Privatleben öffentlich völlig tabu?

Es gibt nur schwarz und weiß im Privatleben. Wenn man erst mal anfängt, über Privates zu plaudern, dann wird darüber automatisch viel geschrieben und spekuliert. Ich habe mich irgendwann gemeinschaftlich mit den Menschen, die in meinem Leben eine wichtige Rolle spielen, dagegen entschieden.

Waren Sie sauer auf Tom Cruise, als der öffentlich Ihre erste Vaterschaft ausplapperte?

Tom Cruise hat das gesagt, und man muss Tom Cruise fragen, ob das auch stimmt. (lacht)

„Toll, wie die Amerikaner ihre Feuerwehren feiern“

Kann die jährliche Oscar-Verleihung vor dem Hintergrund der verheerenden Brände in Los Angeles eigentlich wie üblich Anfang März über die Bühne gehen, als wäre nichts gewesen?

Ich habe die Oscar-Verleihung nach den Terroranschlägen 9/11 miterlebt. Damals hat die Oscar-Academy gesagt, wir wollen ein Licht im Dunkel sein. Sie hatte den roten Teppich gesperrt, alles war in Schwarz. Ich finde die Idee absolut richtig, etwas Positives auszustrahlen, den Menschen etwas Hoffnung zu geben und zu sagen, wir müssen etwas Licht ins Dunkel bringen. Ich glaube, dass die Oscars auf jeden Fall stattfinden werden. Man wird sehen, wie. Aber Hollywood ist grundsätzlich extrem politisch und die Film-Community wird sehr darauf bedacht sein, die Menschen zu ehren, die aktuell über sich hinauswachsen. Das sind die Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen. Wenn ich mir gerade vor dem Hintergrund der Silvesternacht bei uns anschaue, was für ein Hass Rettungskräften manchmal entgegenschlägt, finde ich toll, wie stolz die Amerikaner auf ihre Feuerwehren sind und das auch feiern. Den nötigen Respekt zwischen Ernsthaftigkeit und Lockerheit finden, das können Amerikaner besser als jede andere Nation.

Zur Person

Steven Gätjen (52) hat in seiner Karriere bereits 20 verschiedene TV-Sendungen moderiert, dazu Hunderte Galas und internationale Filmpremieren in den USA und Europa. Besondere Beliebtheit erreichte er durch seine Zusammenarbeit mit Stefan Raab und als Mann am roten Teppich bei den Oscar-Verleihungen in Los Angeles. An die 1000 Interviews hat er nach eigenen Angaben bereits geführt, das erste bereits mit 14 Jahren als Schulpraktikant mit Herbert Grönemeyer für die Zeitschrift „Tempo“. Am kommenden Freitag (31. Januar) startet er als Co-Moderator einer der ältesten deutschen Fernsehtalkshows und ist Gastgeber der „NDR Talk Show“ an der Seite von Bettina Tietjen.

Gätjen wurde im September 1972 als Sohn einer Journalistin und eines Arztes in Phönix im US-Staat Arizona geboren und hat auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Als er drei Jahre alt war, kehrte die Familie zurück in die Heimat nach Hamburg. Er verbrachte Kindheit und Jugend in den Elbvororten und startete seine journalistische Karriere beim Radiosender OK Radio. Zur Weiterbildung war er unter anderem an der University of California in Los Angeles und an der Hollywood Filmschool in San Francisco. Gätjen lebt mit seiner Familie im Hamburger Westen.

Persönliches

Lieblingsplatz meiner Kindheit? Die Elbe! Am Falkensteiner Ufer oder am Bismarckstein auf dem Waseberg in Blankenese, von dem man einen sensationellen Blick die Elbe runter und auf den Strand hat.

Lieblingsclub meiner Jugend? Das Bronx in Rissen, da kamen aus den Elbvororten alle hin, das war so etwas wie ein zweites Zuhause.

Lieblingsverein im Fußball? Hach, da muss man ja aufpassen: Ich bin ein alter HSVer, der aber auch Sympathien für den FC St. Pauli hegt.

Lieblingsgericht in Hamburg? Der Kuchen vom Café Witthüs im Hirschpark.

Lieblingsgericht in New York? Das war komischerweise immer Frühstück in diesen typischen Cafés, bei dem ich mit meinem Freund jedes Mal eine ganze Flasche Ketchup vernichtet habe.

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