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TDie Hüter der Cannabis-Muttis: Buxtehudes geheime Hanf-Plantage

Die dritte Ernte wächst heran: Konstantin Glodzinski in der Anbauhalle mit noch jungen Cannabispflanzen.

Die dritte Ernte wächst heran: Konstantin Glodzinski in der Anbauhalle mit noch jungen Cannabispflanzen. Foto: Richter

Buxtehude hat eine Cannabis-Plantage. Ein Verein baut hier für seine Mitglieder an - ganz legal. Wo das Zeug wächst, wird trotzdem geheim gehalten. Ein Besuch.

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Von Anping Richter
Montag, 15.09.2025, 19:20 Uhr

Buxtehude. Cannabis Club? Klingt entspannt. Das hatte Konstantin Glodzinski jedenfalls gedacht, als er vor zwei Jahren mit ein paar Freunden beschloss, einen zu gründen. Das hat geklappt. Doch der erste Vorsitzende des Vereins namens urbs.ociety kann die Früchte seiner Anstrengungen zwar ernten, aber nicht wirklich genießen.

„Ich kiffe gerade gar nicht. Das schaffe ich vom Arbeitspensum her nicht, und außerdem muss ich viel Auto fahren“, sagt Glodzinski. Der Verein hat seinen Sitz in Hamburg. Die Ausgabe für die Clubmitglieder liegt nahe dem Rödingsmarkt an der Deichstraße. Doch angebaut wird in Buxtehude, und die unzuverlässige S-Bahn-Verbindung ist nicht das Einzige, was Glodzinski und seinen Mitstreitern von urbs.ociety im ersten Jahr seit der Gründung zu schaffen gemacht hat.

Strenge Regeln und Papierkrieg

Urbs kommt von urban und vom englischen herbs, also Kräuter. Seit 1. April 2024 ist es legal möglich, sich in sogenannten Cannabis Social Clubs, also Anbauvereinen, zusammenzutun, um für den Eigenbedarf anzupflanzen und zu ernten – unter Einhaltung eines strengen Regulariums.

„Hätte ich gewusst, worauf ich mich einlasse, hätte ich es wahrscheinlich nicht gemacht“, sagt Konstantin Glodzinski mit Blick auf Papierkrieg, Finanzierung und Arbeitsbelastung. Zuerst widmete er sich der Sache in Teilzeit neben seinem Beruf als Architekt. Inzwischen ist er längst in Vollzeit für urbs.ociety tätig. Sein Gehalt zahlt eine GmbH, deren Geschäftsführer er ist. Sie vermietet die Anlage an den Verein, sodass Geschäftsführung und Gärtner bezahlt und die Investitionen in die Anlage refinanziert werden können, in die ein immerhin sechsstelliger Betrag investiert wurde.

Kein kommerzieller Anbau

Die Entscheidung für Buxtehude fiel, weil es für Jamil Hayder, den Vereinsgärtner mit zehn Jahren Erfahrung im biodynamischen Gemüseanbau, gut erreichbar ist. Er wohnt südlich der Elbe. Der Standort weist außerdem die geforderten 100 Meter Mindestabstand zu Schulen, Kitas und Spielplätzen und 200 Meter zu Jugendeinrichtungen und Sportstätten auf. Und vor allem: Der Vermieter hat kein Problem mit dem Projekt.

Team-Sitzung im Vorraum der Anbauhalle der urbs.ociety in Buxtehude.

Team-Sitzung im Vorraum der Anbauhalle der urbs.ociety in Buxtehude. Foto: Richter

Die Zusammenarbeit mit der Stadt war super, sagt Glodzinski. Er zeigt auch Verständnis für die strengen Regeln: „Es soll halt niemanden aus dem illegalen Bereich anziehen.“ Deshalb dürfen Cannabis Clubs nicht kommerziell arbeiten, und eine professionelle Sucht- und Präventionsbeauftragte ist Vorschrift.

„Wir geben bewusst erst an Menschen über 21 Jahren aus“, sagt Konstantin Glodzinski. Ab 18 Jahren wäre es erlaubt, doch der Verein wolle sicher gehen, dass seine Mitglieder die Reife haben, sich des Suchtrisikos bewusst zu sein. Eine Ausweiskontrolle und eine App, mit der verifiziert wird, dass nur die autorisierte Person das Cannabis abholt, gehören dazu.

Warum der Anbauort in Buxtehude geheim ist

Die Buxtehuder Anbau-Halle ist sogar mit Adresse und Wegbeschreibung nicht ganz leicht zu finden. Der Ort soll geheim bleiben. „Damit wir nachts ruhig schlafen können.“ Zum Schutz vor Kleinkriminalität oder Vandalismus gibt es auch eine Videoüberwachung, die Außenfenster sind mit Metallplatten verbarrikadiert. Von außen lässt nur ein diskretes Türschild mit der Aufschrift urbs.ociety erahnen, was hier passiert: Cannabis-Anbau in Bio-Qualität.

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Die Räume, in denen die Pflanzen unter kontrollierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit wachsen, dürfen erst nach dem Absprühen mit einer Desinfektionslösung betreten werden. Keine Pilzsporen, keine Insekten, keine Keime sollen sie gefährden. „Manchen ist es im Grow Room zu hell“, sagt Glodzinski und bietet eine Sonnenbrille an, bevor er die Tür öffnet.

Mitglieder helfen bei der Cannabisernte

Im gleißenden Licht vieler Lampen stehen leuchtend grün die Pflanzen. Ihre unverkennbaren fünfgliedrigen Blätter bewegen sich leicht im Wind der Lüftungsanlage. Der Gärtner hat gerade Urlaub - wohlverdient: Die zweite Ernte sei gerade erst abgewickelt und „extrem anstrengend“ gewesen, sagt Glodzinski.

Nach der Ernte müssen die Pflanzen getrocknet, getrimmt und verpackt werden. Das schaffen drei in Vollzeit angestellte Mitarbeiter und sechs Minijobber nicht ohne ehrenamtliche Unterstützung. Zwei Tage pro Jahr sind für Mitglieder Pflicht. „Aber viele machen das sowieso gerne. Das ist Teil des Community-Feelings.“

Nur die Muttis haben die begehrten Blüten

Die heranwachsende dritte Ernte ist noch keinen Meter hoch. Nur weibliche Pflanzen entwickeln die harzhaltigen Blüten mit dem begehrten Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol). Deshalb sind hier alle Pflanzen weiblich und Ableger der sogenannten „Muttis“, der besten und robustesten weiblichen Pflanzen. Die Muttis werden in einem eigenen Raum wie ein Schatz gehütet. Ihre Klone stehen hier auf Pflanztischen auf einer Netto-Anbaufläche von nur 50 Quadratmetern.

„Slurp“ ist der Name dieser Sorte, die als kraftvoll in der Wirkung gilt.

„Slurp“ ist der Name dieser Sorte, die als kraftvoll in der Wirkung gilt. Foto: Richter

Was später daraus wird, zeigt der Biochemiker und Minijobber Till im benachbarten Lagerraum. „Gelato“ steht auf einem Plastikeimer, „Slurp“ auf einem anderen. Das klingt nach Eiscreme, doch die Eimer sind mit grünen, getrockneten Hanfblüten gefüllt. Die Wirkung soll je nach Sorte verschieden sein.

Anfangs war schwer einschätzbar, wieviel produziert werden kann. Deshalb hatte der Verein, der maximal 500 Mitglieder haben darf, bei 350 einen Aufnahmestopp verhängt. Jetzt ist klar: Es wäre mehr möglich. Für Buxtehuder ist das aktuell trotzdem keine Option: Aus baurechtlichen Gründen darf an der Halle nichts ausgegeben werden. Eine Ausgabestelle zu finden, die allen Kriterien entspricht, dürfte nicht leicht werden, aber die urbs.ociety will es versuchen.

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