TDie Stader Brauerknechte begleiten Tote auf dem letzten Weg

Unter der Kapelle auf dem Stader Horstfriedhof haben die Brauerknechte einen kleinen Raum für sich. Foto: Stehr
Gestorben wird immer, ist ihr Motto: Warum es die Sargträgergemeinschaft aber buchstäblich schwer hat und was der Lohn für den letzten Weg ist.
Stade. Ein trister Novembernachmittag auf dem Stader Horstfriedhof, es ist nass und kalt. Vor der Kapelle stehen „die Schwarzen“ - acht Männer in altertümlicher Tracht. Mit schwarzem Dreispitz, Umhang, Kniehose, Schnallenschuhen sowie mit weißem Bäffchen am Hals und weißen Handschuhen warten die Sargträger der Brauerknechtsgilde zu Stade von 1604 auf das Ende der Trauerfeier. Ihr Job ist es, Verstorbene auf ihrem letzten Weg würdevoll zu begleiten.
Immer öfter wird geschoben statt geschultert
Üblicherweise schultern die Brauerknechte den Sarg bis zur Grabstelle. „Weil Särge und auch viele Menschen aber immer schwerer und wir immer älter werden, schieben wir den Sarg auch hin und wieder“, sagt Joachim Preiß. Er ist der Geschäftsführer der unabhängigen Trägergemeinschaft, die hauptsächlich in Stade, aber auch im Alten Land und darüber hinaus Aufträge annimmt.

Die Brauerknechte begleiten Menschen würdevoll auf ihrem letzten Weg. Foto: Brauerknechtsgilde Stade
Zwölf aktive Mitglieder im Rentenalter gehören aktuell zur Gilde. Der Älteste, Wilfried Körner, ist 88 Jahre alt und Reserveträger. Bei rund 140 Sarg- und 20 bis 30 Urnenbestattungen haben die Brauerknechte jährlich die tragende Rolle. Vor 15 Jahren waren es noch doppelt so viele Bestattungen, sagt Preiß. Der 76-Jährige ist seit 15 Jahren Sargträger und seit neun Jahren Chef der Brauerknechte. Per Whatsapp-Gruppe koordiniert er die Einsätze.
Namen auf Gräbern
T Stader Friedhöfe: Linke-Antrag beerdigt – Kritik der Brauerknechte
„Gestorben wird immer, aber unsere Tradition darf nicht aussterben“, sagt Preiß. Froh ist er deshalb über zwei Neuzugänge. In diesem Jahr sind Christian Peters, mit 62 Jahren der jüngste Brauerknecht, und Peter Jahn (64) in die Gilde aufgenommen worden. Beide suchten als frischgebackene Rentner eine besondere Gemeinschaft. Die haben sie bei den Brauerknechten gefunden. „Die Chemie stimmt“, sagt Peter Jahn. Seine Frau habe ihm allerdings eine Bedingung gestellt, bevor er Brauerknecht wurde: Die Tracht dürfe nicht an der Garderobe hängen.

Zur Brauerknechtsgilde gehören derzeit zwölf aktive Mitglieder. Der älteste Aktive fehlt auf dem Bild. Foto: Stehr
„Der Tod ist für viele ein Tabuthema, gehört aber nun mal zum Leben dazu“, sagt Joachim Preiß. Emotional belastend sei der Job vor allem dann, wenn Kinder zu Grabe getragen werden müssen. Einmal im Jahr komme das im Schnitt vor. Preiß hat dafür extra eine kleine Bahre gezimmert.
Teure Beerdigungen
BFH hilft Hinterbliebenen in Prozess um Sterbegeld
Auch die Corona-Zeit sei eine große Belastung gewesen. Es habe Beerdigungen gegeben, bei denen nur ein Trauergast anwesend war. „Das war traurig“, sagt Joachim Preiß. Damals hätten sie immer bei den Liedern mitgesungen. Das machen sie heute nicht mehr. Dafür sprechen sie stets das Vaterunser laut mit, nachdem sie den Sarg ins Grab gelassen und sich verbeugt haben. Es sei schon vorgekommen, dass dabei mal ein Handy oder ein Hut ins Grab fiel, Schlimmeres zum Glück aber nicht.

Die Brauerknechtsgilde hat einen Gedenkstein und eine Grabstelle für Mitglieder auf dem Stader Horstfriedhof. Foto: Stehr

Der Geschäftsführer der Braucherknechtsgilde, Joachim Preiß, zeigt die Grabfläche, die für Mitglieder der Gilde und deren Frauen reserviert ist. Foto: Stehr
Nach dem Gebet entfernen sich die Männer respektvoll, um die Angehörigen nicht in ihrer Trauer zu stören und die Distanz zu wahren. Über die Menschen, die sie zu Grabe tragen, wissen die Brauerknechte in der Regel nichts. Das diene auch dem eigenen Schutz, sagt Preiß.
Brauer waren angeblich immun gegen die Pest
Entstanden ist die Gilde zu Zeiten der Pest, weil niemand mehr die Toten, die an der Pest gestorben waren, begraben wollte. Der Sage nach bat Gertrud, die Tochter eines Braumeisters, ihren Geliebten, den Brauer Peter Männken, diese Arbeit zu übernehmen. Denn die Brauerknechte galten wegen der eingeatmeten Dämpfe beim Brauen und wegen ihres hohen Bierkonsums als immun gegen die Krankheit. Die Brauerknechte willigten ein, und Peter durfte seine Gertrud heiraten.

Im Clubraum der Brauerknechte hängt ein Bild von Peter Männken und seiner Gertrud. Foto: Stehr
Anfang der 1950er Jahre formierten sich die Brauerknechte neu. Eine besondere Rolle hatte der Raumausstattermeister Herrmann Abbenseth. Er übernahm als junger Mann 1958 die Führung der Gilde und blieb bis zu seinem Tod 2014 im Amt. Seine Frau Elfriede, die im Oktober von den Brauerknechten zu Grabe getragen wurde, nahm jahrzehntelang Anmeldungen entgegen und zahlte den Trägern auch ihr Minigehalt aus. Früher erhielten die Träger fünf Mark pro Beerdigung, heute sind es 20 Euro, Fahrtkosten werden nicht erstattet.
Würdevolle Bestattung für alle Menschen
Den Sargträgern geht es auch nicht ums Geld. „Wir wollen, dass alle Menschen würdevoll bestattet werden“, sagt Preiß. Erst kürzlich forderten die Brauerknechte deshalb im Stadtrat die Einrichtung eines Urnenfeldes mit Gedenktafel für mittellos Verstorbene. Derzeit werden diese anonym vom deutschlandweit günstigsten Anbieter unter die Erde gebracht.
Nach der Beisetzung auf dem Horstfriedhof wärmen sich die Brauerknechte noch bei einem heißen Grog im Clubraum unter der Kapelle. Tags drauf tragen sie den nächsten Toten.