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Wirtschaft

TDie erstaunliche Erfolgsgeschichte der Stader Firma Kurotec und ihres Gründers

Manuel Núñez kam einst aus Nordspanien als Gastarbeiter nach Stade. Heute leitet er Kurotec, ein Unternehmen mit insgesamt 250 Mitarbeitern an vier Standorten.

Manuel Núñez kam einst aus Nordspanien als Gastarbeiter nach Stade. Heute leitet er Kurotec, ein Unternehmen mit insgesamt 250 Mitarbeitern an vier Standorten. Foto: Richter

Vor 60 Jahren kam Manuel Núñez nach Stade, um in Brunshausen in der Ziegelei zu arbeiten. Heute ist er Inhaber eines Stader Technik-Unternehmens, das Rohrleitungen in alle Welt exportiert und in Europa Marktführer ist.

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Von Anping Richter
Dienstag, 16.01.2024, 17:50 Uhr

Stade. Rohre, Rohre, Rohre. Unter einer feinen Schneeschicht liegen sie überall auf dem Hof der Firma Kurotec KTS. Zwei Mitarbeiter sind dabei, sie mithilfe eines Krans in einen Lastwagen mit Überlänge zu bugsieren. Er wird die Rohrleitungen made in Stade nach Frankreich bringen. Dort wird daraus eine neue Chlorfabrik. Es ist ein Millionenprojekt. Kurotec liefert nicht nur die maßgeschneiderten Rohrleitungen, sondern auch Planung und Montage, berichtet Prokurist Schekeb Tahery, der in Frankreich die Bauleitung übernehmen wird.

Die Rohre bestehen aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) und GFK-Verbundstoffen. Kurotec ist einer der weltweit führenden Hersteller von Rohren, Behältern und Sonderkonstruktionen aus diesem Material. Die Erfolgsgeschichte der Stader Firma ist eng verknüpft mit der erstaunlichen Lebensgeschichte ihres Gründers: Manuel Núñez.

Als 15-jähriger Gastarbeiter aus Galizien nach Stade

Er selbst schreibt seinen Nachnamen ohne Sonderzeichen auf die Visitenkarete, also Nunez. So ist es einfacher für die meisten, stellte er fest, als er vor 60 Jahren nach Deutschland kam; ganz allein, ohne die Eltern, als 15-Jähriger, aus Galicien in Nordspanien kommend nach Stade, wo er als Gastarbeiter in einer Ziegelei in Brunshausen unterkam. Warum? „Der Hunger“, antwortet er schlicht. Galicien war in den 1960er Jahren bitterarm und bot keine Perspektive. In Stade hatte er nur ein Stockbett im Schlafsaal des Arbeiterwohnheims der Ziegelei. Aber er verdiente eigenes Geld - und sah sich schon bald nach einer Arbeit um, die ihm mehr zusagte.

Blick in eine der Produktionshallen von Kurotec.

Blick in eine der Produktionshallen von Kurotec. Foto: Richter

Manuel Núñez ließ sich bei Buhrfeind’s Hotel auf Krautsand zum Koch ausbilden. Später arbeitete er in Hamburg auf dem Bau, dann als Schlosser bei der GfR (Gesellschaft für Rohrverarbeitung), einer Zulieferfirma von Dow Chemical. Er war 34 Jahre alt und hatte Frau und Kind, als er sich 1983 mit seiner eigenen Firma, Kurotec, selbstständig machte - inoffiziell. „Ich hatte einen Stempel im Pass, dass mir eine selbstständige Tätigkeit nicht gestattet war. Also musste ich meine Frau überreden, das zu übernehmen.“ Die Dow war sein einziger Kunde, er bekam einen Werksvertrag.

Rohrleitungen für das LNG-Terminal Brunsbüttel

Die Dow gehört noch immer zu den Kunden des Unternehmens. Doch inzwischen ist sie nicht mehr unter den Top 20, berichtet Prokurist Schekeb Tahery. Die GFK-Rohre, die besonders für aggressive Stoffe und hohe Temperaturen geeignet sind, werden zu 70 Prozent an Unternehmen der chemischen Industrie wie Bayer, BASF oder Covestro verkauft. Auch für das LNG-Terminal in Brunsbüttel hat Kurotec Rohrleitungen geliefert. Bei Verbundstoff-Rohrleitungen sei Kurotec europaweit die Nummer eins, erklärt Tahery. Bei der Herstellung sei Indien zwar in der Masse weltweit führend: „Doch dort schaffen sie die europäischen Qualitätsansprüche nicht. Noch nicht.“ Die härteste Konkurrenz seien deutsche und europäische Mitbewerber.

Manfred Bohm, Martín Monteserrín und Piotr Ochwat dicht hintereinander Schritt für Schritt enlang eines sich drehenden Kunststoffrohrs vor. Sie umwickeln es Runde um Runde mit Glasfaser-Gewebe, das mit Harz begossen wird.

Blick in eine der Produktionshallen: Manfred Bohm, Martín Monteserrín und Piotr Ochwat umwickeln ein Kunststoffrohr mit Glasfaser und Harz. Foto: Richter

GFK-Rohrleitungen sind ein anspruchsvolles Produkt. Es ist viel Handarbeit im Spiel, wie ein Gang durch die Hallen zeigt: Konzentriert rücken Manfred Bohm, Martín Monteserrín und Piotr Ochwat dicht hintereinander Schritt für Schritt entlang eines sich drehenden Kunststoffrohrs vor. Sie umwickeln es Runde um Runde mit Glasfaser-Gewebe, das mit Harz begossen wird. In vielen weiteren Hallen und Abteilungen entstehen Bögen, Winkel, Verbindungen, Behälter. So international wie die Rohstoffe - Glasfaser aus Asien, Harz aus Spanien - sind auch die Herkunftsländer der 145 Mitarbeiter in Produktion und Verwaltung in Stade: Viele EU-Länder sind vertreten, dazu Syrien, die Ukraine und einige mehr.

250 Mitarbeiter an vier Standorten in Europa

Wie Firmengründer Núñez kam auch Schekeb Tahery mit 15 nach Stade. Ohne Deutschkenntnisse, aber mit Schulbildung aus Afghanistan. Er besuchte die Hauptschule nur kurz, machte sein Fachabitur an den BBS Stade und eine Ausbildung zum Bürokaufmann bei Kurotec. Heute, 26 Jahre später, ist er Prokurist der international agierenden Firma mit einem Jahresumsatz von 40 Millionen Euro und insgesamt 250 Mitarbeitern an vier Standorten: in Stade, Schkopau, Polen und Bulgarien.

Dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel begegnet Kurotec mit aktiver Akquise, sagt Tahery. Bei der Jobmesse für geflüchtete Menschen des Jobcenters im Landkreis Stade hat er mehrere Bewerber zum Probearbeiten eingeladen. Einige haben jetzt einen Arbeitsvertrag. Die Frage, was das Erfolgsrezept der Firma ist, beantwortet er mit zwei Worten: Zusammengehörigkeitsgefühl und Loyalität.

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