TDiese Pflanze bewirtet mehr als 100 Insektenarten

Eine Honigbiene auf dem Blütenstand eines Rainfarns. Foto: Schaffhäuser
Jetzt im Hochsommer blüht eine auffällige Pflanze. Es lohnt sich, den Rainfarn genauer zu betrachten, denn er ist ein Sammelpunkt für Insekten.
Landkreis. Der Name dieser gelb blühenden Pflanze gibt einen Hinweis: Sie wächst gern am Wegrand, dem Rain. Der Wortbestandteil „Farn“ ist jedoch weniger zutreffend. Denn der Rainfarn ist kein Farngewächs.
Die langen Blätter ähneln in ihrer Form ein wenig denen einiger Farne. Für Insekten ist der Rainfarn ein Sammelpunkt: In seinem Angebot hat dieser Supermarkt täglich Pollen, Nektar, Blätter und Wurzeln zu bieten.
Pollen und Nektar werden von den goldgelben, etwa einen Zentimeter großen Scheibenblüten, den Korbblüten, geliefert. Jede dieser Blüten besteht aus 80 bis 100 kleinen Einzelblüten.
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Wissenschaftler fanden heraus: Etwa 100 verschiedene Insektenarten besuchen die Blüte des Rainfarns. Besonders Insekten mit kurzen Rüsseln haben sich auf diese Blüte spezialisiert.
Sie müssen beim Nektarsaugen nicht tief in die kleinen Blüten eindringen. Nur zwei Millimeter sind die Miniblüten lang.

Ein Bläuling labt sich am Nektar einer Rainfarn-Blüte. Foto: Paulin
Achtung: Blätter sind für viele Säugetiere ungenießbar
Auch Pollen gibt es genug. Den können Fliegen, Käfer und manche Wildbienen am Rainfarn sehr leicht abernten. Hochspezialisiert sind Mini-Insekten, die sich vom kleinen Blütenboden oder den winzigen Einzelblüten ernähren. Kurzum: Nektar, Pollen, einzelne Blüten und Blütenboden - alles wird genutzt.
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Weiter im Angebot sind Blatt, Stängel und Wurzel. Die Blätter sind für sehr viele Säugetiere ungenießbar oder giftig. Bitterstoffe und das Gift Thujon wirken abstoßend. Rinder zum Beispiel meiden die Pflanze.
Doch einige Schmetterlingsraupen sind daran gut angepasst, das Blattwerk schmeckt ihnen. Es gibt Ausnahmen: Kleidermotten lassen sich durch den Duft der Blätter vertreiben.
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Die Stängel des Rainfarns sind für einige Wanzenarten, Zikaden und Blattläuse attraktiv. Sie saugen hier genussvoll am zuckerreichen Saft des Rainfarns. Sogar seine Wurzeln sind Nahrungslieferanten. Die Larven mancher darin nagender und minierender Schmetterlinge fressen hier für ihr Leben gern.
830 Insekten auf einer Pflanze gezählt
Entomologen zählten genau nach: In der Summe sind es 73 Insektenarten, die auf und im Rainfarn leben und an ihn gebunden sind. Etwa 100 Arten von Blütenbesuchern kommen hinzu. Auf diese Zahl bringen es nicht viele Kräuter.
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Zum Vergleich: Der Liebling unter den Insekten ist die Brennnessel. Sie kann für etwa 150 Insektenarten ein Fressplatz sein. Ein Biologe wollte über den Rainfarn noch mehr wissen.
Er untersuchte eine einzelne Pflanze des Rainfarns. Er fand 830 Insekten auf ihr, unter ihnen viele kleine Blattläuse und winzige Raupen. Es lebt sich offensichtlich gut an dieser Pflanze.
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Der Rainfarn ist nicht überall zu Hause. Er bietet zwar der Umwelt viel, doch in Bezug auf den Wuchsort ist er ein wählerischer Spezialist. Er mag es warm, er liebt das helle Licht. Allzu fette Humuserde und zu viele Nährstoffe stören ihn.
Doch etwas Stickstoff im Boden mag er. Er ist eine Pionierpflanze, die es mit kargen Böden aufnimmt und Schuttplätze, Eisenbahndämme oder Wegränder liebt. Fast einen Meter tief kann er wurzeln.
Gefällt es dem Rainfarn, dann bildet er unterirdisch meterlange Ausläufer, aus denen weitere Pflanzen hochwachsen. Wir sollten Respekt vor Angebot und Leistung des Rainfarns haben. Denn ein „Unkraut“ ist er sicher nicht.
Serie und Buch
Was kreucht und fleucht in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge.
Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Der zweite, reich illustrierte Band von Wolfgang Kurtze ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes.
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