TDieser Fahnder erkennt jeden Straftäter am Gesicht

Super Recogniser und Zivilfahnder Ronny N. (links im Bild, Name geändert) scannt Gesichter im Bremer Hauptbahnhof. Foto: von der Ahé
Der Zivilfahnder Ronny N.* hat schon viele Straftäter auf den ersten Blick wiedererkannt. Bei der Bundespolizei arbeitet er als Super Recogniser. Kaum jemand geht ihm durch die Lappen.
Bremen. Ronny N.* bekommt Gesichter, die er einmal gesehen hat, nicht mehr aus dem Kopf. Auch Mimik, Gestik und Motorik prägt er sich ein, wie es nur wenige Menschen können. Diese besondere Fähigkeit setzt der Zivilfahnder der Bundespolizei-Inspektion Bremen als „Wiedererkenner“ ein. Der Fachbegriff: Super Recogniser.
Der Tag für den „Wiedererkenner“ beginnt immer in den Fahndungsportalen. Dann geht er raus, um als verdeckter Fahnder vor allem Straftäter aufzuspüren, aber auch vermisste Kinder oder orientierungslose Altenheimbewohner wiederzufinden.
Das sind die Einsatzgebiete von Ronny N.
Seine Einsatzgebiete sind neben Bahnhöfen und Flughäfen bei Bedarf auch Fußballstadien oder Fußgängerzonen. Aufgrund allgemein zunehmender Anschlagsgefahren ist es wahrscheinlich, dass der Bedarf bei Großveranstaltungen steigt, um präventiv potenzielle Täter aufzuspüren und Gewalttaten zu verhindern. Es geht aber nicht nur um Prävention, sondern vor allem darum, Straftäter zu identifizieren.
„Taschendiebstahl, Raub oder der Einsatz von Pyrotechnik bei Fußballspielen – dann komme ich ins Spiel“, sagt der Mann, der kein Gesicht vergisst. Im privaten Umfeld sei der große berufliche Zugewinn manchmal auch unangenehm. Der 34-Jährige hat aufgehört, jeden zu grüßen, den er wiedererkennt. „Man will die anderen nicht ins Grübeln bringen.“
Straftäter in der Bremer Innenstadt erkannt
Erst vor wenigen Tagen ging dem Polizeibeamten zufällig ein Straftäter ins Netz, nach dem seit Ende Juli gefahndet wurde. „In der Bremer Innenstadt lief er an mir vorbei, ich wusste sofort: Du bist es“, sagt Ronny N. In solchen Fällen ruft er uniformierte Beamte zur Verstärkung, die den Tatverdächtigen festnehmen. Die Identität von Ronny N. bleibt geschützt. Deshalb machen auch wir ihn nicht erkennbar.
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„Wir geben neue Ermittlungsansätze“, sagt er. „Es geht darum, dass endlich ein Tatverdächtiger gefasst wird. Die Kollegen ermitteln weiter.“
Ronny N. kann im gesamten Gebiet der Bundespolizei-Inspektion Bremen eingesetzt werden – dazu gehören auch Bremerhaven und der Landkreis Cuxhaven. 2021 startete die Bundespolizei-Direktion Hannover, zu der auch die Bundespolizei-Inspektion Bremen gehört, einen Aufruf, an einem wissenschaftlichen Testverfahren für den Super Recogniser teilzunehmen. „Mir war sofort klar: Das bin ich“, sagt Ronny N.
Im August erweiterte die Direktion Hannover ihr Team um elf neue Super Recogniser und sogenannte Super Matcher, die vorrangig Bilder abgleichen, um eine Person auf verschiedenen Aufnahmen zu identifizieren.
Es kann sein, dass ich mal nach Ben Affleck suche
Ronny N., Super Recogniser bei der Bundespolizei
Wenn Ronny N. einen Straftäter sucht, gibt er ihm gerne Namen von bekannten Personen, denen der Gesuchte ähnlich sieht. „Es kann daher sein, dass ich mal nach Ben Affleck suche“, so der Fahnder.
Gerne erinnert er sich an einen besonders skurrilen Einsatz: Beim Werder-Abstiegsspiel 2021 erhielt ein Mann wegen eines Böllerwurfs im Bahnhof ein Hausverbot. Zufällig erkannte Ronny N. ihn beim Wiederaufstiegs-Spiel wieder. „Das ist das berühmte Bauchgefühl“, sagt er. „Es zieht sich innerlich alles zusammen.“
Der Mann stritt die Vorwürfe ab, bekam aber präventiv einen Platzverweis für den Bahnhof. Es stellte sich heraus, dass es der Zwillingsbruder war. „Wir sind mit Handshake auseinandergegangen“, erinnert sich Ronny N.
Die meisten Einsätze sind jedoch nicht lustig. Ronny N. berichtet von einem seiner härtesten Fälle. „Es gab konkrete Erkenntnisse, dass von Regimegegnern ein Mordanschlag gegen einen iranischen Musiker verübt werden sollte. Wir hatten eine Liste mit potenziellen Tätern. Zum Glück kam keiner.“
Liegt der Zivilfahnder immer richtig?
Harte Fälle gibt es im Zusammenhang mit Fußballspielen. Ronny N. war bei dem Polizeieinsatz in Hamburg-Bergedorf dabei, als Mitte Februar mehr als 800 HSV-Fans kontrolliert wurden. Etwa 70 Prozent von 50 wegen Landfriedensbruchs gesuchten Straftätern hätten sie identifizieren können – aus Sicht des Polizeibeamten ein enormer Erfolg.
Ronny N. täuscht sich nur, „wenn die Bilder schlecht sind“. Vor Gericht ist es für „Wiedererkenner“ noch schwer, wenn sie als Zeuge aussagen und nur unscharfe Bilder als Beweismittel vorliegen.
Der entscheidende Vorteil eines Super Recognisers
Ihr Vorteil gegenüber Videoüberwachung und Gesichtserkennung liegt auf der Hand. „Die Kamera kann nicht erkennen, wann eine Straftat passiert“, sagt der Polizist. „Sie hat auch tote Winkel.“ Künstliche Intelligenz könne eine Gesamtsituation nicht so bewerten wie ein Polizist.
Das Scannen von Gesichtern ist anstrengend – und hat Folgen
Ein Einsatz des Super Recognisers bei der Sail oder beim Deichbrand-Festival ist nicht unwahrscheinlich. „Wir sind auch präventiv unterwegs, um Diebstähle und Gewaltdelikte zu verhindern“, sagt er.
Das ständige Scannen von Gesichtern ist sehr anstrengend. Es kann vorkommen, dass er tagelang von der Person träumt – eine negative Folge, wenn er sich ein Gesicht stark eingeprägt hat.
*Name von der Redaktion geändert
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Nordsee-Zeitung.