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Lokalpolitik

TEichhörnchen und volle Blasen: Dicke Luft im Stader Ratssaal

Karsten Behr, Kristina Kilian-Klinge, Reinhard Elfring und Tristan Jorde. 

Ratsvorsitzender Karsten Behr, Kristina Kilian-Klinge (CDU), Reinhard Elfring (Grüne) und Tristan Jorde (Linke) (v. l.). Foto: Archiv

Wer am Montagabend die Stader Ratssitzung besuchte, bekam über dreieinhalb Stunden einiges geboten: dicke Luft im überfüllten Ratssaal, kabarettistische Einlagen und wegweisende Beschlüsse.

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Von Lars Strüning
Mittwoch, 18.12.2024, 08:50 Uhr

Stade. Ratsvorsitzender Karsten Behr höchstpersönlich bat zu Beginn der Sitzung um harmonisches Miteinander. Er ist gerade 60 und Opa geworden und wollte sich seine gute vorweihnachtliche Stimmung nicht durch ungebührliches Verhalten zerschießen lassen. Die Ratsmitglieder folgten ihm nur bedingt.

Slalomlauf mit voller Blase durch vollen Saal

43 Tagesordnungspunkte standen auf dem Mammutprogramm zur letzten Sitzung in diesem Jahr. Zu den 37 anwesenden Ratsmitgliedern gesellten sich Vertreter der Stadtverwaltung und Zuhörer. Alle Plätze waren besetzt, die Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Das merkten vor allem die, die zwischendurch einem dringenden Geschäft nachgehen und sich mühsam den Weg durch die Stuhlreihen bahnen mussten. „Drückt die Blase?“, fragte der Ratsvorsitzende unverblümt und schob gleich nach: „Bei mir aber auch.“ Da die Sitzung sich über dreieinhalb Stunden hinzog, gab es ein stetiges Kommen und Gehen.

Bemerkenswert auch der Auftritt vom Grünen Reinhard Elfring in seiner Rede zum Haushalt 2025. Er kritisierte den Rat in Bausch und Bogen. Die Verwaltung mache die Politik, nicht der Rat, monierte er. Der Antrag zum Ordnungsdienst sei da eine Ausnahme. Ansonsten herrsche seit drei Jahren weitgehend Ruhe, „bis auf die hyperaktiven Eichhörnchen von der Linken“, die immer wieder mit Anträgen zumindest von sich reden machen.

Mit zunehmender Sitzungsdauer wurde es unruhiger im Saal, nicht nur wegen der Toilettengänge. Die Konzentration ließ ob der anstrengenden Inhaltsfülle nach, vermutlich litten die Ratsmitglieder auch unter Sauerstoffmangel. Die Luft im viel zu kleinen Ratssaal war zum Schneiden und in Zeiten von Corona und grippalen Infekten bestimmt nicht gesund.

CDU-Frau kritisiert Bund und Land: „Ich bin es leid“

Eine, die sich Luft machte, war Kristina Kilian-Klinge von der CDU. Ihr platzte während der Diskussion um die neue Grundsteuer der Kragen. Immer wieder erließen Bund und Land Gesetze, die die Kommunen umsetzen müssten.

Im Fall der Grundsteuer fehlten bis heute Daten von den Finanzämtern (des Landes) für die Hebesätze der Städte und Gemeinden, die ab 2025 gelten müssen. Für sie ein Unding. Das stärke die Politikverdrossenheit und schade der Demokratie. Kilian-Klinge: „Ich bin es leid.“

Ein Bonmot stammt vom rhetorisch gewandten Linken Tristan Jorde. Er bezeichnete den geplanten Surfpark als „wunderbares Riesenplanschbecken für rich kids“, also für reiche Kinder, und den Bildungscampus in Riensförde als Einrichtung „der maximalen Schulwege“. Statt auf die kleinen Dinge zu setzen, die das Leben in der Stadt schöner machten, habe die Stadt einen „bemerkenswerten Hang zu Großprojekten“.

Rat stimmt für Etat 2025 und den Ordnungsdienst

Über alle 43 Tagesordnungspunkte wurde abgestimmt, bei vielen diskutiert. Eine ausführliche TAGEBLATT-Berichterstattung dazu folgt. Vorab: Die Mehrheit des Rates stimmte mit großer Mehrheit für den 156 Millionen Euro schweren Haushalt 2025 der Stadt, mit einer Ein-Stimmen-Mehrheit von SPD, Grünen und Linke für eine „Kosten- und Aufwandsprüfung“ für ein Cook-and-chill-Verfahren beim IGS-Schulessen und wiederum mit großer Mehrheit und nach sehr emotionaler Debatte für die Einführung eines Ordnungsdienstes, der die gefühlte Sicherheit in der Innenstadt stärken soll.

Der Ordnung halber hier die richtigen Summen für das Projekt: Im ersten Jahr, also 2025, kostet das die Stadt 100.000 Euro. 90.000 für einen Projektkoordinator, der das Thema umsetzen soll und 10.000 Euro für Sachmittel. Sechs Kräfte sollen zusätzlich eingestellt werden. Kosten für die Stadt ab 2026: 450.000 Euro pro Jahr, nämlich 410.00 Euro fürs Personal und 40.000 Euro Sachkosten.

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