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Fisch-Taxi

TEine Autofahrt gegen das Aale-Sterben

Fischer Alexander Meyer aus Hameln entlässt am Alten Fähranleger in Dedesdorf mehr als 1700 Fische aus dem Aal-Taxi in die Weser.

Fischer Alexander Meyer aus Hameln entlässt am Alten Fähranleger in Dedesdorf mehr als 1700 Fische aus dem Aal-Taxi in die Weser. Foto: Jan Iven

Mehr als 5000 Kilometer schwimmen Aale zu ihren Laichgründen im Atlantik. Die ersten 200 Kilometer in Niedersachsen wird der Fisch gefahren - und die Fischer freut’s.

Von Jan Iven Samstag, 21.12.2024, 13:50 Uhr

Loxstedt. Es hat ein bisschen was von russischem Roulette, wenn sich die Aale aus der Weser auf ihre Reise in den Atlantik begeben. „Mehr als 20 Prozent der Tiere kommen in den Wasserkraftwerken um“, sagt Fischexperte Alexander Wever aus Hamm von der europäischen Aal-Initiative. Allein zwischen Hameln und der Wesermündung gibt es sechs solcher Anlagen.

Russisches Roulette für Aale im Wasserkraftwerk

Dadurch wird nicht nur die vom Aussterben bedrohte Art weiter geschwächt. Für die Weserfischer, die den Aal außerhalb der Schonzeiten fangen dürfen, entsteht durch den weiteren Rückgang der Tiere auch ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Schaden. Die Fischer spüren die Verluste deutlich.

Die Fischereibranche hat sich daher eine etwas verrückt anmutende Idee einfallen lassen: Ein sogenanntes Aal-Taxi fährt die lebenden Tiere aus der Weser in der Region Hameln auf der Straße bis ins Cuxland. Vorbei an den für die Aale so gefährlichen Wasserkraftwerken.

In den Wasserkraftwerken in der Weser werden viele Aale schwer verletzt und getötet.

In den Wasserkraftwerken in der Weser werden viele Aale schwer verletzt und getötet. Foto: Privat

Am alten Fähranleger bei Dedesdorf werden sie wieder in die Weser gesetzt, damit sie ihre weite Reise bis in den Atlantik etwas sicherer fortsetzen können. Fischer Alexander Meyer aus Hameln sammelt die Tiere, die von Kollegen in seiner Region in der Weser gefangen wurden, ein und bringt sie in einem Anhänger ins Cuxland.

Insgesamt werden etwa sechs Tonnen Aale transportiert

Das sogenannte Aal-Taxi ist mit Wasser aus der Weser gefüllt und fasst etwa eine Tonne lebende Fische, was etwa 1700 Aalen entspricht. Bei mehreren Fahrten werden insgesamt sechs Tonnen Aale transportiert.

„Ich bin in der fünften Generation Fischer und möchte, dass auch noch die nächste Generation den Beruf ergreifen kann“, sagt Fischer Meyer über sein Engagement. Wobei seine beiden kleinen Kinder noch zu jung für eine Berufswahl sind.

Und: Er selbst verkauft gar keine Aale mehr, sondern konzentriert sich auf die Teichfischerei, den Handel und die Gastronomie. Die Aale fängt er nur, um sie sicher ins Cuxland zu transportieren und die Branche insgesamt zu unterstützen.

Doch warum nehmen die Aale aus der Weser eigentlich die weite Reise in den Atlantik auf sich, genauer gesagt in die Sargassosee im Bermudadreieck bei Florida? „Die Tiere kehren an den Ort zurück, an dem sie geschlüpft sind, um sich zu paaren“, sagt Fischexperte Wever.

Danach sterben die Tiere. Aus dem abgelegten Laich schlüpfen die Aale als winzige Larven und treiben dann bis zu drei Jahre lang mit dem Golfstrom vor die französische Küste. Dort werden sie mittlerweile als sogenannte kleine Glasaale gefangen und in verschiedenen europäischen Flüssen wie der Weser ausgesetzt, um die Art zu stärken.

In der Weser leben die Aale etwa 15 Jahre lang. Wenn sie dann geschlechtsreif sind, begeben sie sich auf ihre letzte Reise über den Atlantik. Vieles im Leben und vor allem die Fortpflanzung der Aale ist bisher aber kaum erforscht. So ist es etwa so gut wie unmöglich, die Tiere in Gefangenschaft zu züchten.

Darum kritisieren Naturschützer das Aal-Taxi

„Wir wollen nicht verschweigen, dass das Aal-Taxi auch umstritten ist. Manche Naturschützer sind der Meinung, dass man lieber den Fang aussetzen sollte“, sagt Wever, der als Berater für die Fischereibranche arbeitet. Zumal die Aktion und gerade auch die Umsiedlung der Aale aus Frankreich ziemlich aufwendig sind.

Das würde aber nichts an der Gefahr durch die Wasserkraftanlagen ändern. Und solange der Aal gefischt wird, gebe es auch ein wirtschaftliches Interesse an seinem Erhalt.

Aus dem Aal-Taxi gelangen die Aale über eine kurze Rutsche in die Weser. „Das geht nur bei hohem Pegelstand, damit die Fische bei ablaufendem Wasser leichter ins Meer gelangen. Aale sind ziemlich faul und lassen sich gern treiben“, sagt Wever.

Die Niederländer feiern ein Volksfest für die Aale

In den vergangenen Jahren war das Aal-Taxi daher oft in der Nacht in Dedesdorf, um die Flut zu erwischen. So lebhaft wie die Aale ins Wasser fallen, könnte man sich fast ein kleines Volksfest mit vielen Besuchern um diese Aktion vorstellen. „Die Niederländer feiern das tatsächlich“, erzählt Wever. „Aal Over de Dijk“, heißt das dort.

Das Problem: Die Fischer wissen nie genau, wann ihnen die Aale in die Netze gehen. Und 24 Stunden Vorlaufzeit seien zu wenig, um ein Fest vorzubereiten. Zudem sind sich die Fischer unsicher, ob nicht ein merkwürdiges Bild entsteht, wenn auf der einen Seite der Fischbestand gestärkt wird und Besucher nebenan Fischbrötchen essen.

Das Umweltministerium, der Fischereiverband und die Landwirtschaftskammer unterstützen das Projekt und werten es als Erfolg. Es wurde 2017 gestartet und soll auch in Zukunft fortgesetzt werden. Und: Der Aal wurde zum Fisch des Jahres 2025 gewählt.

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