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Nachbarkreise

TEisbaden am Sieverner See: Warum diese Gruppe darauf schwört

Die Gruppe nimmt sich sogar noch die Zeit für ein Foto nach dem Eisbaden am Sieverner See (von links): Kevin Dworatzek, Darian Loomis, Florian Obst, Joschka Traue, Maurice Meyer, Miriam und Stephan Hinz.

Die Gruppe nimmt sich sogar noch die Zeit für ein Foto nach dem Eisbaden am Sieverner See (von links): Kevin Dworatzek, Darian Loomis, Florian Obst, Joschka Traue, Maurice Meyer, Miriam und Stephan Hinz. Foto: Ralf Masorat

Diese sieben Menschen aus Bremerhaven und dem Stader Nachbarkreis sind eiskalt in der Wahl ihres Hobbys. Jeden Sonntag im Winter treffen sie sich am Sieverner See und laufen ins Wasser – von den Effekten des Eisbades überzeugt.

Von Maike Wessolowski Freitag, 12.01.2024, 13:00 Uhr

Geestland. Januar 2024, Minus zwei Grad Celsius. Zwei Männer starren ungläubig aufs Wasser des Sieverner Sees. Die Spaziergänger sind dick eingepackt in Winterjacken, tragen Mützen.

Mützen tragen auch Miriam Hinz, ihr Mann Stephan und Darian Loomis. Viel mehr aber auch nicht. Die drei Langener gehen just in Badeschuhen, bekleidet nur mit Badehose oder Bikini durch den Schnee auf den See zu. Sie gehören einer kleinen, mutigen Gemeinschaft an. Sonntags geht es im Winter regelmäßig zum Eisbaden.

Die Gruppe bleibt zwischen fünf und acht Minuten im Wasser. Danach sieht die Welt ganz anders aus.

Die Gruppe bleibt zwischen fünf und acht Minuten im Wasser. Danach sieht die Welt ganz anders aus. Foto: Ralf Masorat

Ein Wintertag aus dem Bilderbuch: Strahlend blauer Himmel, Schnee und knackige Kälte – Kevin Dworatzek seufzt. Er ist heute zum ersten Mal dabei und zweifelt an seiner eigenen Courage. „Ein Jahr lang hat Joschka auf mich eingeredet, ich soll mal mitkommen“, sagt er. Die Bremerhavener Joschka Traue und Florian Obst sowie Maurice Meyer aus Imsum komplettieren die Gemeinschaft heute.

Schon seit über zwei Jahren am Sieverner See dabei

Per Whatsapp-Gruppe werden die Treffen der immer größer werdenden Gruppe verabredet – ja nach Schichtplan, viele arbeiten im Hafen.

„Man kann den Körper mit Kaltduschen an den Kältereiz gewöhnen, wichtiger ist aber noch die Atmung“, sagt Miriam Hinz, Eisbadende der ersten Stunden. Über eine Freundin, die mittlerweile in Australien lebt, hat sie die übrigen Hinzes und Joschka Traue zum Eisbaden gebracht. Nun werben sie immer weiter für ihre sonntäglichen Treffen.

Gemeinsam mit Florian und Joschka übt Kevin noch einmal die Atmung. „Im Prinzip veräppelt man seinen Körper, tut so, als wäre alles in Ordnung, während du im kalten Wasser stehst“, erklärt Miriam Hinz. Muss man sich jede Woche neu überwinden? „Es ist immer aufregend“, beschreibt die Langenerin lächelnd, heute die einzige Frau der Gruppe.

Kälte am Körper fühlt sich anders an als gedacht

Dann geht es los: Klamotten aus und über den Schnee ab ins Wasser. Schritt für Schritt, bis nur noch der Kopf herausschaut.

Ab ins Wasser - ob mit oder ohne Schuhe. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr.

Ab ins Wasser - ob mit oder ohne Schuhe. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr. Foto: Ralf Masorat

Eisbaden ist nicht schwimmen, die Gruppe bildet einen Kreis, verweilt zusammen, unterhält sich leise. Andere schweigen, atmen. Bei Maurice sieht es wie Meditation aus. Miriam Hinz hat die Zeit im Blick. „Boah, ist das kalt an den Füßen“, ruft Kevin Dworatzek. Er ist überrascht, dass er die Kälte am Körper gar nicht so wahrnimmt, wie er sich das vorgestellt hat.

„Wenn einem warm wird, muss man raus“, weiß Joschka Traue. Er ist von den positiven Effekten auf Körper und Geist überzeugt.

Im Alter von 26 Jahren bekam er die Diagnose ADHS. Die nachhaltige Wirkung des Eisbadens helfe ihm, die Konzentration zu halten. „Die Hälfte der Eisbadenden macht es wegen der körperlichen Effekte, die andere Hälfte für die Psyche“, ist er sich sicher.

Eisbaden am Sieverner See. Ein wenig überwinden muss sich die Truppe schon.

Eisbaden am Sieverner See. Ein wenig überwinden muss sich die Truppe schon. Foto: Ralf Masora

Kurzer Kältereiz ist gutes Training für die Gefäße

Das bestätigen Mediziner wie Hanns-Christian Gunga, Professor an der Berliner Charité. „Ein kurzer Kältereiz ist ein hervorragendes Training für die Gefäße“, sagt der Experte. Die ziehen sich schnell zusammen. Blut von Armen und Beinen wird ins Körperinnere geleitet, um die Organe vor der Kälte zu schützen.

Beim Aufwärmen weiten sich die geschlossenen Gefäße wieder, das Blut durchströmt den Körper regelrecht. Davon profitiert das Immunsystem. Schleimhäute werden besser durchblutet, Viren und Bakterien werde das Eindringen in den Nasen-Rachen-Raum erschwert. Sauerstoff und andere Nährstoffe werden dabei in die hautnahen Gefäße gepumpt. „Das sorgt für einen rosigen Teint“, sagt Gunga.

Kevin bleibt stolze fünf Minuten im Wasser, der Rest fast acht. Rosig kommen sie alle aus dem Wasser und strahlend, weil Glückshormone ihre Körper fluten wie eine Droge. Einige trocknen sich ab und rennen durch den Schnee, andere atmen noch einmal durch. Der Neuling schäumt über vor Stolz – die Eisbadenden applaudieren ihm zur Premiere.

Danach am besten in Bewegung bleiben

„In 15 Minuten kommt das Zittern“, warnt ihn Florian Obst. Der Körper reagiere verzögert. Im Idealfall sind bis dahin alle wieder zu Hause und können warmen Tee trinken. Manche treiben danach auch Sport, um den Körper in Bewegung zu halten.

Ruhige Atmung ist vor, während und nach dem Eisbaden wichtig.

Ruhige Atmung ist vor, während und nach dem Eisbaden wichtig. Foto: Ralf Masorat

Fest steht, dass, sie sich wiedertreffen werden am See. Da ist sich auch Kevin sicher: „Warum habe ich so lange gewartet?“, sagt er zu Joschka.

Eisbaden fördere die mentale Stärke, erklärt Gunga im AOK-Ratgeber. „Der Erfolg des eigenen Handelns ist sofort spürbar. Ein Projekt, das Überwindung kostete, wurde gemeistert. Dieser Effekt macht selbstsicher – und dafür braucht es nur drei Minuten.“

Eisbaden: 5 Tipps

  • Nie allein zum Eisbaden gehen
  • Profis empfehlen Mütze, Neoprenschuhe oder auch Handschuhe
  • Herantasten: Kalt abduschen, Atem trainieren (Wim-Hof-Methode)
  • Wer Herz- oder Gefäßerkrankungen hat, oder unsicher ist, sollte den Arzt um Rat fragen
  • Danach abtrocknen, etwas Heißen trinken, in Bewegung bleiben

Quellen: Kneipp, AOK, Sieverner Eisbader

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