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Medizinische Versorgung

TE-Patientenakte: Diese Sorgen haben Ärzte und Apotheker im Landkreis

Die elektronische Patientenakte soll das Gesundheitssystem entlasten, Doppeluntersuchungen sollen vermieden werden.

Die elektronische Patientenakte soll das Gesundheitssystem entlasten, Doppeluntersuchungen sollen vermieden werden. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Die elektronische Akte kommt ab 15. Januar, ist aber nicht verpflichtend. Bürger können widersprechen. Ärzte in der Region raten sogar dazu - doch es gibt auch andere Sichtweisen.

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Von Karsten Wisser
Freitag, 10.01.2025, 12:00 Uhr

Landkreis. Seit 2021 konnten gesetzlich Versicherte eine elektronische Patientenakte bei einer Krankenkasse beantragen.

Ab Mitte Januar 2025 werden sie in den Modellregionen wie Hamburg, Mittel-, Ober - und Unterfranken die elektronische Patientenakte (ePA) automatisch erhalten. Es sei denn, der Versicherte widerspricht. Nach vierwöchiger Testphase soll Mitte Februar die ePA im ganzen Bundesgebiet verfügbar sein. Die Akte wird über eine App aufgerufen, die die jeweilige Krankenkasse zur Verfügung stellt.

Keine Doppeluntersuchungen und falschen Medikamente

Ziel ist es, Doppeluntersuchungen zu verhindern und so das Gesundheitssystem zu entlasten. Auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen - laut Bundesgesundheitsministerium Grund für fünf bis zehn Prozent aller Krankenhauseinweisungen - sollen so reduziert werden.

Aber: Sicherheitsexperten des Chaos-Computerclubs haben herausgefunden, wie sie auf verschiedenen Wegen auf elektronische Patientenakten zugreifen können. Das Sicherheitskonzept der ePA ist aus ihrer Sicht gescheitert, kurz bevor diese bundesweit an den Start gehen soll.

Über die E-Patientenakte wird seit 20 Jahren geredet

„Die Patientenakte ist seit 20 Jahren in der Planung, es wird Zeit, dass endlich etwas passiert“, sagt Dr. Stephan Brune trotz der aktuellen Diskussion. Der niedergelassene Kardiologe und Sportmediziner ist Bezirksausschuss-Vorsitzender der Bezirksstelle Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN).

Grundsätzlich biete die Akte viele Vorteile. Aus Sicht von Stephan Brune ist es wichtig, dass die Patienten für die Pflege der Patientenakte selbst zuständig sind. Eigenverantwortung sei wichtig.

Sicherheit der Daten müssen andere gewährleisten

„Dass die Sicherheit der Daten gewährleistet ist, müssen andere sicherstellen. Dafür können nicht die Ärzte verantwortlich sein“, so Brune. Er empfiehlt den Patienten, der Anlegung der elektronischen Patientenakte nicht zu widersprechen.

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Zwei Probleme benennt Brune. Erstens: „Die meisten Krankenhäuser und auch die Elbe Kliniken verschicken ihre Ärztebriefe noch per Post.“ Es sei noch nicht geklärt, wie die Papierversion den Weg in die elektronische Patientenakte finden solle.

Der Chaos Computer Club, eine Gruppe von digitalen Sicherheitsforschern, hatte Ende Dezember mitgeteilt, dass die digitale Infrastruktur der ePA eklatante Sicherheitslücken aufweise und somit gehackt werden könne. Die IT-Spezialisten warnten, dass die Daten von mehr als 70 Millionen Versicherten in Gefahr sein könnten.

Die nationale Agentur für digitale Medizin „Gematik“ teilte mit, diese Hinweise sehr ernst zu nehmen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte: „Die Daten der Bürger sind sicher vor Hackern.“

Umfrage: Breite Zustimmung zu E-Patientenakten

Mehr als drei Viertel (79 Prozent) halten eine solche Akte, die Gesundheitsdaten digital speichert, für sehr sinnvoll oder eher sinnvoll, wie die Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Überhaupt nicht sinnvoll oder eher nicht sinnvoll finden sie 16 Prozent. Bei Männern lag die Zustimmung mit 82 Prozent noch etwas höher als bei Frauen, die die ePA zu 75 Prozent für tendenziell sinnvoll halten.

Dass sie ihre E-Akte selbst auf dem Smartphone anschauen möchten, gaben 76 Prozent an - ablehnend äußerten sich 16 Prozent.

Ein Reiter ePa mit einer Patientenakte ist auf dem Monitor eines Arztes zu sehen.

Ein Reiter ePa mit einer Patientenakte ist auf dem Monitor eines Arztes zu sehen. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa-Pool/dpa

Wie übersichtlich sind die digitalen Patientenakten?

Zweitens: „Wir müssen uns anschauen, ob die Sortierfunktion funktioniert“, sagt Brune. Bei Patienten, die oft in Behandlung sind, gibt es viele Daten in der ePA. „Das nützt mir als Arzt aber nur etwas, wenn ich die Informationen schnell finden kann“, so der Ärztesprecher. Die Stader Bezirksstelle der KVN betreut 1000 niedergelassene Ärzte zwischen Neu Wulmstorf und Bremen.

Der niedergelassene Kardiologe und Sportmediziner Dr. Stephan Brune ist Bezirksausschuss-Vorsitzender der Bezirksstelle Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN).

Der niedergelassene Kardiologe und Sportmediziner Dr. Stephan Brune ist Bezirksausschuss-Vorsitzender der Bezirksstelle Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Foto: Wisser

Andere Ärzte sind kritischer als Stephan Brune. „Ich rate meinen Patienten derzeit von der E-Patientenakte ab“, sagt Dr. Ole Rathje. Der Allgemeinmediziner und Sportarzt betreibt die Praxis am Gutspark in Nottensdorf. Die Erfolge des Chaos-Computerclubs haben ihn noch skeptischer gestimmt.

Nicht alle medizinischen Daten in der Akte speichern

„Impfpass, Allergien und Unverträglichkeiten, dazu die Medikationspläne - auch wenn man daraus vielleicht Rückschlüsse auf die Krankheit ziehen könnte. Mehr würde ich nicht speichern“, sagt Rathje. Er hat zudem Bedenken beim praktischen Einsatz der Akte.

Dr. Ole Rathje ist Allgemeinmediziner aus Nottensdorf.

Dr. Ole Rathje ist Allgemeinmediziner aus Nottensdorf. Foto: JOERG STRUWE

„Ohne funktionierende Sortierfunktion kann so eine E-Patientenakte ein wahrer Moloch sein“, so Rathje. Grundsätzlich ist für ihn die Digitalisierung der Patientendaten auch der richtige Weg. „Aber vielleicht sollte man auf die Version 5.0 warten“, sagt er.

Dieser Arzt hat sehr grundsätzliche Bedenken

Dr. Matthias Parpart betreibt eine allgemeinmedizinische Hausarztpraxis in Ahlerstedt. Er lehnt die E-Patientenakte ab. „Solange der Patient bestimmen kann, was in der ePA gespeichert wird, ist das Ganze für uns Ärzte nutzlos“, sagt Matthias Parpart.

Die Patienten haben über die App Zugriff auf die E-Akte und steuern, welche Dokumente einsehbar sind. Sie können wohl auch Dokumente sperren und wieder löschen oder die ganze Akte später wieder löschen lassen. Damit können dem behandelnden Arzt aber Informationen zum Gesundheitszustand verloren gehen. Parpart hat Zweifel bei der Sicherheit der Daten.

Mittel gegen falsche Medikamente und Nebenwirkungen

Der Apotheker Dr. Mathias Grau steht der Digitalisierung positiv gegenüber. „Die elektronische Patientenakte ist grundsätzlich gut“, sagt der Chef der Rats-Apotheke in Horneburg und stellvertretende Vorsitzende des niedersächsischen Landesapothekerverbands. Falsche Medikationen und unerwünschte Arzneimittelwirkungen könnten so verhindert werden. Probleme beim Start erwartet Matthias Grau trotzdem.

Dr. Mathias Grau ist Apotheker aus Horneburg und stellvertretender Vorsitzender des niedersächsischen Landesapothekerverbands.

Dr. Mathias Grau ist Apotheker aus Horneburg und stellvertretender Vorsitzender des niedersächsischen Landesapothekerverbands. Foto: (c) LAV Nds./Lorena Kirste

„Das ist immer ein Learning by doing“, sagt er. Aus seinen Erfahrungen beim E-Rezept hofft er, dass ausreichend Datenkapazität bereitsteht. „Das E-Rezept hat oft montags nicht funktioniert, weil alle Praxen und Apotheker gleichzeitig ihre Rechner hochgefahren haben“, sagt Mathias Grau.

Die elektronische Patientenakte soll das Gesundheitssystem entlasten, Doppeluntersuchungen sollen vermieden werden.

Die elektronische Patientenakte soll das Gesundheitssystem entlasten, Doppeluntersuchungen sollen vermieden werden. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

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