TErhöhtes Parkinson-Risiko durch Pestizide im Kreis Stade?
Ein Landwirt fährt mit einer Pestizid- und Düngerspritze über ein Feld. Landwirte sollen ein erhöhtes Risiko haben, an Parkinson zu erkranken. Foto: Pleul/dpa
Wie gefährdet sind Menschen in Landwirtschaft und Obstbau? Müssen sie befürchten, früher oder später an Parkinson zu erkranken? Die Gewerkschaft warnt, eine Arbeitsmedizinerin klärt auf.
Landkreis. „Wer im Landkreis Stade auf dem Feld arbeitet oder im Gewächshaus Pflanzen hochzieht, den kann es treffen: Der Kontakt mit Pflanzenschutzmitteln kann ein erhöhtes Risiko mit sich bringen, an Parkinson zu erkranken“, warnt der Bezirksvorsitzende der IG BAU Hamburg, Achim Bartels.
Für Beschäftigte der „grünen Berufe“ gebe es dazu nun eine wichtige Neuerung: Das Parkinson-Syndrom durch Pestizide wird jetzt erstmals als Berufskrankheit anerkannt, so die IG BAU Hamburg. Damit hätten Betroffene über die Berufsgenossenschaft Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. „Wer welche Unterstützung bekommt, hängt vom Einzelfall ab. Es reicht von der medizinischen Versorgung bis zu Geldleistungen.
Betroffene müssen allerdings nachweisen, dass sie in ihrem Berufsleben mindestens 100 Tage Pestiziden ausgesetzt waren“, so Achim Bartels von der Agrar-Gewerkschaft IG BAU.
Das gelte neben Menschen, die in der Landwirtschaft gearbeitet haben, beispielsweise auch für Beschäftigte im Gartenbau, im Forst und in der Floristik. Sogar auf dem Bau werde bei Sanierungsarbeiten mit Pestiziden gearbeitet. „Vielen ist gar nicht bewusst, wo überall Pestizide zu finden sind. Gerade im Sanitärbereich kommen häufig Baustoffe mit Anti-Schimmelmitteln zum Einsatz. Und die enthalten oft Pestizide“, erklärt Bartels.
Allein in Landwirtschaft und Obstbau sind im Landkreis Stade nach Angaben der IG BAU rund 5290 Menschen beschäftigt. Viele davon hätten auch mit Pflanzenschutzmitteln zu tun, so die Agrar-Gewerkschaft.
Schutzmaßnahmen und spezielle Sicherheitskleidung verhindern den Kontakt
Was sagen denn diejenigen, die direkt betroffen sind? Heino Klintworth, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes im Land Hadeln (Landkreis Cuxhaven), schätzt die Gefahrensituation wie folgt ein: „Früher war der Umgang mit Pflanzenschutzmitteln nicht so klar geregelt wie heute. Moderne Schutzmaßnahmen und spezielle Sicherheitskleidung tragen aktuell dazu bei, dass ein Kontakt mit den Mitteln nahezu ausgeschlossen werden kann. Deshalb ist die Anwendung wesentlich sicherer geworden, im Vergleich zu früher.“
Er gehe davon aus, dass Fälle von Parkinson, im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln, in Zukunft wieder weniger bis gar nicht mehr auftreten werden.
Wie hoch das Risiko an Parkinson zu erkranken wirklich ist und wie man sich schützen kann, erklärt Susanne Müller-Forte, Arbeitsmedizinerin an der Helios Klinik Cuxhaven: „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Pestizide das Risiko für Parkinson erhöhen können, wenn sie eingeatmet, über die Haut aufgenommen oder verschluckt werden. Der Schlüssel liegt jedoch im richtigen Umgang mit diesen Substanzen.“
Das heißt, sich strikt an die Sicherheitsvorschriften halten und das sogenannte STOP-Prinzip anwenden: Substitution (überprüfen, ob gefährliche Mittel durch weniger gefährliche Alternativen ersetzt werden können), technische Maßnahmen (z.B. sichere Fahrkabinen oder andere Schutzvorrichtungen, um direkten Kontakt zu vermeiden), organisatorische Maßnahmen (Tätigkeiten so verteilen, dass der Kontakt minimiert wird) und persönliche Schutzmaßnahmen. Zu denen gehören unter anderem Atemschutz, Schutzbrillen, Schutzkleidung, Handschuhe und Schutzanzüge.
Hinweise auf eine Erkrankung ernst nehmen
„Durch die konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen kann das Risiko erheblich gesenkt werden“, so die Arbeitsmedizinerin. Sicherheitsdatenblätter der Pestizide bieten zudem klare Anweisungen zu den notwendigen Schutzmaßnahmen. Welche Symptome Hinweise auf eine Erkrankung geben können und was dann zu tun ist, erklärt Susanne Müller-Forte ebenfalls: „Sollten Symptome wie Störungen des Geruchssinns, Stimmungsschwankungen, Verstopfung oder ungewöhnliche Bewegungen während des Traumschlafs auftreten, ist eine frühzeitige ärztliche Untersuchung ratsam.“
Abschließend fasst sie zusammen, „dass mit dem richtigen Wissen und konsequenter Umsetzung der Schutzmaßnahmen das Risiko für Landwirte und Gärtner deutlich gesenkt werden kann. Angst ist kein guter Ratgeber, Sicherheit und Prävention sind entscheidend.“
Die IG BAU rät Menschen, die in gefährdeten Branchen arbeiten, sich bei Fragen an ihre jeweilige Berufsgenossenschaft zu wenden.