TErinnerung an gefallene britische Soldaten: Tochter besucht Grab des Vaters

Diane Reynolds mit ihrer Tochter Donna vor dem Ehrenmal in Bevern. Sie besuchte außerdem das Grab des Vaters in Becklingen. Foto: Klöfkorn
Die 81-jährige Kanadierin Diane Reynolds hat den Ort besucht, an dem am 1. Mai 1945 ihr Vater als britischer Soldat ein Opfer des Weltkrieges wurde. Dank des Engagements von Debbie Bülau aus Aspe erfuhr sie alles über seine letzten Tage.
Bevern. Seit einigen Jahren arbeitet Debbie Bülau aus Kutenholz-Aspe erfolgreich mit ihren Mitstreitern daran, in Archiven bislang unbekannte Angaben über Opfer und Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges zutage zu fördern. In dem seit Mai 2020 laufenden Gedenkprojekt beschäftigt sie sich unter anderem damit, die Namen und Lebensläufe britischer Soldaten herauszufinden, die in den letzten Kämpfen in der Region ums Leben kamen. Bei den Recherchen stieß sie dabei auf das Schicksal von Thomas Randell (28), Frank Albert Chatfield (42) und Bernard Wilson (29).
Leichen der Soldaten werden in Kutenholz beigesetzt
Ihre zum 153rd Leicestershire Yeomanry Field Regiment gehörige Division befindet sich in den letzten Kriegstagen auf dem Vormarsch aus Richtung Selsingen nach Bremervörde. Am 1. Mai 1945 sollte die Einheit, so wird es im Kriegstagebuch erwähnt, in Richtung Nord-Ost nach Essel weiterziehen.

Der Vater Thomas Randell hat seine Tochter noch einige Male gesehen. Er starb, als sie 18 Monate alt war. Foto: Stefan Algermissen
Während die Briten in Bevern darauf warten, sich einer Kolonne anzuschließen, geraten sie unter starken Beschuss deutscher Truppen aus Richtung Bremervörde. Dabei explodiert eine Granate zwischen einem M4-Halbkettenfahrzeug und einem Selbstfahrgeschütz. Randell, Chatfield und Wilson sind sofort tot. Drei ihrer Kameraden werden schwer verletzt, überleben jedoch. Die Leichen der drei getöteten Briten werden auf dem Obsthof der Familie Klint in Kutenholz beigesetzt und im August 1946 auf den Ehrenfriedhof in Becklingen umgebettet.
Kleine Tochter einige Male noch gesehen
In Leicester erfährt Randells junge Ehefrau Millicent, mit der er seit dem 29. März 1941 verheiratet ist, vom Tod ihres Ehemannes. Ihre im Oktober 1943 geborene Tochter Diane ist zu diesem Zeitpunkt 18 Monate alt. An ihren Vater hat die heute 81-Jährige folgerichtig keine Erinnerungen. Dieser jedoch habe seine Tochter während der Kriegszeit einige Male sehen können, weiß sie zu berichten. Ihre Mutter heiratet vier Jahre später einen Freund ihres getöteten Vaters und zieht mit diesem, Diane und einer weiteren Tochter 1957 nach Kanada.
Viele Jahre später begibt sich in Deutschland Debbie Bülau auf die Suche nach Angehörigen der getöteten britischen Soldaten. Zu den Journalisten, die über ihr Engagement berichten, gehört Harry Howard von der „Daily Mail“. Seinen Artikel entdeckt im November 2022 zufällig die Enkelin von Diane Reynolds im Internet und ermöglicht es damit ihrer Großmutter, Kontakt zu Debbie Bülau aufzunehmen. Von ihr erfährt Diane Reynolds erstmals, wo ihr Vater 1945 ums Leben kam.
Kinder schenken Reise nach Deutschland
Um ihr einen Besuch am Sterbeort und auf dem Friedhof zu ermöglichen, schenken ihre drei Kinder ihr zu ihrem 80. Geburtstag im Oktober 2023 eine Reise nach Deutschland. Mit ihrer Tochter Donna und deren Ehemann Bret sowie ihrem Sohn Philip unternimmt sie den weiten Trip von Ontario über Frankfurt nach Hamburg. Mit Debbie Bülau besuchen die vier unter anderem das Grab von Thomas Randell in Becklingen sowie die Gedenkstelen, die die Gruppe um Debbie Bülau für die Verstorbenen auf dem Friedhof in Kutenholz aufstellte.
Wo genau ihr Fahrzeug getroffen wurde, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Als sicher gilt jedoch, dass es auf der kurzen Strecke der heutigen Bundesstraße zwischen der Kirche und der Abzweigung nach Hesedorf geschah.

Debbie Bülau (links) mit dem Besuch aus Kanada. Sie wurde dabei unterstützt von dem Kutenholzer Heimatforscher Frank Hoferichter (rechts). Foto: Klöfkorn
Die Familie Reynolds lässt sich in Bevern schildern, welche Gebäude schon 1945 auf dieser Wegstrecke standen und nutzt die Gelegenheit zu einem kurzen Besuch in der Kirche. Gleich daneben, beim Ehrenmal für die Toten beider Weltkriege aus Bevern, legt Diane Reynolds Blumen nieder. Ganz bewusst habe sie sich bei dieser Geste für diesen Ort entschieden, sagt sie.
Ringwallanlage
T Kreisarchäologe: Das „Stonehenge“ der Stader Geest stand in Oersdorf
Beeindruckt vom Andenken der britischen Opfer
Die Soldaten, deren dort gedacht wird, seien ebenso Menschen und Opfer des Krieges gewesen wie ihr Vater und seine britischen Kameraden.
Auf dem Ehrenmal steht auch der Name des kleinen Jungen, der wie die drei Briten am 1. Mai 1945 ums Leben kam. Nahe der Einmündung der Straße nach Hesedorf erleidet er durch einen Granateneinschlag tödliche Verletzungen, seine Mutter wird schwer verletzt.
Von ihrem Besuch in Bevern sowie auf den Friedhöfen in Becklingen und Kutenholz zeigt sich Diane Reynolds emotional sehr berührt. Sie habe sich nicht vorstellen können, sagt sie, dass in Deutschland auf so beeindruckende Weise das Andenken an die toten britischen Soldaten gepflegt werde: „Es ist unglaublich.“ Der Besuch sei sehr wichtig für sie und ihre Familie.
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Vielleicht hat er zuletzt die Kirche des Dorfes gesehen
Jahrelang habe sie angenommen, dass ihr Vater auf einem Schlachtfeld gestorben sei. Es sei beruhigend für sie zu wissen, dass Thomas Randell in einem kleinen Dorf starb und vielleicht sogar zuletzt die Kirche des Dorfes gesehen habe. Dass mittlerweile dort alljährlich am Volkstrauertag auch den britischen Opfern gedacht werde, sei eine wundervolle menschliche Geste.
Der Besuch der Familie aus dem fernen Kanada ist ein weiterer Meilenstein in der Arbeit von Debbie Bülau und ihren Mitstreitern, die Erinnerung an die 14 britischen Soldaten, die kurz vor Kriegsende im Kampf starben und in Kutenholz ein temporäres Grab erhielten, wach zu halten und ihrer zu gedenken. Ihrem Buch „Niemand sollte zweimal sterben – erinnert euch an uns“ kann sie seit Pfingsten ein weiteres wertvolles Kapitel hinzufügen.
Debbie Bülau
Seit Jahren recherchiert Heimatforscherin Debbie Bülau aus Kutenholz-Aspe zu NS-Opfern in der Region - unterstützt von der Stader Kreisarchäologie. Mit ihren Mitstreitern hat sie wie bereits berichtet, ein viel beachtetes Gedenkprojekt initiiert, die Installation von Stelen und Informationstafeln auf Friedhöfen der Samtgemeinde Fredenbeck angeregt und eine Wanderausstellung gestaltet. Manchem Angehörigen konnte die 54-Jährige Gewissheit geben, wo und unter welchen Umständen Eltern oder Großeltern starben. Ihr Buch „Niemand sollte zweimal sterben - erinnert euch an uns“ kostet 45 Euro. Es ist erhältlich unter info@gedenkorte-kutenholz-und-umgebung.de oder kann in Buchhandlungen unter ISBN 978-3-00-076186-7 bestellt werden.