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Nachbarkreis

TEssengehen wird teurer: So stark ziehen die Preise an

Gemeinsam mit seiner Frau Inge betreibt Björn Wolters das Restaurant „Zur Börse“ in einem Haus mit 300-jähriger Gastronomie-Tradition in Wremen.

Gemeinsam mit seiner Frau Inge betreibt Björn Wolters das Restaurant „Zur Börse“ in einem Haus mit 300-jähriger Gastronomie-Tradition in Wremen. Foto: Lothar Scheschonka

Essengehen wird teurer. 3,55 mehr für ein Schollenfilet oder 2,80 Euro mehr für ein Schnitzel sind keine Seltenheit. In diesem Jahr haben viele Restaurants ihre Preise erhöht. Verantwortlich dafür ist nicht nur der erhöhte Mehrwertsteuersatz.

Von Heike Leuschner Sonntag, 07.01.2024, 13:50 Uhr

Cuxhaven. Während der Corona-Krise ist der Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie von 19 auf 7 Prozent gesenkt worden, um die von der Pandemie hart getroffene Branche zu unterstützen. Seit Jahresbeginn müssen Gastronomen für Speisen und Getränke wieder den 19-Prozent-Aufschlag berechnen.

Auch im Kreis wird sich das überall auf den Speisekarten widerspiegeln, sagt Olaf Wurm, Vorsitzender des Bezirksverbandes Stade im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA).

Schnitzelpreis von 18,95 auf 21,75 gestiegen

In seinem eigenen Restaurant „Fisch und Meer“ in Dorum-Neufeld hat Wurm schon Ende vergangenen Jahres angefangen, die Preise schrittweise anzuheben. Kostete ein Schnitzel bei ihm im vergangenen Sommer noch 18,95 Euro, müssen Gäste dafür jetzt 21,75 Euro bezahlen.

Beim Schollenfilet ist der Preis von 22,95 auf 26,50 Euro gestiegen. Macht einen Preisanstieg von jeweils rund 15 Prozent.

Höhere Lebensmittelpreise ein Grund

Bei einer nicht repräsentativen Umfrage unter Berufskollegen hat Wurm erfahren, dass viele Gastro-Betreiber in der Region die Preise für Speisen in diesem Jahr um 15 bis 20 Prozent anheben.

Neben der von 7 auf 19 Prozent erhöhten Mehrwertsteuer fließen in die Kalkulationen auch höhere Lebensmittelpreise, Maut, Strom, Kraftstoff und gestiegene Lohnkosten ein.

Gastronom fragt: „Wird Essengehen zum Luxus?“

Die Betreiber des Restaurants „Zur Börse“ in Wremen, Inge und Björn Wolters, sind ohne Preiserhöhung ins neue Jahr gestartet. Das wird aber nicht so bleiben. „Wir müssen da ran“, sagt Björn Wolters und räumt ein, deswegen „Bauchschmerzen“ zu haben.

Dabei ist es nicht die Mehrwertsteuer, die Wolters grundsätzlich drückt: „Wir haben früher auch 19 Prozent gehabt und sind damit klargekommen. Nur jetzt, in dieser Zeit, ist es schwierig.“ Auch er verweist auf die Kostensteigerungen, die die Gastronomie in vielen Bereichen treffen. Dennoch zweifelt Wolters, ob eine pauschale Erhöhung von mindestens 12 Prozent der richtige Weg ist.

„Die Gäste werden auch preissensibler“, sagt er und fragt: „Wer kann sich das noch leisten? Wird Essengehen zum Luxus?“ Eine Pizza lasse sich anders kalkulieren als ein Damhirschrücken oder eine Hummersuppe. Die Preise seien ohnehin schon hoch, meint er mit Blick auf die Branche. „Aber eine Suppe für zehn Euro – wo soll das noch hinführen?“

Sorge um größere Preissensibilität bei Gästen

DEHOGA-Chef Wurm hält sich mit Prognosen zum Gästeverhalten bislang zurück. Noch habe kein Kunde etwas zu den neuen Preisen auf seiner Karte gesagt. Er fragt sich, wie sich Einheimische verhalten, die er für preissensibler hält.

Gleichzeitig fürchtet er, dass auch Gäste in diesem Jahr noch stärker auf ihre Ausgaben achten werden. „Wenn Urlauber schon 1000 Euro für ein Ferienhaus bezahlen – vielleicht fällt da künftig einmal Essengehen weg. Bei vier Personen ist eine Familie schnell mit 120 Euro dabei.“

Wurm fürchtet, dass die Zahl der gastronomischen Betriebe weiter sinken wird. Auch wegen der zahlreichen bürokratischen Auflagen und der Probleme, Nachfolger für ihre Betriebe zu finden.

DEHOGA fürchtet um Bestand großer Landgasthöfe

Nach Auskunft von Henrik Gerken von der IHK Stade geben zwar mehr gastronomische Betriebe auf, als neu gegründet haben. „Aber noch halten sich Aufgaben und Neugründungen fast die Waage.“ Im Corona-Jahr 2020 verzeichnete die IHK für den Landkreis Cuxhaven sogar mehr Neugründungen (62) als Geschäftsaufgaben (53). Allerdings sind in diesen Zahlen nicht nur Restaurants, sondern auch Imbiss-Geschäfte enthalten.

Laut Wurm stehen viele größere Betriebe in den nächsten Jahren vor dem Aus. Aufgaben, die wohl zum Großteil durch Neueröffnungen zwar kompensiert werden können. „Aber gerade das, was in der ländlichen Region verloren geht, ist unwiederbringlich“, sagt der DEHOGA-Vorsitzende. „Wer übernimmt denn noch einen großen Landgasthof?“

Saalbetreiberin verzeichnet Nachfragerückgang

Ilka Hersemeier-Duit betreibt in Loxstedt-Hohewurth einen großen Saalbetrieb. Bereits in den ersten Tagen des neuen Jahres hat sie eine größere Zurückhaltung bei den Gästen wahrgenommen als in den meisten Jahren zuvor. Normalerweise seien um diese Zeit nahezu alle Samstage des Jahres ausgebucht gewesen. In diesem Jahr habe sie noch ein Dutzend Samstage frei.

Auch Hersemeier-Duit muss ihre Preise angesichts der Mehrwertsteuer und anderer Kosten neu kalkulieren. „Preise von vor acht, neun Jahren sind einfach nicht mehr realistisch.“ Dennoch scheue sie sich, sämtliche Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. „Die Gäste schauen mehr aufs Geld, da muss man miteinander reden, sich arrangieren und einen Kompromiss finden. Ansonsten kannst du den Laden gleich dichtmachen.“

Auf dem Saal von Hersemeier in Loxstedt-Hohewurth wurde in der Vergangenheit auch oft und gern getanzt. Für dieses Jahr verzeichnet Inhaberin Ilka Hersemeier-Duit bislang eine eher verhaltene Buchungslage.

Auf dem Saal von Hersemeier in Loxstedt-Hohewurth wurde in der Vergangenheit auch oft und gern getanzt. Für dieses Jahr verzeichnet Inhaberin Ilka Hersemeier-Duit bislang eine eher verhaltene Buchungslage. Foto: Schmonsees

„2024 wird kein süßes Jahr für die Gastronomie“, prophezeit die Gastronomin angesichts der Auftragslage, „besonders nicht für Saalbetriebe.“ Um über die Runden zu kommen, nimmt sie seit Corona eine feste Saalmiete von ihren Gästen. Nur durch den Verzehr sei sie insbesondere bei kleineren Gruppen in der jüngeren Vergangenheit nicht einmal mehr auf ihre Betriebskosten gekommen.

DEHOGA-Vorsitzender will mit Irrglauben aufräumen

Wurm spricht von einer insgesamt getrübten Stimmung in der Branche. Die Hoffnung, dass die Bundesregierung den abgesenkten Mehrwertsteuersatz für Speisen und Getränke noch einmal verlängert, sei bis in den November hinein groß gewesen.

Viele Gastronomen empfänden den Steuersatz zudem im Vergleich zur Außer-Haus-Gastronomie als unfair, für die es bei 7 Prozent Mehrwertsteuer bleibt. „Wie seltsam ist das, dass wir 19 Prozent Mehrwertsteuer abführen müssen für absolute Nachhaltigkeit mit Mehrweggeschirr und Personaldienstleistung“, sagt Wurm. „Demgegenüber stehen 7 Prozent für Einmalverpackungen, Plastik. Meiner Meinung nach wäre es andersherum richtig.“

Aufräumen möchte der DEHOGA-Vorsitzende mit dem „Irrglauben“, dass die Mehrwertsteuerabsenkung der vergangenen Jahre an Gäste weitergegeben werden sollte. „Dafür war sie gar nicht gedacht.“

Wurm verweist auch darauf, dass rund 90 Prozent der Gastronomen ihre Corona-Soforthilfen zurückzahlen müssten, weil sie in den betroffenen Jahren besser verdient hätten, als ursprünglich gedacht. Andererseits seien zugesagte Fördermittel für betriebliche Investitionen bis heute nicht ausgezahlt worden, berichtet er.

„Wir werden auf jeden Fall fair kalkulieren und mit Gästen darüber sprechen“

„Zur Börse“-Inhaber Wolters will in den nächsten Tagen seine Speise- und Getränkekarte neu kalkulieren. Das Drei-Gänge-Fischmenü, für das er jetzt 37,80 Euro berechnet, werde dann sicher mehr als 40 Euro kosten. Für das Vier-Gänge-Menü werde er künftig wohl etwas über 60 Euro nehmen (aktuell 55,80).

„Ich möchte aber nicht, dass Gäste die teuren Speisen essen müssen, sondern dass sie auch Matjes oder eine Salatplatte bestellen können, ohne gleich umzukippen, wenn sie den Preis sehen“, sagt Wolters. Aus diesem Grund wolle er mit dem Schnitzelpreis auch bei unter 20 Euro bleiben.

„Wir werden auf jeden Fall fair kalkulieren und auch mit Gästen darüber sprechen“, kündigt er an. Und dazu gehört für ihn auch, dass er einen Teil der Erhöhung selbst trägt, „auch wenn es bitter ist“. Rücklagen zu bilden, werde dann ganz schwierig.

Wie seine Gäste reagieren, vermag Wolters nicht zu prognostizieren. „Eigentlich sind selbst Januar, Februar, März bei uns sehr gut besuchte Monate. Aber jetzt müssen wir erst mal abwarten, ob der Gast noch bereit ist, uns zu besuchen.“

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