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Handball

TEx-BSV-Spielmacherin Kalia Klomp und der Abschied vom Leistungssport

Am 21. Oktober bestritt Kalia Klomp das letzte Spiel ihrer Karriere - unter Schmerzen. Anschließend flossen Tränen.

Am 21. Oktober bestritt Kalia Klomp das letzte Spiel ihrer Karriere - unter Schmerzen. Anschließend flossen Tränen. Foto: Jan Iso Jürgens/IsoluxX Fotografie

Wegen einer Rückenverletzung hatte die ehemalige Buxtehuder Handballerin Kalia Klomp vor wenigen Wochen ihre Karriere beendet. Im Interview spricht die 24-Jährige über ihre Rückenprobleme, den Abschied vom Leistungssport und ein Leben in Schweden.

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Von Tim Scholz
Samstag, 09.12.2023, 07:50 Uhr

Buxtehude. Der Vertrag ist aufgelöst, die Wohnung in Buxtehude ausgeräumt - für Kalia Klomp ist das Kapitel Handball abgeschlossen. Das TAGEBLATT ruft sie an und möchte wissen, wie es ihr nach dem plötzlichen Karriere-Aus geht und was jetzt kommt.

TAGEBLATT: Kalia Klomp, wo erreiche ich Sie gerade?

Klomp: Ich bin in den Niederlanden, bei meinen Eltern in Helmond. Über Weihnachten und Silvester bleibe ich hier, im neuen Jahr geht es dann nach Schweden.

Sie mussten vor kurzem Ihre Karriere wegen einer Rückenverletzung beenden. Wie fühlen Sie sich jetzt?

Zuerst war es ein Schock. Es tat richtig weh, als ich beim Heimspiel gegen Leverkusen auf der Tribüne saß und wusste, dass ich nicht mehr spielen werde. Aber langsam schaue ich wieder optimistischer nach vorne.

Nach vier Bundesliga-Spielen und sieben Toren war Schluss für Kalia Klomp.

Nach vier Bundesliga-Spielen und sieben Toren war Schluss für Kalia Klomp. Foto: Jan Iso Jürgens/IsoluxX Fotografie

Sie standen zuletzt sogar im erweiterten WM-Kader der Niederlande.

Ja, auch deswegen hat es sehr geschmerzt. Egal wo ich gerade hinschaue, ob auf Instagram oder Facebook, gefühlt dreht sich alles um Handball. Und ja, in meinem Leben gibt es keinen Handball mehr.

Was hilft Ihnen jetzt?

Meine Familie und mein Job. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein. Bald kommt mein Freund aus Schweden zu Besuch. Das ist eine gute Ablenkung. Und in meinem Job werde ich bald mehr Stunden arbeiten.

Sie haben einen Master in Kommunikationswissenschaften und arbeiten für eine Immobilienverwaltung in Schweden im Bereich Kommunikation und Marketing.

Ja, genau. Ich bin froh, dass ich neben dem Handball studiert habe, genau für den Fall, dass so etwas passiert.

Haben Sie sich auch professionelle Unterstützung geholt?

Nein, aber in Buxtehude habe ich natürlich mit unserer Sportpsychologin gesprochen. Und wegen meiner Rückenprobleme bekomme ich Physiotherapie.

Mie Elen Rakstad (links) nimmt Kalia Klomp nach ihrem allerletzten Spiel in den Arm.

Mie Elen Rakstad (links) nimmt Kalia Klomp nach ihrem allerletzten Spiel in den Arm. Foto: Jan Iso Jürgens/IsoluxX Fotografie

Blicken wir zurück. Wann haben die Rückenprobleme angefangen?

Das ist schwer zu sagen. Ich hatte schon Rückenprobleme, als ich 18 war. Ich hatte aber keine Schmerzen, ich war nur nicht so beweglich. Erst im Sommer im Trainingslager fing mein Oberschenkel an zu schmerzen. Ich dachte, okay, das ist Sport, da zwickt immer was. Aber diesmal waren die Schmerzen stärker.

Waren die Rückenprobleme schon Thema beim Medizincheck vor Ihrer Verpflichtung?

Es wurde kein Ganzkörper-MRT gemacht. Das ist nicht üblich. Es wurde aber eben festgestellt, dass ich in diesem Bereich nicht so beweglich bin, allerdings ist das wohl nicht so außergewöhnlich.

Im Laufe der Saison wurden die Schmerzen dann immer größer.

Ja, da sind wahrscheinlich zwei Dinge zusammengekommen. Zum einen sind die Rückenprobleme über die Jahre schlimmer geworden und zum anderen war ich jetzt in der Bundesliga. Hier wird viel körperlicher und härter gespielt als in den Niederlanden und in Schweden, auch die Belastung im Training ist höher. Wir dachten, dass die Schmerzen im Oberschenkel von einer Blockade in meinem Rücken kommen und haben das mit Physiotherapie behandelt. Aber das hat nicht geholfen.

Was war es dann? Haben Sie eine genaue Diagnose?

Spondylolisthesis. Wirbelgleiten könnte man dazu sagen. In meinem Fall ist ein Wirbel verrutscht. Dadurch ist der Druck auf die Bandscheibe so groß geworden, dass sie sich ausgewölbt hat und einen Nerv einklemmt. Das verursacht die Schmerzen im Bein.

Wie haben Sie von der Diagnose erfahren?

Ein paar Tage nach dem MRT hat mich Mannschaftsarzt Dr. Körner angerufen und gefragt: Kalia, wo bist du jetzt? Ich bin gerade Auto gefahren. Da hat er gesagt: Es ist besser, wenn du morgen vorbeikommst und wir die Ergebnisse besprechen.

Was ging Ihnen durch den Kopf?

Ich habe geahnt, dass es ernst sein muss. Ich konnte nicht schlafen, habe die ganze Nacht gegoogelt, was das für eine Diagnose sein könnte. Vielleicht eine Hernie. Ich dachte, jetzt muss ich ein ganzes Jahr pausieren. Aber dass ich aufhören muss, daran habe ich überhaupt nicht gedacht.

Wie haben Sie sich nach dem Gespräch gefühlt?

Ich war immer noch voller Hoffnung, dass es eine Lösung gibt. Auf Empfehlung unseres Mannschaftsarztes habe ich noch andere Spezialisten aufgesucht, einen in Hamburg und die Ärzte von der niederländischen Nationalmannschaft. Aber auch sie rieten mir aufzuhören. Auf der Rückfahrt habe ich nur noch geweint.

Aber Sie haben dann doch wieder für den BSV gespielt.

Ja, aber ich hätte die Saison nicht mehr zu Ende spielen können. Das Risiko, dass die Nerven weiter geschädigt werden und ich das Gefühl in den Füßen oder Beinen verliere, wäre zu groß gewesen.

Warum wollten Sie unbedingt dieses eine Spiel gegen Solingen noch bestreiten?

Ich habe den Ärzten gesagt, dass es ein sehr wichtiges Spiel ist, dass wir gewinnen müssen. Und auf meiner Position war ich die einzige gelernte Spielmacherin. Die Ärzte waren damit einverstanden. Es war schön, dieses letzte Spiel zu haben. Meine Familie war auch in der Halle. Es war sehr emotional.

Und Sie wurden sogar zur Spielerin des Spiels gewählt. Wie hat die Mannschaft Ihr Karriereende aufgenommen?

Alle waren traurig, weil es so schnell ging. Die Mädels wissen, was Handball für mich bedeutet.

Wie war der Abschied?

Lotta (Heider, BSV-Handballerin) und zwei andere Spielerinnen wollten mit mir noch einmal essen gehen. Und dann saß auf einmal die ganze Mannschaft im Restaurant. Das war sehr schön.

Kalia Klomp mit den Langzeitverletzten Maja Schönefeld (links) und Sinah Hagen.

Kalia Klomp mit den Langzeitverletzten Maja Schönefeld (links) und Sinah Hagen. Foto: Jan Iso Jürgens/IsoluxX Fotografie

Wie blicken Sie auf Ihre Karriere zurück?

Ich bin stolz darauf, in drei Ländern Handball gespielt zu haben, in der Jugendnationalmannschaft gewesen zu sein und ganz viele Menschen kennengelernt zu haben. Dafür bin ich dankbar.

Wie gehen Sie heute mit Ihren Rückenproblemen um?

Ich mache Physiotherapie, um im Rücken stabiler und auch lockerer zu werden. Dann kann ich versuchen, auch wieder etwas Sport zu machen, zum Beispiel Joggen, Radfahren, Skifahren. Ich hatte große Angst, dass ich das gar nicht mehr kann.

Und eine Operation?

Ich werde wahrscheinlich nicht um eine Operation herumkommen. Aber wenn wir die Schmerzen im Bein in den Griff bekommen, muss ich nicht so schnell operiert werden, sondern wohl erst in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren.

Können Sie sich ein Leben ohne Handball vorstellen? Können Sie loslassen?

Ich denke, es ist wichtig, etwas Abstand vom Handball zu gewinnen, mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen und neue Dinge zu entdecken. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass der Handball irgendwann wieder einen Platz in meinem Leben findet, vielleicht als Jugendtrainerin oder so.

Sie sagten eingangs, dass Sie nach Schweden gehen. Dort standen Sie vor Ihrem Wechsel nach Buxtehude bereits unter Vertrag.

Ich habe in Boden in Schwedisch Lappland gespielt und dort auch meinen Freund kennengelernt. Nächstes Jahr wollen wir uns dort gemeinsam ein neues Leben aufbauen. Schweden ist ein tolles Land.

Zur Person

Kalia Klomp (24) durchlief alle Jugendnationalmannschaften der Niederlande. Die Spielmacherin spielte für verschiedene Vereine in der ersten Liga ihres Heimatlandes. Bevor sie im Sommer zum BSV wechselte, stand sie drei Jahre bei Boden Handboll IF in Schweden unter Vertrag. Beim BSV hatte Klomp für zwei Jahre unterschrieben. Anfang November gab der Verein ihr Karriereende bekannt.

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