TExperte erklärt: Darum wird die Autoversicherung teurer

12 Millionen Autobesitzer erhalten für ihre Kfz 2025 neue Typklassen. Foto: Tarifcheck.de
Wie entwickeln sich die Kfz-Versicherungen und worauf müssen sich die Versicherten aus Region einstellen? Ein Experte gibt Tipps.
Cuxhaven. Jens Hellwege ist in Oberndorf in dritter Generation Agentur-Inhaber einer VGH-Vertretung. Dort werden bereits seit 1964 Versicherungen für Privat-Landwirtschaft- und Gewerbekunden angeboten. Sein Team besteht aus fünf Mitarbeitenden. Sein Team und er betreuen vor allem Oberndorf und die umliegenden Ortschaften. Er kennt die Hintergründe zur Preisentwicklung von Kfz-Versicherungen.
Werden Autoversicherungen merklich teurer?
Ja, die Anpassung ist dringend notwendig. Die Branche ist seit langem defizitär, das heißt. es wurde mehr an Schadenleistungen gezahlt, als über Beiträge eingenommen wurde. Während die Inflationsrate seit 2014 um circa 28 Prozent anstieg und Ersatzteile rund 70 Prozent stiegen, ist der Beitrag in Kraftfahrt-Haftpflicht nur um rund 12 Prozent gestiegen.
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In 2023 haben die Versicherer über 3 Milliarden Euro Verlust mit der Sparte Kfz gemacht. Das Bundesaufsichtsamt für Finanzen mahnt die Versicherer und drängt auf auskömmliches Wirtschaften mit den Geldern der Kunden.
Auf welche Preissteigerungen müssen sich Versicherte bei der Auto-Haftpflicht sowie bei Voll- und bei Teilkasko denn einstellen?
Um überhaupt auskömmlich zu arbeiten, müsste branchenweit der Beitrag um 20 Prozent angepasst werden, um eine schwarze Null zu schreiben. Ob Versicherer höhere Anpassungen vornehmen werden, gilt es abzuwarten. Da lässt sich niemand in die Karten schauen. Wettbewerb bleibt Wettbewerb.

Jens Hellwege aus Oberndorf ist bereits in dritter Generation Agentur-Inhaber. Foto: privat
Versicherer, die dieses Jahr und in Folgejahren nur im geringen Maße anpassen, laufen Gefahr, dass sie die steigenden Kosten im Schadenfall in den nächsten Jahren weiterhin nicht kostendeckend auffangen können. Versicherer, die jetzt sofort deutlich die Beiträge anpassen, können Gefahr laufen, Kunden zu verlieren, sind aber langfristig finanziell besser aufgestellt.
Das bedeutet auch, dass diese Versicherer wahrscheinlich eher in Zukunft weniger anpassen werden, als es diejenigen müssen, die jetzt nur im geringen Maße anpassen. Somit verschiebt es nur die notwendige Beitragsanpassung.
Welche Gründe hat dieser signifikante Anstieg?
Die hohen Kosten resultieren vor allem aus dem Schadenbereich. Inflation sowie Lieferengpässe für Ersatzteile und die Werkstattkosten spielen eine Rolle. Ein Beispiel: während in 2014 ein Haftpflichtschaden den Versicherern im Schnitt 2500 Euro gekostet hat, kostet dieser im aktuellen Jahr 2024 circa 4000 Euro.
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Das ist ein Anstieg von knapp 60 Prozent. Ein gutes Beispiel sind Schäden an der Motorhaube: Im Schnitt hat diese im Jahr 2021 448 Euro gekostet. In 2024 kostet sie bereits 628 Euro. Das sind 40 Prozent Steigerung. Preise für Rückleuchten sind sogar in den letzten zehn Jahren um 86 Prozent gestiegen
Und auch die Stundenverrechnungssätze der Werkstätten sind überdurchschnittlich stark gestiegen. Das hat zu einem mit geforderten Lohnerhöhungen zu tun zum anderen aber auch mit den aufwändigeren und umfassenderen Leistungen.
Im Haftpflichtschadenfall sorgt zum Beispiel ein Lieferengpass von Ersatzteilen dafür, dass der nicht fahrbereite Wagen durch einen Mietwagen für die Dauer der Reparatur ersetzt werden muss und durch die lange Lieferzeit von Ersatzteilen, der Mietwagen längere Zeit in Anspruch genommen werden muss als sonst.
Auch ist ein weiterer Kostentreiber die Inanspruchnahme von Anwälten bei eher kleinen und einfach gelagerten Schäden. Diese Kosten werden letztlich von allen Versicherungsnehmern getragen, denn die Rechnung wird im nächsten Jahr von allen Versicherten gezahlt werden müssen.
Was können Sie Versicherten raten, um gegebenenfalls Kosten zu senken? Lohnt es sich zum Beispiel, den Rechnungsbetrag nicht vierteljährlich, sondern einmal im Jahr zu bezahlen?
Wenn die Beitragsgenüberstellung den heimischen Briefkasten erreicht und geöffnet wird, sollte man sich zuerst einmal genau dieses Schreiben ansehen. Viele haben mittlerweile Kenntnis über die Beitragsanpassung und die Hintergründe dieser erlangt. Grundsätzlich sollte man sich fragen, welchen Mehrwert bietet mir mein derzeitiger Versicherer beziehungsweise mein Ansprechpartner.
Natürlich ist die Zahlweise des Beitrages auch ein Faktor, der ein paar Prozent des Beitrages ausmacht. Wer es sich leisten kann und möchte, der kann mit einer jährlichen Beitragsbegleichung 3 bis 5 Prozent im Jahr sparen. Hinterfragen sollte man aber auch, ob die Teil- oder Vollkasko noch benötigt wird.
Wie sieht es mit einer Kfz-/Insassenunfallversicherung aus? Habe ich bereits eine Unfallversicherung? Weitere wichtige Tarifmerkmale sollten auch vor dem Anruf beim Versicherer geprüft werden: Besitze ich eine Garage? Ein Einfamilienhaus? Eine Eigentumswohnung? Wie viel Kilometer fahre ich im Jahr? Wer nutzt mein Auto? Ich mein Partner, meine Kinder? Wie alt sind diese? In welcher Branche arbeite ich? Das sind schon einmal alles wichtige Faktoren, um erst einmal mit dem derzeitigen Versicherer über einen neuen Beitrag zu verhandeln.
Bemerken Sie, dass vor allem jüngere Leute Versicherungen eher bei einem anonymen Online-Portal abschließen? Haben Sie überhaupt noch Chance, diese Generation von dem Vor-Ort-Service zu überzeugen?
Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass sich Kunden, auch junge Kunden, öfter mal online umschauen. Die Abbruchquoten dieser so genannten Online-Abschlussstrecken sind allerdings recht hoch. Viele möchten die Verantwortung der Beratung nicht auf sich nehmen oder kennen sich im Detail nicht mit der Materie aus.
Wir haben Erfahrungen gemacht, dass Kunden, die schon einmal online versichert waren, nach einer gewissen Zeit zu uns in die örtliche Versicherungsvertretung zurückgewechselt sind. Hier wird sich persönlich ohne lange Wartezeit gekümmert, und es ist eine sehr gute Erreichbarkeit gegeben.
Dass der Versicherer, der mit örtlichen Agenturen, mit Mitarbeitern und guten Öffnungszeiten etwas mehr kostet als der Online-Versicherer, versteht sich von selbst. Es werden damit auch Arbeitsplätze in der Region geschaffen und erhalten und im Ort kommt über die Gewerbesteuer auch diesem noch was zugute.
Wer öfter wechselt, vor allem zum Direktversicherer, ist für diesen erst einmal ein Neukunde. Vor allem, wenn es um Kunden mit nur einem Vertrag geht, ist dieser gerade im Schadenfall immer ein Kunde, der nicht kostendeckend ist. Mir wurde schon von Fällen berichtet, wo Versicherer dem Kunden nach dem ersten Schaden bereits gekündigt haben.