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Tag der Bauwirtschaft

TExpertenrunde in Buxtehude: Kann es bezahlbares Wohnen noch geben?

Beim Bau des Apartmenthauses für Auszubildende der Haspa in Hamburg-Altona wurden industriell gefertigte Bäder in die Etagen eingelassen. Dieses teilweise serielle Bauen trug zu geringeren Baukosten bei.

Beim Bau des Apartmenthauses für Auszubildende der Haspa in Hamburg-Altona wurden industriell gefertigte Bäder in die Etagen eingelassen. Dieses teilweise serielle Bauen trug zu geringeren Baukosten bei. Foto: Nord-Immo

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum wird mit jedem Jahr schlimmer. Wie Wohnen wieder preisgünstiger werden könnte, diskutieren Fachleute in Buxtehude.

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Von Thomas Sulzyc
Samstag, 14.09.2024, 17:50 Uhr

Buxtehude. 294.400 Wohnungen wurden 2023 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland gebaut. Das waren 900 weniger als 2022. Das zeigt: Der Wohnungsbau kommt trotz großen Bedarfs nicht in Schwung. Denn das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung von jährlich 400 000 neuen Wohnungen wurde damit erneut deutlich verfehlt.

Die Branche sei seit drei Jahren im Krisenmodus, sagt Dr. Olaf Krüger. Der Vorstand der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Süderelbe AG moderiert das Expertenforum Tag der Bauwirtschaft 2024 an der Hochschule 21 in Buxtehude.

Den einen Ausweg aus der Misere gibt es nicht

Wohnungsbau gilt als zu teuer, bezahlbarer Wohnraum ist deshalb Mangelware. Die eine Lösung, die Misere im Wohnungsbau zu beenden, gäbe es nicht, dämpft Dr. Ingo Hadrych, Präsident der Hochschule 21, die Erwartungen der etwa 90 Besucher und Besucherinnen. Aber ein Bündel vieler unterschiedlicher Maßnahmen versprechen Besserung. Darüber müssen die Fachleute sprechen - immer wieder.

Überregulierung gilt als eine Wurzel des Übels. „Wir haben Standards, die können wir uns nicht mehr leisten“, sagt Niedersachsens Bauminister Olaf Lies (SPD) in einer vorproduzierten Videobotschaft an das Publikum an der Hochschule 21. Im Wohnungsbau könnte Bauherren gestattet werden, weniger Parkplätze schaffen zu müssen, lautet ein Vorschlag des Ministers.

Hamburgs Bausenatorin Karen Pein (SPD): „Schalldämmung für Balkone braucht kein Mensch."

Hamburgs Bausenatorin Karen Pein (SPD): „Schalldämmung für Balkone braucht kein Mensch." Foto: Sulzyc

Im Gegensatz zu Lies nimmt Hamburgs Bausenatorin Karen Pein (SPD) auf dem Podium an dem Expertenforum in Buxtehude teil. „Wir müssen erreichen, dass Baukosten um ein Drittel sinken“, gibt sie als Ziel aus. Welche Vorschrift zur Kostensenkung ihrer Meinung nach weg könne, sagt die Bausenatorin auch noch: „Schalldämmung auf Balkonen braucht kein Mensch.“

Beschreibungen der kostentreibenden Auswüchse im Wohnungsbau gibt es viele. Etwa, dass sich Nicole Müller, Sprecherin des Branchenspitzenverbandes Zentraler Immobilienausschuss (ZIA) Nord, über elf Steckdosen in einem acht Quadratmeter großen Raum wundert. „Haben wir nicht mehr alle?“, ruft sie in ihrem Vortrag dem Publikum zu und fasst sich an den Kopf.

Warum Vorschriften, die Baukosten in die Höhe treiben, nicht gestrichen werden, diese Antwort blieben die Fachleute schuldig. Vermutlich, weil an einer einzigen DIN-Norm ganze Geschäftszweige hängen. Klimaschutz und günstiges Bauen schließe sich nicht aus, sagt Bausenatorin Pein. „Wir haben uns in eine Diktatur der Vorschriften begeben“, findet der Buxtehuder Thomas Ringhoff, ein Besucher im Publikum.

Ein Ende der Misere im Wohnungsbau scheint noch nicht in Sicht. „Die hohen Kosten für Material sinken nicht - sie stabilieren sich“, sagt Nicole Müller. Sie ist Verbandsfunktionärin und als Geschäftsführerin der Wohnkompanie Nord GmbH auch Unternehmerin.

Einen Mitverantwortlichen für die Krise im Wohnungsbau hat Nicole Müller ausgemacht: den deutschen Staat. „Der Staat ist ein Kostentreiber“, sagt sie. Er sei direkt oder indirekt für mehr als ein Drittel der Kosten beim Wohnungsbau verantwortlich.

Nicole Müller, Sprecherin Zentraler Immobilienausschuss Nord: „Der Staat selber ist ein Kostentreiber.“

Nicole Müller, Sprecherin Zentraler Immobilienausschuss Nord: „Der Staat selber ist ein Kostentreiber.“ Foto: Sulzyc

Stärkere Anreize vom Staat für Bauunternehmen, fordert der Zentrale Immobilienausschuss. So könne laut dem Branchenverband der Stillstand im Wohnungsbau überwunden werden: Ein zinsgünstiges Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau mit einem Zinssatz von 1 bis 2 Prozent für den Neubau mit dem EH 55 Standard müsse her. Dazu eine zeitweilige Senkung der Grunderwerbssteuer. Und eine Reduzierung der Umsatzsteuer auf Bauleistungen von 19 Prozent auf 7 Prozent für den sozialen Wohnungsbau.

Bund und Länder unterstützen die Branche mit milliardenschweren Förderprogrammen. Deshalb findet Hamburgs Bausenatorin Karen Pein: „Die Bauwirtschaft ist auch in der Verantwortung.“

Einig sind sich die Fachleute: Das Bauen in Serie kann Wohnungsbau bezahlbar machen. Dabei werden Wohnungsgebäude nicht mehr nur auf der Baustelle errichtet, sondern in einem Werk zumindest zum Teil vorgefertigt.

Bauen in Serie gehört die Zukunft

„Wir müssen serielles, industrielles Bauen verwirklichen - auch mit Blick auf den Fachkräftemangel“, sieht Dr. Rolf Bösinger, Staatssekretär des Bundesbauministeriums, darin einen Weg aus der Wohnungsbaukrise.

Als gelungenes Beispiel für neu geschaffenen bezahlbaren Wohnraum gilt dem Expertenforum nach das vor kurzem eröffnete Apartmenthaus für Auszubildende der Hamburger Sparkasse (Haspa) am Alsenplatz in Hamburg-Altona.

Die Visualisierung zeigt das in diesem Sommer eröffnete Apartmenthaus für 140 Auszubildende der Haspa in Hamburg-Altona. Es gilt als Beispiel für teilweise serielles Bauen - und als bezahlbar.

Die Visualisierung zeigt das in diesem Sommer eröffnete Apartmenthaus für 140 Auszubildende der Haspa in Hamburg-Altona. Es gilt als Beispiel für teilweise serielles Bauen - und als bezahlbar. Foto: Haspa

In dem laut Immobilienzeitung 22-Millionen-Euro-Projekt leben 145 Auszubildende in insgesamt 70 Zweier- oder Dreier-Apartments. Sie zahlen 235 Euro Kaltmiete im Monat, dazu 195 Euro Nebenkosten (Internet und Nutzung von Waschmaschinen inklusive).

Die in dem Gebäude verwendeten einheitlichen Bäder waren industriell vorgefertigt und wurden als Module in den Etagen eingefügt, berichtet Torsten Gerke von der Haspa-Tochter Hanse Grund. Ein Baustein, um die Kosten des Neubaus zu senken.

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