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TExplodierende Tierarzt-Kosten: Pferdehalter fürchten Konsequenzen für den Reitsport

Für die größte Aufregung rund um die neue Gebührenordnung für Tierärzte sorgt die sogenannte „Hausbesuchsgebühr“.

Für die größte Aufregung rund um die neue Gebührenordnung für Tierärzte sorgt die sogenannte „Hausbesuchsgebühr“. Foto: Zoonar.com/Yuri Arcurs/imago images

Die Preise explodieren in allen Lebensbereichen. Auch Tierhalter sind davon in vielfältiger Weise betroffen. Vor allem die Diskussionen um die neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) reißen nicht ab. Bedroht diese sogar den Pferdesport?

Von Mareike Scheer Mittwoch, 20.12.2023, 12:15 Uhr

Seit Inkrafttreten der neuen Gebührenordnung im November 2022 haben Pferdebesitzer und Halter von Haustieren erlebt, dass sich viele Rechnungen verdoppelt haben. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) reagiert und hat gemeinsam mit der neu gegründeten Vereinigung Deutscher Tierhalter (VDTH) eine Petition gegen die GOT gestartet.

Die Sorge des Verbandes laut FN-Präsident Hans-Joachim Erbel: „Viele unserer Pferdehalter haben bei ihren letzten Tierarztrechnungen einen regelrechten Preisschock erlebt. Das ist für viele Tierbesitzer nicht mehr leistbar und geht zulasten der Tiere und des Tierschutzes, wenn der Tierarzt zu spät oder gar nicht mehr gerufen wird.“

Pferdezucht- und -sportverbände starten Petition an BMEL

Mit einer Unterschriftenaktion fordert die FN gemeinsam mit 58 Pferdezucht- und Pferdesportverbänden sowie der VDTH eine Überarbeitung der aktuellen Gebührenordnung.

„Wir haben alle unsere Mitglieds- und Anschlussverbände gefragt, ob sie mitmachen wollen, und haben eine 100-prozentige Zusage-Quote erhalten. Es sind sogar noch einige Vereine mehr dazu gekommen, so dass wir jetzt insgesamt 60 Unterstützer der Aktion sind“, erklärte FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach.

Das Logo der Petition der FN im Kampf gegen die neue GOT.

Das Logo der Petition der FN im Kampf gegen die neue GOT. Foto: FN

Die immer weiter steigenden Kosten machen auch Anke Dieckell Sorgen, wie sie bereits nach Bekanntmachung der Verschärfung der Mautpflicht zum 1. Juni 2024 betonte. Auch die wird die Kosten für Pferdehalter deutlich erhöhen.

„Es ist ein Graus in Deutschland, es nimmt einfach kein Ende. Und bei vielem weiß ich nicht, ob sie sich damit einen Gefallen getan haben“, sagt die Berufsreiterin aus Elmlohe, die selbst über drastische Schritte nachdenkt.

„Ich werde daraus Konsequenzen ziehen und weniger machen. Nur noch ein paar Reitpferde. Und dann muss man letztlich gucken, ob der Pferdesport wieder richtig in die Gänge kommt. Ich höre von allen Seiten, dass sich kein neues Pferd mehr angeschafft wird, wenn das andere einmal nicht mehr ist. Das ist alles rückläufig und eine traurige Entwicklung.“

Die Unterschriften der Petition sollen direkt an den für die GOT zuständigen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) übergeben werden. Die Laufzeit der Aktion ist bis zum 30. Januar. Die Unterschriften können online unter vdth-ev.de/petition oder auf Unterschriftenlisten geleistet werden.

„Die Zukunft des Pferdesports ist gefährdet“

„Die Tierärztegebührenordnung bedroht nicht nur private Tierhalter, sondern auch viele Vereine, Zuchtbetriebe, Pensions- und Ausbildungsställe und schädigt eine ganze Branche, so dass wir die Zukunft des Pferdesports als gefährdet ansehen“, erklärt FN-Präsident Erbel. „Deshalb appellieren wir an alle Pferdeleute und Tierfreunde, unsere beiden Aktionen zu unterstützen und zu unterschreiben.“

Der Kreisreiterverband unterstützt dieses Vorhaben. „Gute Arbeit soll auch gut entlohnt werden. Es ist bemerkenswert, was die Tierärzte leisten. Aber teils ist es so überzogen. Viele können sich das bald nicht mehr leisten und dann leidet die medizinische Versorgung der Tiere“, mahnt der Vorsitzende Jan Schalk.

„Das Tier muss im Vordergrund stehen. Viele gehen vielleicht nicht mehr zum Turnier, lassen die verpflichtende Herpes-Impfung weg, dabei ist die so wichtig. Die GOT sollte hergeben, dass der Sport für die breite Masse erhalten bleibt. Das müssen wir beachten. Die Kinder lernen so viel im Umgang mit einem Pferd.“

Für die größte Aufregung sorgt, dass Tierärzte nun bei zehn Impfungen in einem Reitstall bei unterschiedlichen Pferdehaltern zehnmal die Anfahrt berechnen dürfen.

Dagegen wehren sich diese jedoch. Die Anfahrt beläuft sich laut GOT auf 3,50 Euro je Doppelkilometer - der Tierarzt muss auch wieder zurückkommen. „Die meisten Tierärzte planen aber eine Tour und teilen die Gesamtkosten bereits innerhalb dieser Tour anteilig auf. Nach GOT ist es zulässig - und ich habe noch nicht gehört, dass jemand es anders berechnet - die Fahrtkosten zu teilen. Gerade dann, wenn an einem Standort mehrere Besitzer sich um einen gemeinsamen Termin bemüht haben“, sagt eine Tierärztin auf Anfrage, die aufgrund der Brisanz des Themas lieber anonym bleiben möchte.

Für jeden Pferdebesitzer wird die volle Hausbesuchsgebühr fällig

Neben dem bereits üblichen Wegegeld fällt seit November 2022 zudem eine Hausbesuchsgebühr in Höhe von 34,50 Euro (einfacher Satz) an. Das hat viele Pferdebesitzer eiskalt erwischt, denn die Behandlung eines Pferdes im heimischen Stall ist eher die Regel als die Ausnahme.

„Nicht zulässig nach GOT ist es, die sogenannte Hausbesuchsgebühr anteilig zu berechnen - und darauf wollen die meisten Kritiker auch hinaus. Wenn also zehn Pferdebesitzer einen gemeinsamen Termin zu einer Bestandsimpfung vereinbaren, jeder aber eine eigene Rechnung bekommt, dann dürfen die Fahrtkosten aufgeteilt werden, für jeden Pferdebesitzer wird aber die volle Hausbesuchsgebühr fällig“, erklärt eine Tierärztin der Region.

Die Petition richtet sich nicht nur an Pferdeleute. Auch Hunde- und Katzenhalter sind von den Tierarztgebühren betroffen.Foto: Carolin Eckenfels

Die Petition richtet sich nicht nur an Pferdeleute. Auch Hunde- und Katzenhalter sind von den Tierarztgebühren betroffen.Foto: Carolin Eckenfels Foto: Carolin Eckenfels

Hier seien sich die meisten Tierärzte einig, dass diese Regelung nicht ganz gut überlegt wurde. Da diese die Kosten natürlich in die Höhe treibt. Dennoch würden die meisten die Begründung der Gebühr an sich sehr unterstützen, berichtet sie.

In einem offenen Brief hat die Gruppe der Landeskommissionstierärzte sich daher von der Petition distanziert. Darin heißt es zur Behauptung, dass Neuberechnungen auf gefühlten Zeitschätzungen der Tierärzte basieren: „Die Studie wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beauftragt und nicht von den Tierärzten an das unabhängige Beratungsunternehmen AFC in Auftrag gegeben. Ein Beweis, dass die Berechnungen nicht wissenschaftlich waren, wurde von den Kritikern nie erbracht.“

Sind Pferde landwirtschaftliche Nutztiere?

Zudem bewerten diese die Frage, ob Pferde landwirtschaftliche Nutztiere seien, völlig anders als die Halter und die FN. Wichtig: bei landwirtschaftlichen Nutztieren ist die Hausbesuchsgebühr nicht fällig.

Das Pferd nehme unter den Großtieren eine gesonderte Stellung ein, argumentiert die Gruppe der Landeskommissionstierärzte. „Es kann sicher sowohl Freizeittier als auch in einigen wenigen Fällen ein landwirtschaftliches Nutztier sein.“ Diese besonderen Fälle, bei denen Pferde als Nutztier gelten und zum Erwerbseinkommen eines landwirtschaftlichen Betriebes beitragen, hat die Bundestierärztekammer in ihrer Stellungnahme aufgelistet.

Gemeinsam für den Erhalt des Sports

Zudem war auch in der vorherigen Ausgabe der GOT Sonderregelungen für landwirtschaftliche Nutztiere festgeschrieben - und das Pferd hat nie dazugezählt. „Dies gab nie Diskussionen, wie sie jetzt durch die Hausbesuchsgebühr entstanden sind“, monieren die Landeskommissionstierärzte.

Der von Dr. Michael Köhler unterzeichnete Brief endet mit den Worten: „In einer Zeit, in welcher der Pferdesport in der Bevölkerung zunehmend kritisch gesehen wird, sollte man doch eigentlich gemeinsam für den Erhalt des Sports und damit der Zucht tätig werden.“

Neue Gebührenordnung

Wie erwartet wurden viele Leistungen teurer. So kostet

  • eine allgemeine Untersuchung mit Beratung nun 30,78 Euro (bisher 19,24 Euro),
  • eine Blutprobenentnahme venös 10,26 Euro (6,41 Euro),
  • eine Impfung 11,50 Euro (5,77 Euro),
  • eine Lahmheitsuntersuchung 51,31 Euro (32,07 Euro)
  • Verbandanlegen/-abnehmen 17,25 Euro (5,13 Euro).
  • Einige Leistungen wurden aber auch günstiger, wie
  • das Röntgen (je 26,53 Euro für die erste und zweite Aufnahme statt 32,07 Euro)
  • oder das Einschläfern eines Tieres (73,90 Euro statt 92,37 Euro).

Zudem gibt es einen ein-, zwei- und dreifachen Satz. Der Tierarzt entscheidet je nach Schwierigkeit, Zeitpunkt, örtlichen Gegebenheiten oder Wert des Tieres, welchen er verwendet. Durch die GOT sollte der einfache Gebührensatz „wieder kostendeckend“ gestaltet werden. Er darf nicht oder nur unter definierten Voraussetzungen unter- und der dreifache Satz nicht überschritten werden.

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