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Bereitschaftsdienst

TFehlende Ärzte: Praxissterben gefährdet jetzt auch die Notfallversorgung im Kreis Stade

Die Ärzteversorgung im ländlichen Raum ist gefährdet. Oft gibt es keine Nachfolge, wenn ältere Mediziner in den Ruhestand gehen.

Die Ärzteversorgung im ländlichen Raum ist gefährdet. Oft gibt es keine Nachfolge, wenn ältere Mediziner in den Ruhestand gehen. Foto: Patrick Pleul/dpa

Der ärztliche Bereitschaftsdienst gerät in den ländlichen Regionen in Gefahr. In einem dramatischen Appell warnt Ärztesprecher Stephan Brune davor, dass das Praxissterben auch die Notversorgung gefährden kann. Er fordert Veränderungen.

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Von Karsten Wisser
Freitag, 22.12.2023, 05:50 Uhr

Buxtehude. „Wir werden in Zukunft Probleme bekommen, den Bereitschaftsdienst aufrechtzuerhalten“, sagt Dr. Stephan Brune auf TAGEBLATT-Nachfrage. In den vergangenen Wochen sei es aufgrund von langen Wartezeiten immer wieder zu Beschwerden gekommen.

Der in Stade niedergelassene Kardiologe und Sportmediziner ist Vorsitzende des Bezirksausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) der Bezirksstelle Stade. Sie vertritt die niedergelassenen Ärzte im Elbe-Weser-Dreieck. Die KVN organisiert die Bereitschaftsdienste. „Das ist inzwischen eine Mammutaufgabe“, sagt Brune. Die Bezirksstelle Stade ist für knapp 1000 niedergelassene Ärzte in den Landkreisen Stade, Cuxhaven, Osterholz und im Altkreis Bremervörde zuständig.

Warnung vor langen Wartezeiten bei zentraler Anlaufstelle

Der kassenärztliche Bereitschaftsdienst wird an Feiertagen wie Weihnachten, Silvester und Neujahr sowie zwischen den Jahren außerhalb der üblichen Praxisöffnungszeiten durch niedergelassene Ärzte sichergestellt. Erreichbar ist der Dienst über die Nummer 116117, die bundesweit einheitliche Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Seit 2020 ist die Telefonnummer die erste Anlaufstelle für Patienten - rund um die Uhr und sieben Tage in der Woche. Nur in lebensbedrohenden Notfällen soll die 112 gewählt werden.

Die Rettungsleitstelle in Wiepenkathen ist technisch auf dem neuesten Stand.

Die Rettungsleitstelle in Wiepenkathen ist technisch auf dem neuesten Stand. Foto: Beneke

Allerdings gibt es Beschwerden. Aktuell läuft die Telefonnummer in einem Callcenter in Duisburg auf und dabei kommt es oft zu langen Wartezeiten. „Wegen einer aktuell erhöhten Nachfrage nach Terminen kann es bei der telefonischen Vermittlung der Terminservicestelle zu längeren Wartezeiten kommen. Wir bitten dies zu entschuldigen“, warnt die KVN Niedersachsen derzeit.

Praxissterben gefährdet medizinische Versorgung

Die Probleme, genug Ärzte für den Bereitschaftsdienst zu finden, sind verknüpft mit dem Praxissterben im ländlichen Raum. Viele Mediziner aus der Baby-Boomer-Generation gehen in den Ruhestand, während viel zu wenig neue Ärzte die Universitäten verlassen. 2030 werden 60 Prozent der rund 5000 niedersächsischen Hausärzte im Rentenalter sein. Gleichzeitig wird aufgrund des demografischen Wandels der Versorgungsbedarf der Bevölkerung spürbar ansteigen.

Eine Hoffnung von Brune ist, dass niedergelassene Ärzte bis zum Alter von 70 Jahren weiterarbeiten. Diesen älteren Ärzten sei es aber dann nicht mehr zuzumuten, neben der Praxis auch die Bereitschaftsdienste zu stemmen. „Praxis tagsüber, Bereitschaftsdienst nachts und dann wieder Praxis - das geht mit 45, aber nicht mehr mit über 60“, sagt Brune.


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Die KVN will sich im Februar mit der Zukunft der Bereitschaftsdienste auseinandersetzen. „Wir wissen um unsere Verantwortung für die Versorgung der Menschen“, sagt Brune. Aus seiner Sicht sollen dabei drei Aspekte im Fokus stehen. Es bräuchte einen verstärkten Einsatz von Telemedizin. In den Großstädten gibt es meistens noch genug Ärzte, und wo die Ärzte für Online-Sprechstunden säßen, sei nicht wichtig. Außerdem sollten ausgebildete Sanitäter Patientenbesuche übernehmen und eine Einschätzung abgeben, wie den Betroffenen zu helfen ist. Tatsächlich gibt es oft Fälle, bei denen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser Menschen sitzen, die dort aus medizinischer Sicht nichts zu suchen haben. Für die beiden Alternativen zum ärztlichen Bereitschaftsdienst gibt es Pilotprojekte.

Sollen die Leitstellen wieder beide Notfall-Nummern übernehmen?

Der dritte Vorschlag von Brune birgt allerdings erhebliches Konfliktpotenzial. Er möchte die Rufnummer 116117 wieder in die Region holen und im Fall des Landkreises Stade diese auf die Rettungsleitstelle des Landkreises in Wiepenkathen schalten. Dort läuft auch die 112 aus der Region auf. „So bekämen wir eine Notfallversorgung aus einer Hand“, sagt Brune. Vor der Umstellung 2020 liefen beide Nummern in Wiepenkathen auf und aus Sicht der daran Beteiligten war es aufgrund der regionalen Nähe das bessere Modell. Allerdings bräuchte es mindestens auf Landesebene die Unterstützung für diesen Vorschlag.

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Bei Landrat Kai Seefried findet Stephan Brune Zustimmung. „Wir haben unsere Leitstelle kontinuierlich modernisiert und haben genug Platz für diese Aufgabe“, sagt Seefried. Es gebe in Wiepenkathen zudem die Kapazitäten, einen weiteren Landkreis zu betreuen.

Im Thema Rettungsleitstellen steckt deshalb Streitpotenzial, weil die Krankenkassen die Schließung von kleineren Einheiten fordern. 29 Leitstellen sind den Krankenkassen in Niedersachsen zu viel – und zu teuer. Notfalls werde man kleineren Leitstellen den Geldhahn zudrehen, drohten sie in diesem Jahr.

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