TTraurige Gewissheit: Fünf Seeleute bei Frachter-Kollision gestorben
Mit sichtbaren Schäden hat der Frachter „Polesie“ in Cuxhaven festgemacht. Foto: Fischer
Fünf Seeleute fanden bei dem Schiffsunglück bei Helgoland den Tod. Das steht nun für das Havariekommando in Cuxhaven fest. Nach dem Großeinsatz im Seegebiet wurde die Suche nach Vermissten eingestellt. Die behördliche Aufarbeitung beginnt.
Cuxhaven. Am frühen Dienstagmorgen gegen 5 Uhr war es zu der Schiffskollision in der Deutschen Bucht gekommen. Etwa zwölf Seemeilen (22 Kilometer) südwestlich der Insel Helgoland und 17 Seemeilen (31 Kilometer) nordöstlich der Insel Langeoog stießen die Frachtschiffe „Polesie“ (190 Meter) und „Verity“ (90 Meter) zusammen. Das Havariekommando mit Sitz in Cuxhaven übernahm die Gesamteinsatzleitung.
Am Mittwochmorgen gab das Havariekommando bekannt, dass die Suche nach den vier vermissten Seeleuten der gesunkenen „Verity“ in der Nacht eingestellt werden musste. „Wer in so einem Wrack eingeschlossen ist, hat bei den Temperaturen keine Überlebenschance mehr“, weiß Dr. Robby Renner, Leiter des Havariekommandos. Die Nordsee hat gegenwärtig 12 Grad Wassertemperatur. Renner bedauert: „Fünf Seeleute konnten nicht gerettet werden. Unsere Gedanken sind bei den Familien und Angehörigen.“
Robby Renner, Leiter des Havariekommandos, berichtet auf der Pressekonferenz im Havanehostel in Cuxhaven über die aktuelle Lage. Foto: Fischer
Sechs Hubschrauber, 25 Schiffe und zwei Flugzeuge im Einsatz
Das gesamte infrage kommende Seegebiet war noch in der Nacht zu Mittwoch ein weiteres Mal komplett abgesucht worden. Kapitän Michael Ippich von der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) berichtete von insgesamt sechs Hubschraubern, 25 Schiffen und zwei Flugzeugen, die am Einsatz beteiligt gewesen waren: „Das gesamte Seegebiet wurde durchkämmt.“
Zwei Menschen waren bereits am Dienstag von den Einsatzkräften gerettet worden. Eine Person konnte zu dem Zeitpunkt nur noch tot geborgen werden. Insgesamt hatten sich zum Zeitpunkt der Kollision sieben Besatzungsmitglieder an Bord der „Verity“, die unter britischer Flagge fuhr und zur britisch-niederländischen Reederei Faversham Ships gehört, befunden.

Grafik-Karte Nr. 106294, Querformat 90 x 70 mm, „Verortung der Kollision zweier Frachter in der Nordsee“; Grafik: P. Massow; Redaktion: B. Schaller Foto: dpa
Die Havarie sorgte am Mittwoch für eine Gewässerverschmutzung. Aus dem Wrack der „Verity“ traten bis Mittwochnachmittag circa 90 Liter Diesel von insgesamt 127 Kubikmeter Marinediesel an die Wasseroberfläche. Das Überwachungsflugzeug „Do 228“ habe bemerkt, dass rund um die Untergangsstelle tischtennisballgroße Blasen auftreten, so Dr. Renner. Der Treibstoff befinde sich auf einer größeren Fläche von etwa 20 mal 200 Meter (Stand Mittwochmittag). Weil er zu leicht sei, könne man ihn jedoch nicht von der Wasseroberfläche aufnehmen. Allerdings verdunste er auch. Eine Gefahr soll das Leck nicht bedeuten. Laut eines Driftmodells für die nächsten drei Tage des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrografie werde der Treibstoff nicht an die Küste oder die Insel Helgoland treiben, so Renner.

Der havarierte Frachter „Polesie“ soll Berichten zufolge noch heute nach Cuxhaven gebracht werden. Foto: Dietmar Hasenpusch Photo-Productions/dpa
„Polesie“ liegt seit Mittwochfrüh an der Seebäderbrücke
Der Frachter „Polesie“ hat sich noch in der Nacht auf den Weg nach Cuxhaven begeben. Am frühen Mittwochmorgen gegen 4.15 Uhr machte das Schiff an der Seebäderbrücke in Cuxhaven fest. Offenbar kollidierte das Frachtschiff an der vorderen Steuerbordseite mit der „Verity“. Blaue Farbreste befinden sich an der Seite des Frachters. Sie legen nahe, dass sie vom blauen Rumpf der „Verity“ stammen. Die Seebäderbrücke wurde abgeriegelt.
Frachter stoßen nahe Helgoland zusammen
Den 22 Seeleuten der „Polesie“ gehe es physisch gut. Seelischen Beistand erhielten sie seitens des psychosozialen Dienstes des Havariekommandos, damit ist die Seemannsmission Cuxhaven betraut.
Und wie geht es jetzt mit dem in der Nordsee - in einer Tiefe von etwa 30 Metern - liegenden Wrack der „Verity“ weiter? Mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt werde an einer Bergungsverfügung gearbeitet, um den weiteren Austritt des Kraftstoffes zu stoppen beziehungsweise das gesunkene Schiff durch spezialisierte Firmen zu bergen. Für die Schifffahrt sei rund um das Wrack zunächst ein Sperrradius von zwei nautischen Seemeilen gezogen worden, teilt der Leiter des Havariekommandos mit.

Die Rettungskräfte wollen die Suche nach Überlebenden der Harvarie bis Mitternacht fortsetzen. Foto: Handout/PA Media/dpa
Bereits am Dienstag seien bei Stauwasser zwei Tauchgänge zum Wrack unternommen worden, die allerdings abgebrochen werden mussten. Allerdings habe man am Mittwoch ein autonomes Unterwasserfahrzeug (AUV), einen Tauchroboter, einsetzen können. In erster Linie diente dies der Schadenbegutachtung. Demnach sei die „Verity“ nicht auseinandergebrochen.
Staatsanwaltschaft ermittelt auch wegen fahrlässiger Tötung
Die Untersuchung der Kollisionsursache liege nicht beim Havariekommando, sondern bei der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg. Die Staatsanwaltschaft Hamburg sei eingeschaltet, so Renner. Ermittelt wird nach Informationen unseres Medienhauses wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr und der fahrlässigen Tötung.

Mit sichtbaren Schäden hat der Frachter „Polesie“ in Cuxhaven festgemacht. Foto: Fischer