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Interview

TFrank Otto: Zwischen Boulevard und Rettung des Planeten

Frank Otto beim Interview-Termin an der Alster in Hamburg.

Frank Otto beim Interview-Termin an der Alster in Hamburg. Foto: Gehm

„Ich wollte niemals nur Erbe sein“, schrieb Frank Otto in seiner Biografie. Und das ist der Multiunternehmer bei allem Glamour-Faktor auch nicht. Der 67-Jährige gilt vielmehr als feinsinniger Freigeist und ewiger Rebell.

Von Dagmar Gehm Sonntag, 13.10.2024, 07:50 Uhr

Hamburg. TAGEBLATT: Auftritte mit Ihrer Band City Nord im Gefängnis, Besuche in Flüchtlingslagern, Teilnahme an Demos. Warum verlassen Sie Ihre Komfortzone für soziale Engagements, obwohl Sie es eigentlich nicht müssten?

Frank Otto: Ich fand immer die Sachen spannend, die nicht auf der Hand liegen. Mein Engagement gilt Menschen, für die das Verständnis nicht so selbstverständlich ist. Ich gehöre einer Generation an, die Konflikte gewohnt war. Wo andere wegschauen, sehe und höre ich hin. Wenn mich Obdachlose ansprechen, rede ich mit ihnen. Es geht ihnen ja nicht nur um den Euro, sondern darum, wahrgenommen zu werden.

Sie scheinen anderen immer eine Nasenlänge voraus zu sein. Was ist der Motor, der Sie antreibt, sich ständig neuen Herausforderungen zu stellen?

Wenn man aufgrund der Menschheitsgeschichte weiß, woher wir kommen, weiß man auch, wohin man geht. Deshalb bin ich mir bei vielen Dingen, die ich anpacke, sehr sicher, dass es Dinge sind, die in der Zukunft wichtig sind. Manchmal bin ich da einfach ein bisschen früher dabei. Heute hast du die Chance, die Zukunft mitzugestalten. Das betrachte ich als Aufgabe.

Auf welche Erfolgsstory sind Sie besonders stolz?

Eine Erfolgsstory war bestimmt der Fernsehsender Viva. Er hat eine ganze Generation beeinflusst und – glaube ich – den Kulturbegriff neu definiert. Die Medienlandschaft ist dadurch ganz anders geprägt worden. Heute sehen wir im Fernsehen in der Regel Übernahmen, Formate, die in den USA erfolgreich getestet wurden. Viva war wirklich innovativ und anders. So wie OK Radio auch.

Sein Herz schlägt für die Ozeane

Was ist Ihr persönliches Herzensprojekt?

Die vielen Aktivitäten von Viva con Agua und besonders die Deutsche Meeresstiftung, die ich 2015 mitbegründet habe, sind große Herzensprojekte. Da nun auch die Vereinten Nationen die UN Ocean Research Decade ausgerufen haben, erfahren wir aus der Forschung fast täglich etwas Neues über die Ozeane. Für mich ist es ein Erfolg, dass Aufmerksamkeit auf die Ozeane gelenkt wird. Das war vor 2015 noch nicht so.

Welche Geheimnisse kann Forschung dem Ozean entlocken?

Über das Universum wissen wir eigentlich mehr als über unseren eigenen Planeten. Wir entdecken dort immer neue Lebewesen. Manche sind schon ausgestorben, bevor wir sie kennenlernen können. Wenn ein Science-Fiction-Autor einen Außerirdischen beschreiben will, guckt er sich meist solche Meereswesen an.

Hat sich Ihr Blick auf die Ozeane verändert, seitdem Sie 2001 tauchen gelernt haben?

Definitiv! Meine Generation ist die erste, die Fotos der Erde vom All aus gesehen hat. Bei dem Blick auf den Planeten scheint es, als ob er zu 70 Prozent aus Wasser und zu 30 Prozent aus Land besteht. Aber wenn man taucht und die dritte Dimension der Ozeane wahrnimmt, sieht man, dass der Lebensraum auf dem Planeten zu etwa 93 Prozent aus Ozean und zu sieben Prozent aus Land besteht. Heute sehe ich nicht mehr nur die Oberfläche, sondern gehe in die Tiefe.

LNG aus Nigeria

Bei Ihrem neuesten, nicht unumstrittenen Projekt holen Sie als Vorstand der Schuetze AG Flüssiggas aus Nigeria. Steht der Abbau von Rohstoffen nicht im Widerspruch zu Ihrem Engagement als Klimaschützer?

Im Gas sehe ich einen Partner der erneuerbaren Energien. Im Gegensatz zu Kohle, Atomkraft, Öl kann man Gas in dem Moment regulieren, wenn es um Energiebedarf geht. Es ist auch die am wenigsten CO₂ ausstoßende fossile Form. Unser Projekt in Nigeria ist darauf abgestellt, Fackelgas einzusammeln.

Was hat die lokale Bevölkerung davon?

Das Gas werden wir vom ölverseuchten Niger-Delta holen. Meine Idee ist, dass das Gas grüner wird als grün. Die Mangrove speichert zehnmal so viel CO₂ wie ein Baum an Land. Dieser wichtige CO₂-Speicher ist von der Ölproduktion vernichtet worden. Als Ozeanschützer greife ich da ein und möchte Wiederaufforstung zum Projektbestandteil machen. Das nützt nicht nur Nigeria, sondern dem gesamten Planeten.

Frank Otto unterstützt den FC St. Pauli

Auch Cannabis wollen Sie mit Produkten von CannaCare Health ein positives Image verleihen. Sind Sie auch für die Legalisierung?

CBD – also Cannabidiol – kommt aus dem Nutzhanf. Es wird auch Sportlern empfohlen und wurde vom Olympischen Komitee ausdrücklich aus der Dopingliste gestrichen. Im Übrigen kenne ich mehr Leute, denen von Alkohol schlecht wurde als von Cannabis.

Den FC St. Pauli haben Sie 2004 mit einer Finanzspritze von 600.000 Euro vor dem Ruin gerettet. Spielte da auch die Haltung „Klare Kante gegen rechts“ eine Rolle?

Das ist eines der Dinge, die ich am FC St. Pauli sympathisch finde. Auch die Diversity-Geschichte finde ich gut. Und dass der Verein das Geld jetzt über eine Genossenschaft aufbringt. Mir gefällt, dass der Verein demokratische Inhalte lebt.

Sie haben in Ihrer Biografie gesagt, dass Sie von Routine gelangweilt sind und dann lieber aussteigen. Trifft das auch auf Ihre Beziehungen zu?

Viele Paare werden es wohl kennen, dass Routine, Gewöhnung und der Trott am Ende der Beziehung nicht gut tut.

Beziehung zu Nathalie Volk Dauerthema im Boulevard

Die Öffentlichkeit hat ein verzerrtes Bild von Ihnen, weil die Schlagzeilen über Ihr Privatleben größer sind als die über Ihre zahlreichen Projekte und Engagements. Ärgert Sie das?

Die Schlagzeilen über mein Privatleben sind nur größer, weil es so viele Abschreibe-Medien im Boulevardbereich gibt. Ich möchte nicht gehässig werden, aber Leute, die sich im Boulevard zu Hause fühlen, haben oft ein ganz langweiliges eigenes Leben.

Wie stark ist die Familienbande zu Ihren vier Geschwistern?

Wir haben tatsächlich eine Familie, gerade in der Generation der Kinder, also der Enkelkinder unseres Vaters. Sie sind miteinander befreundet und treffen sich. Mehr als wir Geschwister es getan haben. Das finde ich ganz toll!

In der Außenwahrnehmung sind Sie „forever young“ – der ewig junge, coole Typ. Was ist Ihr Elixier?

Sich mit der Zukunft zu beschäftigen, könnte es sein, denn solange man gesund ist, gibt es ein sehr wichtiges Organ im Körper, das nicht altert: das Gehirn.

Was steht auf Ihrer Bucketlist, das Sie unbedingt noch erleben und bewegen wollen?

Mit meinem Lebenslauf bin ich bis heute eigentlich sehr zufrieden, kann auf ein reichhaltiges Leben zurückblicken. Ich habe vier Kinder und beschäftige mich jetzt mit der Übergabe an die nächste Generation. Erste Maßnahmen habe ich bereits ergriffen. Auch ein paar Start-ups will ich noch über den Berg bringen. Insgesamt blicke ich jetzt mit Stolz darauf zurück, was ich aufgebaut habe.

Zur Person: Retter des FC St. Pauli

Frank Otto kam am 7. Juli 1957 in Hamburg als drittes von insgesamt fünf Kindern des Versandhausgründers Werner Otto zur Welt. Er studierte Bildende Kunst und war danach als Musiker und Musikproduzent aktiv. 1987 wurde er Mitbegründer von OK Radio (heute Hamburg Zwei), 1993 von VIVA, 1995 Gründer des Fernsehsenders Hamburg 1. Von 1999 bis 2003 war er Herausgeber der Hamburger Morgenpost. 2004 rettete er den FC St. Pauli mit einer Bürgschaft über 600.000 Euro vor dem Ruin. Zu seinen ehrenamtlichen Engagements zählen die Deutsche Meeresstiftung, Leuchtfeuer Stiftung, Hamburger Klimawoche, World Future Council, Viva con Agua. 2013 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Frank Otto war dreimal verheiratet und hat vier Kinder.

Persönlich: Achtung und Mitgefühl

Wenn ich das Rad der Zeit zurückdrehen könnte…, würde ich wieder alles genauso machen.

Wäre ich Bürgermeister von Hamburg…, würde ich es nicht besser machen als unser derzeitiger Bürgermeister.

Nie im Leben würde ich… Menschen verachten.

Mein Rückzugsort… ist mein schallisoliertes Tonstudio.

Olympische Spiele in Hamburg… habe ich befürwortet und würde es auch jetzt wieder tun.

Wenn mir das ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg über den Weg läuft…, würde ich ihm mein Mitgefühl für seinen Irrweg zum Ausdruck bringen, ihn aber nicht anzeigen.

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