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Sportpsychologie

T„Fühlte mich total verloren“: Was Ex-BSV-Handballerin Paula Prior jetzt macht

Paula Prior (links) bestritt 61 Bundesligaspiele im BSV-Trikot und erzielte dabei 58 Tore.

Paula Prior (links) bestritt 61 Bundesligaspiele im BSV-Trikot und erzielte dabei 58 Tore. Foto: Jan Iso Jürgens (Archiv)

Nach ihrer Karriere als Bundesliga-Handballerin hat sich Paula Prior zur Sportpsychologin weitergebildet. Heute hilft die 26-Jährige aus Buxtehude Sportlern, mit Druck umzugehen. In ihrer aktiven Zeit spielte das kaum eine Rolle.

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Von Tim Scholz
Donnerstag, 15.02.2024, 13:05 Uhr

Landkreis. Es gibt Sportlerinnen und Sportler, die im Training gute Leistungen bringen, denen aber im Wettkampf die Nerven versagen. Es gibt Mannschaften mit guten Einzelkönnern, die als Team nicht harmonieren. Es gibt erfahrene Sportlerinnen, die plötzlich ihre Karriere beenden müssen und damit nicht zurechtkommen.

Für Paula Prior gehören solche Situationen zum Berufsalltag. Neben ihrem Job in einer psychiatrischen Praxis für Kinder und Jugendliche in Schenefeld arbeitet sie seit einem Jahr freiberuflich als Sportpsychologin. Nach ihrem Psycholgiestudium hatte sie sich zur Sportpsychologin weitergebildet.

Paula Prior hilft nach Karriereende Sportlern mental stark zu sein

Die Psychologie spielt im Sport eine immer größere Rolle. „Viele Spitzensportler sagen, dass Spiele im Kopf gewonnen werden“, sagt etwa ein Sportpsychologe vom Olympiastützpunkt Rheinland gegenüber dem „General-Anzeiger Bonn“, denn im Spitzensport seien die Athleten körperlich, technisch und taktisch nahezu gleich gut.

Prior: „Im Wettkampf kommt es darauf an, seine Fähigkeiten auf den Punkt abrufen zu können.“

Kurz nach der Geburt BSV-Mitglied

Prior kennt die mentalen Herausforderungen des Sports. Sie war selbst Leistungssportlerin. Schon wenige Tage nach ihrer Geburt war sie Mitglied im Buxtehuder SV. Das lag nahe. Mutter Sonja trainiert seit jeher den Handball-Nachwuchs des Vereins, Vater Peter managt die Bundesliga-Mannschaft.

Während ihrer aktiven Zeit hat Paula Prior in Hamburg Psychologie studiert.

Während ihrer aktiven Zeit hat Paula Prior in Hamburg Psychologie studiert. Foto: privat (nomo)

Paula Prior gehörte später zum goldenen BSV-Jahrgang um das Toptalent Emily Bölk, wurde in die DHB-Nachwuchsauswahlen berufen und schaffte den Sprung in die Bundesliga. Prior galt als technisch versierte und durchsetzungsstarke Spielmacherin mit gutem Wurf. Doch dann begannen die Schmerzen.

„Ich fühlte mich total verloren“

Prior hatte Probleme mit der Achillessehne. Im Jahr 2021 wurden die Schmerzen so stark, dass sie aufhörte. Psychisch, sagt sie, sei das eine große Belastung gewesen. Denn bis dahin war ihr Alltag durchgetaktet - nun stand sie vor einem leeren Kalender. „Ich fühlte mich total verloren.“

Heute weiß Prior, dass es helfen kann, sich frühzeitig mit solchen Szenarien auseinanderzusetzen. Dann sei man nicht mehr so geschockt, wenn es passiert, sagt sie.

Prior selbst hatte in ihrer aktiven Zeit nur vereinzelt Erfahrungen mit der Sportpsychologie gemacht. „Damals habe ich den Nutzen noch nicht erkannt“, sagt sie. Überhaupt war das Angebot noch nicht so bekannt. Vielleicht, weil die Vereine kein Geld dafür hatten, vielleicht, weil man in der Gesellschaft nicht gerne über psychische Probleme spricht, schon gar nicht im Leistungssport.

Wirkungen schwer messbar

Prior: „Ich glaube, dass der Wert der Sportpsychologie oft nicht erkannt wird, weil das Ergebnis schwer messbar ist.“ Anders als bei einem Athletiktrainer, der sich daran messen lässt, ob die Spielerinnen schneller geworden sind oder höher springen können.

Gemeinsam in der Bundesliga: Paula Prior (rechts) mit Emily Bölk (links) und ihrer älteren Schwester Lisa.

Gemeinsam in der Bundesliga: Paula Prior (rechts) mit Emily Bölk (links) und ihrer älteren Schwester Lisa. Foto: Jan Iso Jürgens (Archiv)

Dabei spielt die Psyche im Sport eine „unfassbar große Rolle“, sagt Prior. Sportpsychologinnen wie sie beschäftigen sich mit den unterschiedlichsten Themen. Warum fehlt im Training die Motivation? Wie stärkt man den Zusammenhalt im Team? Wie bewältigt man den stressigen Alltag? Und vor allem: Wie ruft man sein Potenzial im Wettkampf ab?

Mit den Gedanken im Hier und Jetzt

„Man muss mit seinen Gedanken im Hier und Jetzt sein“, sagt Prior. Zum Beispiel mit Hilfe von Visualisierung. Tritt eine Handballerin zum Strafwurf an, spielt sie die gelungene Aktion im Kopf durch. Auch Achtsamkeitsübungen, Yoga oder Meditation können helfen, unter Druck konzentriert zu bleiben.

Eine andere Technik sei der innere Monolog, sagt Prior. Selbstgespräche. Statt mit sich nach einer vergebenen Torchance hart ins Gericht zu gehen („Du Idiot, warum hast du schon wieder verworfen?“) könnte man hilfreiche Sätze formulieren: „Der nächste Ball ist drin!“

BSV arbeitet auch im mentalen Bereich

Heute hat Prior den Eindruck, dass immer mehr Sportler, Vereine und Verbände den Wert der Sportpsychologie erkennen. Der Frauen-Bundesligist BSV zum Beispiel arbeitet seit rund drei Jahren mit einer Sportpsychologin zusammen.

Prior selbst ist inzwischen in ihrem neuen Leben angekommen. Sie hat sich am Fuß operieren lassen und spürt „nach den Jahren der Qual“ im Alltag keine Schmerzen mehr. Ab und zu, sagt sie, gehe sie joggen oder mache Yoga. „Das ist mit dem Pensum von früher nicht zu vergleichen.“

Vom Handball hat sie Abstand genommen, war seit ihrem Karriereende nicht mehr bei den BSV-Spielen in der Halle Nord. Aber manchmal vermisse sie den Sport, das Gefühl, den Ball in die Hand zu nehmen und aufs Tor zu werfen.

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