TGasthofsterben auf dem Land – Das sind die Gründe
Mit dem Milmer Treff in Midlum (von links), dem Gasthof Mensing in Rechtenfleth und dem „Wurster Krug“ in Spieka verschwinden allein in diesem Jahr drei Landgasthöfe im Altkreis Wesermünde von der Bildfläche. Foto: Leuschner/Iven
Sie sind wichtige Treffpunkte für die Einheimischen. Trotzdem geben immer mehr Landgasthöfe in der Region auf. Der Stader DEHOGA-Bezirksvorsitzende Olaf Wurm kennt die Ursachen.
Im Schaukasten neben der Eingangstür des „Milmer Treffs“ hängt noch ein Veranstaltungskalender des TSV Midlum. Der Milmer Treff war die Vereinsgaststätte des örtlichen Sportvereins. Auf einem weißen Blatt Papier an der Eingangstür stehen freundliche Abschiedsworte des Inhabers und Betreibers Axel Frers. „Wir danken euch für eure jahrelange Treue und wünschen euch alles Gute.“
Überraschend kommt das nicht. Vor anderthalb Jahren hatte Frers angekündigt, den gastronomischen Betrieb mit Kegelbahn Ende September 2024 zu schließen, wenn er keinen Nachfolger findet. Und dabei ist es geblieben.
Immer mehr Gasthofbetreiber geben auf
Der hiesige DEHOGA-Bezirksvorsitzende Olaf Wurm kannte die Pläne und mag es dennoch nicht so recht glauben. Drei Landgasthöfe hat es einmal in seinem Heimatdorf Midlum (Landkreis Cuxhaven) gegeben. Der eine ist heute eine Ruine, auf dem Grundstück des zweiten befindet sich ein Busbahnhof. Und jetzt ist auch der letzte verbliebene im Dorf, der „Milmer Treff“, dicht.
Kein Einzelfall. Ende Oktober verabschiedete sich überraschend mit Andree Peter der Betreiber des Traditionsgasthofes „Zum Wurster Krug“ in Spieka. Über seine Beweggründe mag der Inhaber und Küchenchef nicht weiter sprechen.
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Statt einer Speisekarte hängt mittlerweile ein Brief an die Gäste im Glaskasten. „Ab dem 28. Oktober 2024 schließen wir unsere Gaststätte ‚Zum Wurster Krug‘ für immer. Eine Entscheidung, die wir aus vielerlei Gründen getroffen haben und die uns sehr schmerzt, aber aus Unternehmer- und Familiensicht notwendig ist…“, heißt es darin.
DEHOGA-Chef sorgt sich um Zukunft der Landgasthöfe
Mit der Gaststätte Mensing in Rechtenfleth wird Ende dieses Jahres ein weiterer Landgasthof im Altkreis Wesermünde aufgeben. Nach mehr als 40 Jahren tritt Inhaber Wolfgang Mensing seinen Ruhestand an. Im vergangenen Jahr hatte er seinen Betrieb zum Verkauf angeboten, doch ein Nachfolger ist bisher nicht in Sicht.
„Drei Landgasthöfe in einem Jahr“, sagt Wurm, „das ist viel. Wenn das so weitergeht, bleibt bald nichts mehr übrig“, sorgt sich der DEHOGA-Vorsitzende des Bezirksverbandes Stade, der selbst das Restaurant „Fisch und Meer“ gleich hinter dem Seedeich in Dorum-Neufeld betreibt.
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Beim Rückblick auf die vergangenen zwei Jahrzehnte fallen ihm mindestens 25 gastronomische Betriebe ein, die zwischen Weser und Elbe ohne Nachfolger aufgegeben haben. Viele davon waren große Gasthöfe wie Riehl‘s Garten in Cappel, „Stadt Frankfurt“ in Nordholz, Cordes in Sievern, „Zur goldenen Aue“ (Rebien) in Bramstedt-Gackau, „Zur Pipinsburg“ zwischen Sievern und Holßel, das Waldschlösschen in der Wingst oder der Fährkrug in Osten. Und auch auf Neuwerk wollen zwei Gastronomen verkaufen.
Die Gründe für die Betriebsaufgaben sind vielfältig
Landgasthofbetreiber würden mittlerweile selbst für gut laufende Betriebe keine Nachfolger finden, berichtet Wurm. Hinzu kommt der Kostendruck durch gestiegene Energiepreise, Inflation oder zurückzuzahlende Corona-Hilfen. Aber auch Bürokratie, Personalsituation und die Mehrwertsteuer nennt Wurm stellvertretend für seine Berufskollegen als Aufgabegründe.
Gastronomen stellen Wandel im Freizeitverhalten fest
Viele Gastronomen stellen außerdem einen Wandel im Freizeitverhalten und in der Feierkultur fest. „Die Leute geben weniger Geld fürs Essengehen aus, grillen stattdessen in ihrer Outdoor-Küche mit Freunden oder buchen eine Ferienwohnung, in der sie selbst kochen“, sagt Wurm.
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Kegelclubs und andere Vereine, die sich bis vor ein paar Jahren noch regelmäßig in Landgasthöfen getroffen haben, hätten sich während der Corona-Jahre nach Hause verzogen. Und statt die silbernen oder goldenen Hochzeiten mit Familie und Freunden auf dem Saal zu feiern, stünde heute bei vielen eine Kreuzfahrt auf dem Plan.
Vielleicht sind wir tatsächlich die letzte Generation, die die klassischen Landgasthöfe noch erlebt.
Olaf Wurm, DEHOGA-Bezirksvorsitzender
Es sind nicht nur Traditionsgasthöfe, die aufgeben. Aber um sie sorgt sich Wurm am meisten, weil sie oft endgültig verloren sind. Er fragt sich, wo die Menschen künftig noch Taufen und Hochzeiten feiern oder der Verstorbenen beim gemeinsamen Kaffeetrinken gedenken, wenn ein Landgasthof nach dem nächsten schließt. Aus Gesprächen mit Berufskollegen weiß Wurm, dass die nächsten bereits ihren Ausstieg geplant haben. Er spricht von einem landes-, ja bundesweitem Problem. Ein Rezept, um gegenzusteuern, weiß der gelernte Koch nicht. „Vielleicht“, sagt er und klingt resigniert, „sind wir tatsächlich die letzte Generation, die die klassischen Landgasthöfe noch erlebt.“