Lager voll, Rabatte hoch: Doch E-Bike-Käufer müssen schnell sein

Ein Zweiradmechatroniker setzt ein neues Hinterrad bei einem Lasten-E-Bike ein. Foto: Nicolas Armer/dpa-tmn
20, 30 oder 40 Prozent Preisnachlass: Der Handel versucht mit kräftigen Rabatten, seine Lager zu räumen. Der Trend könnte sich jedoch bald drehen. Die Hintergründe und wertvolle Kauftipps.
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Schnäppchenjäger konnten im vergangenen Jahr im deutschen Fahrradhandel gute Geschäfte machen. Auch zu Beginn der Saison 2025 locken Händler und Hersteller bereits wieder mit deutlichen Rabatten auf die Listenpreise. Hintergrund sind nach wie vor gut gefüllte Lager, in denen noch Millionen fertige Räder auf die Kunden warten und Kapital binden.
Doch der Trend könnte sich bald drehen, sagen die Fahrradindustrie und der Händlerverband VSF.
Trotz der allgemein gestiegenen Verbraucherpreise mussten die Kunden im vergangenen Jahr für ein durchschnittliches E-Bike 300 Euro weniger ausgeben als im Jahr zuvor, wie der Zweiradindustrieverband ZIV berichtet. Zwar stiegen gleichzeitig die Preise für die herkömmlichen Räder leicht, doch unter dem Strich ging der Gesamtumsatz bei fast gleichbleibender Stückzahl um 10,3 Prozent auf 6,33 Milliarden Euro zurück.

Der Fahrradhandel leert seine Lager. Foto: Jens Büttner/dpa
Spätfolgen der Corona-Krise
Der Handel kämpft weiterhin mit den Spätfolgen der Corona-Krise. Konnte während der Pandemie zunächst die sprunghaft gestiegene Nachfrage nicht gedeckt werden, folgte eine Phase der Überproduktion und des abgeflauten Kaufinteresses. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland 3,85 Millionen Räder verkauft. Das waren nur geringfügig (-2,5 Prozent) weniger als 2023, aber der Rekord aus dem ersten Corona-Jahr 2020 mit gut 5 Millionen Stück blieb weit entfernt.

Entwicklung Absatzzahlen Fahrräder und E-Bikes in Deutschland. Foto: dpa
Der Rückgang um 1,1 Millionen Stück ist allerdings allein auf die Bikes ohne Motor zurückzuführen, während 2024 erneut über 2 Millionen E-Bikes ihre Abnehmerinnen und Abnehmer fanden. 2024 ist das zweite Jahre in Folge, in dem in Deutschland mehr E-Bikes verkauft wurden als muskelbetriebene Fahrräder. „Der E-Anteil wird weiter wachsen auf 70 bis 75 Prozent“, sagt ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork.
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Und das Blatt bei den Preisen wendet sich. Bereits 30 Prozent der Mitgliedsbetriebe berichteten von einem normalisierten Lagerbestand, sagt Caroline Bonn vom Händlerverband VSF. Weitere 46 Prozent rechneten damit im Laufe dieses Jahres, nur ein knappes Viertel sieht bis 2026 Probleme. Die Händler haben für die neue Saison einfach deutlich weniger bestellt und Überbestände abgebaut.
Die deutschen Hersteller wie auch die Importeure lieferten 2024 nur noch 3,16 Millionen Räder aus - nach 4,36 Millionen im Jahr zuvor. Die inländische Produktion wie auch der Rad-Import wurden deutlich zurückgefahren.
Die Angst vor dem Schweine-Zyklus
Sollte sich nun der Handel aus kaufmännischer Vorsicht bei den Bestellungen für das kommende Jahr zurückhalten, droht ein sogenannter Schweine-Zyklus: Das reduzierte Angebot könnte der stabilen Nachfrage nicht entsprechen und die Preise würden stärker steigen als eigentlich notwendig. Die Industrie will das nach den Worten Storks verhindern und mit möglichst kurzen Vorlaufzeiten flexibel auf die Anforderungen des Handels reagieren. „Der Handel wird wieder ordern“, sagt dazu VSF-Geschäftsführer Uwe Wöll. Aber selbst dann dürften 2026 die Zeiten der sehr hohen Rabatte vorbei sein.
Mehr Räder als Menschen
Ein Hemmnis für den weiteren Absatz könnte die längere Haltbarkeit der verkauften Räder sein. Nach Einschätzung der Industrie halten die Akkus und damit die gesamten E-Bikes deutlich länger als erwartet und werden entsprechend erst nach durchschnittlich acht bis neun Jahren verschrottet. In der Folge ist der Bestand von E-Bikes in Deutschland im vergangenen Jahr auf 15,7 Millionen Stück angewachsen. Das sind gut drei Millionen Räder mehr als bei der Fortschreibung früherer Prognosen seit dem Jahr 2014 angenommen wurde.
Längst gibt es in Deutschland einschließlich der unmotorisierten Varianten mehr Fahrräder (88,7 Mio) als Menschen (83,6 Mio). Industrievertreter Stork bleibt aber optimistisch, die Pro-Kopf-Quote auf den niederländischen Wert von 1,3 steigern zu können. Dazu sollen nach Meinung des Verbands auch die milliardenschweren Investitionen in die Infrastruktur beitragen, die von der kommenden Bundesregierung geplant werden. Bessere Radverkehrsbedingungen im Alltag und in der Freizeit gehörten zu den Investitionen, die am schnellsten umgesetzt werden könnten.
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Gebrauchtes E-Bike: Worauf achten?
Bei der Kaufentscheidung für E-Bike geht es auch günstiger – indem man sich ein gebrauchtes Elektrofahrrad zulegt. Denn: Viele sind in einem guten Zustand. Das gilt vor allem für Rückläufer aus Leasingverträgen, die meist noch nicht alt sind und gut gepflegt wurden. Denn: „Eine regelmäßige Wartung des Rads gehört zum Vertragsumfang“, sagt Réne Filippek vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Auch aus ökologischer Sicht ist es vorteilhaft, Produkte möglichst lange zu nutzen.
Nachteilig ist, dass gebrauchte Räder etwas Verschleiß und Alterung unterliegen. Das bedeutet, dass man Reparaturen und Ersatzteile schneller braucht als bei einem Neurad. „Ein klassisches Verschleißobjekt ist beim E-Bike der Akku“, sagt H. David Koßmann vom Pressedienst-Fahrrad (pd-f). Muss schon bald nach dem Gebrauchtkauf ein neuer Akku her oder sind Reparaturen fällig, kann sich der günstige Kaufpreis relativieren.

Alles klar? Ein Pedelec ist auch immer ein normales Fahrrad, sprich beim Gebrauchtkauf müssen auch alle normalen Komponenten wie etwa die Beleuchtung ordnungsgemäß funktionieren. Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn
Etwas Risiko ist also beim Gebrauchtradkauf dabei, vor allem, wenn es um Privatkäufe geht. Kauft man in Fachgeschäften on- oder offline, hat man etwas mehr Sicherheit – die Preise sind aber nicht ganz so günstig.
Hier müssen Sie hinschauen:
„Wichtig ist eine Probefahrt“, sagt Koßmann. Dabei sollte man testen, ob alles wie etwa Bremse und Licht einwandfrei funktioniert und das Rad keine ungewöhnlichen Geräusche von sich gibt. Knacken, knarzen, klappern oder Schleifgeräusche deuten auf technische Probleme hin. Weitere Kriterien:
- Körpermaße: Das Rad muss zu den eigenen Körpermaßen passen und darf nicht zu groß oder zu klein sein.
- Gebrauchsspuren: „Gebrauchsspuren sind natürlich in Ordnung, aber bei Anzeichen von Vernachlässigung, größeren Lackschäden oder Beulen sollte man vorsichtig sein“, so René Filippek.
- Verschleiß: Zieht man die Vorderradbremse und versucht, das Rad vor- und zurückzuschieben, sollte kein Spiel spürbar sein. Auch die Räder sollte man abwechselnd nach links und rechts drücken. Ist ein leichtes Wackeln spürbar, deutet dies auf Verschleiß hin.
Neue Reifen für Fahrräder hängen im Verkaufsraum bei einem Fahrradhändler. Foto: Jens Büttner/dpa
- Tuning: „Ein E-Bike, dessen Geschwindigkeit mit 25 km/h angegeben ist, dessen Motor aber darüber hinaus beschleunigt, ist illegal“, sagt H. David Koßmann. Erkennen lässt sich eine solche Manipulation, in dem man bei der Probefahrt testweise das höchstmögliche Tempo vorlegt. Zeigt das Tachometer mehr als 25 km/h, dann besser die Finger von dem Rad lassen. Wer im Fachhandel kauft, kann sich zumeist darauf verlassen, dass die Elektronik nicht manipuliert ist.
- Fährt das Bike gut? Gut. „Man sollte sich aber ein Prüfprotokoll des Akkus geben lassen, das zeigt, wie viel Kapazität der Akku noch hat“, sagt Filippek. Liegt die Restkapazität unter 80 Prozent, ist mittelfristig bereits ein neuer Akku für mehrere hundert Euro fällig. Wer privat kauft, sollte in einer Werkstatt den Akku auslesen lassen. „Das kostet zwar etwas Geld, aber bewahrt vor Fehlkäufen“, so Filippek.

Ein Zweiradmechatroniker den Akku eines E-Bikes in den Händen. Foto: Nicolas Armer/dpa-tmn
Wie teuer ist ein gebrauchtes E-Bike im Durchschnitt?
Das hängt vom Alter, dem Zustand, aber auch der Nachfrage ab und lässt sich pauschal nicht beantworten. „Möglich sind Preise zwischen 500 und über 10.000 Euro“, sagt Koßmann.
Wie viele Kilometer sind bei einem gebrauchten E-Bike akzeptabel?
„Das hängt vom Preis ab“, so Koßmann. Ein vergleichsweise teures E-Bike sollte wenige Kilometer gefahren sein. Allerdings ist ein konkreter Kilometerwert schwer zu nennen, wie Filippek sagt. Denn es hängt auch von der Pflege ab. „Ein gut gewartetes Elektrorad mit 20.000 Kilometern auf dem Tacho kann neuwertiger sein als ein schlecht gepflegtes mit 5.000 Kilometern“, so René Filippek.
Welche Marken sind bei Gebraucht-Bikes besonders zuverlässig?
In der Regel sind es typische Fachhandelsmarken. „Man sollte recherchieren, ob die Marke gängig ist“, sagt Filippek. Das geht etwa übers Internet. „Manche Marken, die zum Beispiel nur online vertrieben und häufig schon neu zu besonders niedrigen Preisen verkauft werden, sind häufig von eher zweifelhafter Qualität und können schlecht repariert werden.“
Was sind seriöse Bezugsquellen beim Gebrauchtkauf?
Es gibt stationäre Fachgeschäfte und Online-Shops, die gebrauchte Elektrofahrräder anbieten. „Ob ein Online-Shop seriös ist, lässt sich anhand von Siegeln wie Trusted Shops oder Trustpilot checken“, sagt H. David Koßmann. Ebenfalls wichtig: vollständige und korrekte Angaben im Impressum und funktionierende Telefonnummern.
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Sollte ich ein gebrauchtes Bike privat oder vom Händler kaufen?
Bei Privatpersonen kann man mitunter mehr Geld sparen. Ein Fachgeschäft checkt das Rad durch und repariert bei Mängeln. Das verursacht Kosten, daher ist der Preis nicht ganz so günstig.
„Wer im Fachhandel Gebrauchträder kauft, kann sich ein Jahr lang auf die Sachmängelhaftung berufen, also die Hälfte der Zeit, die bei Neuware gilt“, sagt René Filippek. Eine Garantie ist eine freiwillige Leistung, die ein Fachgeschäft selbst festlegen kann. Allerdings: „Eine Garantie ist im Gebrauchtradbereich eher unüblich oder fällt eher kurz aus“, so Filippek.
Wie finde ich heraus, ob ein gebrauchtes E-Bike gestohlen ist?
„Falls das Rad codiert ist mit einer Codierung der Polizei, kann man dort nachfragen, wem das Rad gehört“, sagt Koßmann. Stimmt der Name des Besitzers nicht mit dem des Verkäufers überein, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass das Rad gestohlen ist.
„Beim Kauf von privat sollte man auf einen Kaufvertrag mit Angabe der persönlichen Daten des Verkäufers oder der Verkäuferin bestehen und die Rahmennummer notieren“, so Filippek. Diebe oder Hehler machen das nicht gerne. (dpa/tmn)