TGeburtsvorbereitung: Was tun, wenn das Baby schon im Auto kommt?
Gepackte Tasche, saubere Handtücher, Hygieneauflagen: Diese Dinge hat Annika Semmler (links) im Kofferraum, um für die Fahrt zur Geburtsklinik nach Varel gerüstet zu sein. Bei Kathrin Schweer ist im vergangenen Jahr alles gut gegangen. Foto: Vogt
Die Wege zum nächsten Kreißsaal sind in der nördlichen Wesermarsch weit. Was geht werdenden Müttern durch den Kopf, wenn sie sich auf ihre Geburt vorbereiten?
Nordenham. Noch knapp drei Wochen dauert es zum errechneten Geburtstermin, aber Annika Semmler hat ihre Tasche für die Fahrt ins Krankenhaus schon gepackt. Zusätzlich hat sie einen Stapel sauberer Handtücher und Hygienevorlagen im Kofferraum ihres Autos - sicher ist sicher. „Im Geburtsvorbereitungskurs sind die Hebammen genau mit uns durchgegangen, was zu tun ist, wenn wir es nicht mehr rechtzeitig ins Krankenhaus schaffen“, sagt die werdende Mutter aus Hoffe.
Wenn das Baby unterwegs ist: Notfallplan für die Geburt
Anhalten, den Krankenwagen rufen, die genaue Ortsbeschreibung durchgeben, und dann auf sich und den eigenen Körper vertrauen - „und darauf hoffen, dass der Mann stabil genug ist, um die Geburt durchzustehen“, sagt Annika Semmler und lacht. Bei ihrem Mann Christoph hat sie da wenig Sorgen: Als Landwirt ist er regelmäßig als Geburtshelfer gefragt.
Niederbayern
Winziges Baby mit 265 Gramm in Passau geboren
Seit die Helios-Klinik in Esenshamm 2019 ihren Kreißsaal geschlossen hat, sind die Wege zur nächsten Geburtsklinik für Schwangere aus der nördlichen Wesermarsch weit geworden. Viele Frauen aus Nordenham und dem östlichen Butjadingen bis nach Burhave haben sich nach Bremerhaven orientiert, Frauen aus dem westlichen Butjadingen und aus Stadland meist nach Varel.
„Wir wohnen in Tossens, von dort aus kommt praktisch nur Varel infrage, sagt Kathrin Schweer, die ihren Sohn Jonah im Juli 2024 im St.-Johannes-Hospital geboren hat. „Bremerhaven war uns zu unsicher, weil der Wesertunnel in der Zeit rund um den Geburtstermin ständig ab dem späten Abend gesperrt war wegen Wartungsarbeiten.
Und die Fähre ist auch keine Alternative, weil sie nachts gar nicht oder nur selten fährt“, fügt sie hinzu. „Und Babys machen sich ja gerne mal nachts auf den Weg!“
Positive Erfahrungen, aber auch Nachteile in der kleinen Klinik
Auch Annika Semmler hat sich für Varel als Geburtsklinik entschieden: „Ich komme aus Reitland, und Varel war immer unser Familienkrankenhaus. Ich habe 2020 mein erstes Kind schon dort bekommen und damals nur gute Erfahrungen gemacht.
Alles ist gut organisiert, man wird umsorgt und sehr gut unterstützt, zum Beispiel beim Stillen.“ Als Nachteil des vergleichsweise kleinen Hauses empfindet sie, dass man bei bestimmten Risikofaktoren wie Schwangerschaftsdiabetes abgewiesen und zu größeren Kliniken weitergeschickt wird. Ein Problem sei auch, dass es in Varel keine angeschlossene Kinderklinik gebe.
Hilfe für Mütter in Not
25 Jahre Babyklappe: „Es geht darum, Leben zu retten“
Herausforderung: Verlegung des Neugeborenen
Wenn das neugeborene Baby verlegt werden müsse, sei man schon kurz nach der Geburt gezwungen, selbst wieder auf die Beine zu kommen, um das Kind an den anderen Standort zu begleiten.
Beide Frauen sehen mit großer Sorge, dass das Vareler St.-Johannes-Hospital jetzt von der Schließung bedroht ist und damit die Wege für Schwangere aus der Wesermarsch noch weiter werden. „Alles wird dann noch unsicherer“, befürchtet Annika Semmler. „Es ist ohnehin schwierig zu entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt ist, um sich auf den Weg zu machen.
Das Bauchgefühl hilft da oft nicht weiter, gerade bei der ersten Geburt. Und bei einem weiten Weg kann es dann auch zu spät sein.“ Wobei die Vareler Ärzte bei der Kreißsaal-Führung vor allem die Zweit- und Drittgebärenden ermahnt haben, sich rechtzeitig auf den Weg zu machen - sie hätten schließlich keine Lust, die Kinder im Regen auf dem Klinikparkplatz zu holen.
- Lesen Sie auch: Schwanger – was nun? So kann die Awo helfen
Sicherheit: Große Klinik oder vertraute Umgebung?
Welche Rolle spielt das Thema Sicherheit für die jungen Mütter? In einer großen Klinik mit angeschlossener Kinderstation und speziellen Kaiserschnitt-OPs direkt neben dem Kreißsaal können Hebammen und Ärzte bei Bedarf schnell reagieren. „Für mich spielt das keine so große Rolle, aber das mag auch daran liegen, dass bei mir keine Risikoschwangerschaft vorliegt“, sagt Annika Semmler.
„Mir machen eher die weiten Wege Sorgen, und darauf versuche ich mich so gut es geht einzustellen. Und in einer kleinen Klinik ist die Sicherheit doch definitiv höher, als wenn ich das Kind alleine oder im Auto zur Welt bringe.“
- Lesen Sie auch: Landkreis Stade ist zufrieden mit dem Start der Hebammenzentrale
Wenn die beiden Frauen einen Wunsch frei hätten - wie würde der lauten? „Keine zukünftige Mama sollte sich Gedanken darüber machen müssen, wie sie zur Klinik kommt“, sagt Kathrin Schweer.
Und Annika Semmler ergänzt: „Ich würde mir wünschen, dass die Politik insgesamt ihren Fokus stärker auf das Thema Geburtshilfe richtet. Einerseits bekommen wir als junge Frauen gesagt: Bekommt mehr Kinder! Und andererseits werden die Hürden immer höher, wenn wir das dann in die Tat umsetzen. Das passt nicht zusammen.“