T„Göhrde-Morde“ in der Region werden zum TV-Dreiteiler
Inge Beggers sucht seit knapp 50 Jahren nach ihrer Tochter Anja. Die damals 16-Jährige kehrte nach einem Discothekenbesuch nicht mehr nach Hause zurück. Foto: NDR/Steve Kfoury
Um die Serienmorde um Kurt-Werner Wichmann ist eine neue Dynamik entstanden. Frauen - auch aus dem Kreis Stade - berichten von unheimlichen Begegnungen. Jetzt landen die Todes- und Vermisstenfälle im Fernsehen.
Hat der mutmaßliche Serienmörder Kurt-Werner Wichmann auch die „Disco-Morde“ im Cuxland begangen? Seit Monaten gibt es neue Recherchen zu dieser Frage. Anja Beggers, Angelika Kielmann, Anke Streckenbach, Andrea Martens, Christina Bohle, Jutta Schneefuß und Irene Warnke - hat Wichmann auch diese jungen Frauen getötet? Der TV-Dreiteiler „ARD Crime Time: Der Menschenjäger“ ist von diesem Mittwoch an in der ARD Mediathek zu sehen; als 90-Minüter am Mittwoch, 10. April, um 20.15 Uhr zudem im NDR Fernsehen.
Frauen erzählen von unheimlichen Begegnungen
Der als „Göhrde-Mörder“ bekannt gewordene Lüneburger Friedhofsgärtner Kurt-Werner Wichmann könnte hinter weitaus mehr Verbrechen stehen als bislang vermutet. Recherchen der „ARD Crime Time“ und der Wochenzeitung „Die Zeit“ zeichnen das Bild eines psychopatischen Täters. So schreibt es der NDR in seinem Info-Text zur Sendung.
Die ARD Dokuserie begleitete die Ermittlungen des ehemaligen Hamburger LKA-Chefs Reinhard Chedor zu vielen ungelösten Fällen, die im Zusammenhang mit Kurt-Werner Wichmann stehen könnten; zum ersten Mal äußern sich zudem Frauen vor der Kamera, die Opfer von Vergewaltigungen und Bedrohungssituationen wurden - und sich sicher sind, dass es sich bei dem Täter um Kurt-Werner Wichmann handelte.
Einige der Frauen sind in den vergangenen Monaten bereits in der „Nordsee-Zeitung“ ausführlich zu Wort gekommen sind.
Den früheren LKA-Chef lassen weitere Fälle keine Ruhe
Doch es gibt noch mehr Fälle, die mit Wichmann in Verbindung gebracht werden könnten: Sie ziehen sich durch die Bundesrepublik wie eine Kette des Schreckens: verschwundene junge Frauen, Vergewaltigungen, Mord. In den Jahren von 1968 bis 1986 gibt es eine Reihe von Kapitaldelikten an Frauen, die bis heute ungelöst sind.
Dem ehemaligen Chef des Hamburger Landeskriminalamtes Reinhard Chedor lassen die Schicksale der vermissten und getöteten Frauen keine Ruhe. Ihre Angehörigen suchen bis heute nach Antworten. Chedor beschäftigt eine Frage: Hat Kurt-Werner Wichmann, der sogenannte Göhrde-Mörder, noch viel mehr Menschen umgebracht als bislang bekannt?

Reinhard Chedor im Gespräch mit einer Frau, die sich sicher ist, dass sie Mitte der 70er Jahre im Landkreis Cuxhaven zu Kurt-Werner Wichmann ins Auto gestiegen ist. Foto: NDR/Steve Kfoury
Die Jagd auf Kurt-Werner Wichmann ist für ihn zu einer Lebensaufgabe geworden. Denn Reinhard Chedor gehörte zum sogenannten Kernteam um den ehemaligen stellvertretenden Hamburger Polizeipräsidenten Wolfgang Sielaff. Diese private Ermittlergruppe konnte das Verschwinden von Sielaffs Schwester Birgit Meier aufklären - etwas, woran die ermittelnden Behörden bis dahin gescheitert waren: 2017 fand das Team unter Wichmanns ehemaliger Garage die Knochen von Birgit Meier - knapp 30 Jahre nach deren Verschwinden.
Die NDR-Dokumentation „Eiskalte Spur“ zeigte daraufhin die vielen Ermittlungspannen, die bis dahin den Fall begleitet hatten. Inzwischen geht die Polizei davon aus, dass Kurt-Werner Wichmann auch für die beiden Doppelmorde im Staatsforst Göhrde verantwortlich ist, die 1989 bundesweit Schlagzeilen machten. Und mehr noch: Sie glaubt, dass der Lüneburger Friedhofsgärtner bei einigen seiner Verbrechen einen Komplizen gehabt haben könnte. Wichmann erhängte sich 1993 in Untersuchungshaft.
400 Fundstücke auf dem Grundstück von Wichmann
Nach dem spektakulären Knochenfund hatte die Polizei das gesamte Grundstück des Friedhofsgärtners umgegraben - und stieß auf mehr als 400 Fundstücke, darunter Damenhandtaschen und Damenschuhe, die bis heute niemandem zuzuordnen sind. Auch darüber hinaus finden sich viele Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei Kurt-Werner Wichmann um einen regelrechten „Menschenjäger“ handeln könnte, der bundesweit hinter zahlreichen „Cold Cases“ stecken könnte.
Die Polizei Lüneburg hat bundesweit Dienststellen gebeten, sich bei ihnen zu melden, ob Wichmann für weitere Verbrechen verantwortlich sein könnte. Doch weitere Taten konnten sie ihm bis heute nicht zuordnen.
Reinhard Chedor aber gibt nicht auf: Er überprüft, unterstützt von erfahrenen Kriminalistinnen und Kriminalisten, welche bis heute unaufgeklärten Mordserien mit Wichmanns Bewegungsprofil und Modus Operandi in Einklang zu bringen sind, darunter unter anderem die „Disco-Morde“ im Raum Cuxhaven, denen sieben Frauen zum Opfer fielen. Dafür steht er nicht nur mit Reportern der „Nordsee-Zeitung“ in regelmäßigem Austausch, sondern auch mit der „Zeit“-Redakteurin Anne Kunze und dem freien Journalisten Carlo Eggeling, die seit Jahren zu dem Komplex recherchieren.
Rechtspsychologin analysiert den „Göhrde-Mörder“
Für die Dokuserie „ARD Crime Time: Der Menschenjäger“ begleiteten Elias von Salomon und Meike Pommer die Ermittlungen von Cheodors Ermittlungsteam und die Recherchen der Journalisten. Die Frauen, die nun zum ersten Mal ihre Erfahrungen äußern und Kurt-Werner Wichmann als Täter schildern, hatten sich zuvor bei den Journalisten aufgrund von deren Berichterstattung gemeldet.

Nachgestellte Szene: Zwei Anhalterinnen steigen nach einem Discothekenbesuch in ein Auto. Foto: NDR/Steve Kfoury
Die Autoren der „ARD Crime Time“ sprachen zudem unter anderem mit den Ermittelnden des Göhrde-Komplexes (Polizei Lüneburg) und mit der Rechtspsychologin Silvia Gubi-Kelm, die mit Studierenden der Medical School Hamburg die Psyche des „Göhrde-Mörders“ untersucht und das Bild eines psychopathischen Täters zeichnet. „Ich denke nicht, dass Kurt-Werner Wichmann zu Mitleid in der Lage war“, so Kelm gegenüber „ARD Crime Time“.