TGroßes Leid durch Blauzungenkrankheit – Kann Impfpflicht der Gamechanger sein?

Tierarzt Alexander Koch lobt die gute Verträglichkeit und gute Wirksamkeit des diesjährigen Impfstoffes gegen das Blauzungenvirus. Foto: Hahn
Die Tierseuche Blauzungenkrankheit verursacht in diesem Jahr, insbesondere bei Wiederkäuern, viel Leid. Sie verläuft bei Schafen und Ziegen oft tödlich. Rinder erkranken mild. Dennoch wird bei ihnen die Impfung empfohlen. Wir durften dabei sein.
Kreis Rotenburg. Im Gegensatz zum Ausbruchsgeschehen der Blauzungenkrankheit in den Jahren 2008 und 2009 gibt es in diesem Jahr keine Verpflichtung für Halter, ihre Rinder gegen das Virus BTV zu impfen. Landwirt Heinz Korte folgt der Empfehlung und lässt seine 200 Tiere impfen. Der Bauer aus dem Nordkreis engagiert sich schon viele Jahre ehrenamtlich als Vorsitzender der niedersächsischen Tierseuchenkasse (TSK) und kennt daher die Auswirkungen des diesjährigen Ausbruchsgeschehens und die von anderen Haltern bei einer Impfzurückhaltung vorgebrachten Argumente gut.
Ausbreitungsgeschwindigkeit als Folge des Klimawandels
Beim letzten großen Ausbruch der Seuche in Deutschland zeigten sich 2008 zunächst weniger erkrankte Rinder. „Es gab hier damals weniger Fälle. Die Virusüberträger, die Gnitzen, waren weniger anzutreffen als heute. Der Klimawandel, ein milder Winter und ein nasses Frühjahr haben in diesem Jahr auch bei uns zu einer massenhaften Vermehrung dieser Stechmückenart geführt“, schildert Korte die Ausgangssituation. Auf Basis der Erfahrungen aus dem letzten Ausbruch wurde dann von allen Beteiligten die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Seuche nach Norden massiv unterschätzt. Es gab weitere gute Argumente für die Impfzurückhaltung.
Konventionelle Betriebe setzen dieses Jahr lange auf Prävention ohne Impfung
Eine gut verträgliche und wirksame Impfung stellt den besten Schutz der Herde dar. Um einen Schutz aufzubauen, werden die Tiere zweimal geimpft.
Wie berichtet, kam die Notfallzulassung für drei Impfstoffe am 7. Juni ziemlich spät. Auch das führte letztlich dazu, dass sich die Halter um von der Impfung unabhängige Prävention bemühten. „Eine gute Luftzirkulation im Stall hält die Gnitzen weitgehend fern“, berichtet Tierarzt Alexander Koch aus Bremervörde. Außerdem nutzen viele spezielle, auf das Fell aufgetragene Insektenschutzmittel. Auf Weiden gehaltene Tiere, die in schwülwarmer, stehender Luft von den Stechmücken attackiert werden, erkranken dementsprechend häufiger als Tiere in Stallhaltung.
Landwirt folgt der Impfempfehlung trotz finanzieller Auswirkungen
Die Kosten der Impfung hält er für angemessen, bedenke man den hohen Wert einer gesunden, ausgewachsenen Milchkuh. Sie belaufen sich auf sechs Euro pro Tier für den Impfstoff. Hinzu kommt die Impfgebühr. Für Heinz Korte überwiegt der Nutzen der Impfung, weshalb er der Empfehlung folgt. Sein Tierarzt hat gute Erfahrung mit dem Impfstoff gemacht. Aber: „Eine Impfung bedeutet auch immer Stress für das Tier“, weiß der Milchbauer. Nach der ersten Impfung habe er für einige Zeit einen Rückgang der Milchleistung um circa 10 Prozent festgestellt.

Der Vorsitzende der niedersächsischen Tierseuchenkasse, Heinz Korte, hält selbst Rinder und hat seine Tiere impfen lassen. Foto: Hahn
Geimpft werden an diesem Tag nur offensichtlich gesunde und nicht tragende Tiere, die die Impfung gut verarbeiten können. Bevor Alexander Koch die Spritze aufzieht, hat er die Kühe auf Trächtigkeit untersucht und in Augenschein genommen, um sich von deren Fitness zu überzeugen.
Erkrankung macht auch der Herde im Nordkreis zu schaffen
Auch Heinz Korte hat den Verdacht, dass sich bereits einige, wenige Kühe seiner Herde infiziert haben. „Eine Kuh hat gekalbt, aber keine Milch gegeben und zwei weitere haben ihr Kalb verloren“, berichtet er. Allgemein verlaufe die Erkrankung aber bei seinen Rindern leicht. Tierarzt Alexander Koch betont, es sei wichtig, erkrankte Tiere zu behandeln. Die schweren Verläufe bei Rindern, von denen auch berichtet wird, erklärt er sich so: „Es ist wichtig, eine Erkrankung rechtzeitig zu erkennen und umgehend mit der Behandlung zu beginnen. Bemerkt man die Erkrankung erst spät, haben die Tiere schon stärkere Symptome entwickelt.“
Impfempfehlung der veterinärmedizinischen Impfkommission gilt weiter
Nur die Impfung kann letztlich die Ausbreitung stoppen, auch wenn die kühleren Temperaturen der kommenden Monate das Geschehen beruhigen werden. „Die Impfbereitschaft bei Rinderhaltern hat noch Luft nach oben“, beobachtet der Vorsitzende der TSK. „Die Massivität des Ausbruchs in diesem Jahr hat uns wirklich überrascht.“ Auch die Tierkörperbeseitigung verzeichne anteilig mehr erwachsen verstorbene Kühe, als im Vergleichszeitraum vergangener Jahre. Das spreche dafür, dass die Blauzungenkrankheit auch Tierleid und Verluste bei Rindern verursache.

Tierarzt Alexander Koch verabreicht der Herde im September die notwendige zweite Impfung gegen das Blauzungenvirus. Foto: Hahn
Die Impfung ist weiterhin freiwillig. Warum gibt es noch keine Impfpflicht, wie 2009? Erst diese stoppte den damaligen Ausbruch. Einer der Gründe dafür sei das Fehlen der offiziellen Zulassung, so der Vorsitzende. „Sobald ein Impfstoff die offizielle Zulassung hat, erlischt die Genehmigung für alle weiteren Vakzine.“ Der Klimawandel hat zum diesjährigen Ausbruchsgeschehen der Blauzungenkrankheit beigetragen, die Seuche hat viel Leid über die Tiere gebracht und enorme Kosten verursacht, von denen sicher noch in den kommenden Monaten zu lesen sein wird.