TGrün und clever: Landwirt produziert mit Weidezäunen Solarstrom

Ein Weidezaun, der zugleich Solarstrom produziert - das soll es bald in der Wesermarsch geben. Der Stadlander Bernd Achgelis und sein Hund Ole stehen vor den beiden Musteranlagen, die es bislang gibt. Foto: Kühnemuth
Immer mehr Landwirte werden Solarwirte - und lassen dafür einen Teil ihrer Acker- oder Weidefläche versiegeln. Bernd Achgelis hingegen produziert Sonnenstrom, ohne Land aufzugeben.
Stadland. Bernd Achgelis ist Landwirt in sechster Generation. Bei Kleinensiel bewirtschaftet er 66 Hektar Flächen Weideland, auf denen aktuell noch 35 Mutterkühe grasen. Zu besten Zeiten waren es mal 70 Tiere.
Das Geschäft mit der Milchviehwirtschaft wird schwieriger. Bernd Achgelis, der auch Schweißer ist, hat auch deshalb etwas erfunden, das es seinen Worten zufolge so noch nicht gab: Agri-Weide-PV-Anlagen.
Schwieriger Name, simples Konzept
Hinter diesem sperrig anmutenden Begriff verbirgt sich im Grunde etwas Simples: Aus Aluminium fertigt Bernd Achgelis in seiner eigenen Firma für Schweißtechnik sechs Meter lange Pfähle samt Halterung für moderne, hocheffiziente Solarmodule.
Diese Anlagen nutzt er als Ersatz für herkömmliche Zaunpfähle, kann somit entlang seiner Weidezäune Strom produzieren - während das Weideland selbst unangetastet bleibt.
Bislang gibt es zwei Musteranlagen
Bislang stehen zwei Musteranlagen auf dem Land von Bernd Achgelis. „Bis zum Herbst sollen es rund 300 Anlagen werden, die, sobald sie in Betrieb gehen, Strom für bis zu 400 Haushalte produzieren können“, kündigt der 53-Jährige an.
Zwischen den einzelnen Anlagen will er Lücken lassen, die Module in einem Neigungswinkel von 42 Grad ausrichten. „Sonst sind 30 bis 35 Grad üblich“, weiß Bernd Achgelis.
Verschattungen seien hierdurch bei seinen Agri-Weide-PV-Anlagen „kein Thema“ versichert der angehende Stromproduzent, dem seit dem 11. Juni eine Baugenehmigung für seine 300 Anlagen vorliegt.

So sehen die beiden Agri-Weide-PV-Anlagen auf dem Land von Bernd Achgelis von hinten aus. Dazwischen ist wie bei einem klassischen Weidezaun Draht gespannt, der eines Tages unter Solarstrom stehen wird. Foto: Kühnemuth
Landwirt lässt Erfindung patentieren
Auch sturmtauglich sei seine Erfindung, die er sich bereits hat patentieren lassen. „Die Anlagen halten bis zu Windstärke 12 aus“, macht er deutlich.
Ein weiterer Vorteil der Agri-Weide-PV-Anlagen sei, dass deren 6 Meter lange Pfähle nicht einzementiert, sondern in den Boden gedrückt werden.
Es wird keine Fläche versiegelt, wenn nötig, lassen sich Pfähle und Module ohne großen Aufwand wieder entfernen. „Diese Anlagen sind einfach nachhaltig“, sagt Bernd Achgelis. Weide- und Ackerland blieben erhalten, Solarstrom beschere eine zusätzliche, klimafreundliche Einnahmequelle.
Doch wie viel kosten die Agri-Weide-PV-Anlagen eigentlich? Es sei eine Investition, die sich lohne, sagt Bernd Achgelis. Das, was man am Anfang zahle, stehe in einem guten Verhältnis zum späteren Ertrag.
„Das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz sieht für solche Anlagen, die als Sonder-Agri-PV-Anlagen gelten, eine angemessene Vergütung vor“, weiß der Stadlander.
Darum ist bei diesen Anlagen kein Bauleitplanverfahren nötig
Durch die neue Gesetzgebung und die Bauweise dieser Anlage sei die Genehmigung wesentlich einfacher. Für die 300 Anlagen, die er auf seinem Weideland errichten möchte, gehe er diesbezüglich von gerade einmal 2.000 Quadratmetern aus.
Bei Bernd Achgelis‘ beiden Musteranlagen thronen die Module rund 3 Meter über dem Boden. „Es sind aber auch Höhen von 3,40 oder 3,50 Metern möglich“, erläutert der Landwirt.
Bernd Achgelis möchte die Pfähle in 6 Meter Abstand zueinander ins Erdreich pressen lassen. Dazwischen spannt er dann in 85 Zentimeter Höhe Draht - genau wie bei einem klassischen Weidezaun.
Zwischen den Pfählen können aber auch mehrere Drähte parallel gespannt werden - bis zu einer Höhe von 3 Metern, wodurch der Weidezaun zu einem Wolfszaun wird, der unliebsame Gäste von seinen Kühen fernhält.
Pfähle selbst hergestellt, Material aus Österreich
Der Landwirt wird die Pfähle samt Halterung in seiner eigenen Firma „Achgelis Schweisstechnik“ selbst herstellen, das Aluminium hierfür wird aus Österreich geliefert.
Die Firma Kattau aus Stollhamm installiert die Elektrotechnik, der Maschinenring Wesermarsch übernimmt die Baggerarbeiten. Das Architekturbüro Hans Klahsen aus Brake ist ebenfalls an Bord.
Seine Erfindung sei eigentlich ganz einfach, sagt Bernd Achgelis. „Nur gab es so etwas bislang nicht“, macht der 53-Jährige deutlich, der für sein neues Geschäftsfeld die Firma Bernd Achgelis Energie gründen wird.
„Moore bei Sauensiek“
T Protest im Stader Kreishaus: Landwirte stoppen Naturschutzgebiet
Er will mit seinen Anlagen in Stadland Sonnenstrom für Stadland produzieren. „Die Politik und die Verwaltung in der Gemeinde stehen zu diesem Projekt“, betont er.
Anlagen sollen auch vermarktet werden
Und seine Pläne gehen sogar noch weiter: Bernd Achgelis möchte nicht nur Solarwirt werden, sondern seine Agri-Weide-PV-Anlagen auch an andere verkaufen. „Es gibt bereits viele Interessenten - auch überregional“, sagt er.
Wer mit dem Gedanken spielt, sich solche Anlagen zu kaufen, sollte mindestens 150 bis 200 aufstellen. „Ab da wird es wirtschaftlich“, hat er berechnet.
Anfang kommenden Jahres soll für die Vermarktung eine neue Internetseite online gehen. Ende 2025 möchte Bernd Achgelis dann die erste, auf seinem Grundstück am Havendorfer Sand produzierte Anlage ausliefern.

Die Solarpaneele thronen in rund 3 Meter Höhe über der Weide. Für die Kühe bleibt bei Bernd Achgelis' Agri-Weide-PV-Anlagen genug Platz. Foto: Privat