Zähl Pixel
Europawahl

TGrünen-Politikerin in Stade: Erst Frieden verteidigen, dann Umwelt schützen

Viola von Cramon vor dem Büro der Grünen in der Stader Altstadt.

Viola von Cramon vor dem Büro der Grünen in der Stader Altstadt. Foto: Strüning

Viola von Cramon ist EU-Abgeordnete der Grünen und will auch wiedergewählt werden. Der Wahlkampf führte sie nach Stade. Was sie dort an einer Schule enttäuschte und wie die Außenpolitikerin die Zukunft der EU und der Ukraine sieht.

author
Von Lars Strüning
Freitag, 24.05.2024, 09:50 Uhr

Stade. Der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene Zeitenwandel geht auch an den Grünen nicht spurlos vorbei. Im Gespräch mit Viola von Cramon (54) spielt die Verteidigung und nicht der Umweltschutz die erste Geige. Frei nach dem Motto: Ohne Sicherheit ist alles andere nichts. Das klingt sehr pragmatisch.

Viola von Cramon will „robuste Aufrüstung“

Also erst für äußere Sicherheit sorgen und dann um weitere wichtige Themen wie den Umweltschutz oder die Dekarbonisierung und den Erhalt der Industrie kümmern. Spezialgebiet der studierten Agrarökonomin ist die Außenpolitik. Sie weiß durch viele Aufenthalte dort, wie die Russen und die Ukrainer ticken und hat zudem klare Vorstellungen, wie es mit der EU weitergehen soll.

Eine Lösung für ein Ende der kriegerischen Handlungen in der Ukraine hat sie nicht parat und fragt rhetorisch: „Wer hätte heute noch mit so einem großen Landkrieg in Europa gerechnet?“. Jetzt gehe es darum, die Demokratie gegen die russische Aggression zu verteidigen. Cramon spricht sich für eine „robuste Aufrüstung“ aus, ganz im Sinne von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Putins Ziel: Der Zerfall der Europäischen Union

Einst waren es die Grünen, die auf eine Reduzierung des Wehretats drängten. Das weiß Cramon auch und sagt: „Wir müssen umsteuern.“ Putins Ziel sei der Verfall der EU und ihrer wirtschaftlichen Stärke.

Langfristig Frieden in Europa gebe es nur mit den Kandidatenländern für einen Beitritt der EU. Cramon denkt dabei zuerst an die Republik Moldau, an Nord-Mazedonien und Montenegro. Das zeige Russland und China: Hier ist die Sphäre der EU. Den Balkan-Staaten sei ohnehin schon vor vielen Jahren der Beitritt versprochen worden. Auch die Ukraine sieht Cramon zukünftig in der EU.

Pragmatisch ist auch ihr Einsatz bei der Dekarbonisierung der Industrie, was energieintensive Betriebe wie Dow, Olin oder AOS auf Bützflethersand besonders betrifft. Für die Zeiten des Übergangs zu grünem Strom und grünem Wasserstoff müsse die Politik LNG und auch finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.

Cramon: „Wir wollen die Industrie nicht verlieren“

Das Ziel sei klar: Die Klimaneutralität müsse so schnell wie möglich erreicht werden. Aber: „Wir wollen die Industrie nicht verlieren.“ Die EU habe ein starkes Interesse, dass die Betriebe nicht abwandern.

Gewinnen will sie vor allem junge Wähler. Das EU-Parlament dürfen alle ab 16 Jahre wählen. Deswegen besuchte sie Gymnasiasten der Jobelmannschule in Stade - und war ein wenig enttäuscht.

„Da hätte ich mir mehr Nachfragen gewünscht“, sagte sie. Es gehe schließlich um deren Zukunft. Cramon kennt das anders. Die Grünen seien derzeit von allen Seiten unter Beschuss. An den sehr differenzierten Denkansätzen der 54-Jährigen kann es kaum liegen.

AfD spielt die Rolle, die einst die Grünen inne hatten

Was sie besonders grämt: Sie spüre einen Rechtsruck, gerade bei jungen Leuten. Die AfD gelte jetzt als revolutionär, gegen das System gerichtet. Die Rolle hatten einst die Grünen inne.

Viola von Cramon steht auf Platz 15 der Bundesliste; will sie ins Parlament rücken, benötigt ihre Partei 14 Prozent der Stimmen. Um das Ziel zu erreichen, setzt sie auch auf unkonventionelle Aktionen: Beim Spargellauf in Deinste am 7. Juni, kurz vor der Wahl am 9. Juni, geht ein Team an den Start, das von ihr gesponsert wird. „Vielleicht“, so Cramon, „laufe ich auch mit.“

Die Redaktion empfiehlt
Weitere Artikel